BLICK: Auch Kinder hören und sehen die Schlagzeilen von der Tötung des kleinen Mergim L. auf seinem Schulweg. Wie sollen die Eltern dies mit den Kindern besprechen?
Philipp Ramming: Etwas vom Wichtigsten ist, dass die Eltern den Kindern helfen, das Vorgefallene einzuordnen. Dazu gehört, dass sie ihren Kindern klare Infos geben, was passiert ist. Dabei kommt es allerdings auch aufs Alter an, wie viel und was man sagt. Je mehr die Kinder nachvollziehen können, je weniger bedrohlich ist es für sie. Trotzdem: So ein Vorfall bleibt bedrohlich, erst recht, wenn er sich in der Nähe zugetragen hat. Da kommen viele Ängste zusammen.
Wie viele Details darf man den Kindern verraten?
Es hilft nicht, wenn man zu sehr in die Details geht. Wenn das Kind konkrete Fragen hat, dann sollte man die beantworten, aber dabei generell bleiben. Erlaubt ist auch zu sagen, man wisse es nicht genau. Die Art, wie der Bub ums Leben kam, muss man ja nicht unbedingt konkret benennen, auch spricht man lieber von umgebracht als von getötet, denn das ist viel weniger dramatisierend. Allgemein sollte man bei den Fakten bleiben und alles Dramatisierende rausnehmen. Die Tat nachzustellen, wäre zum Beispiel keine gute Idee.
Die Sache totzuschweigen, wäre auch eine Strategie.
Das hilft gar nicht. Wenn die Kinder mit einer Frage zu so einem Ereignis zu den Eltern oder zu Vertrauenspersonen kommen, muss man sie ernst nehmen und altersgerecht mit ihnen darüber sprechen.
Wie können Eltern ihren Kindern die Angst nehmen?
Man kann ihnen die Angst nicht nehmen, aber man kann ihnen Sicherheit geben, dass man als Eltern da ist und auf sie aufpasst.
Aber was soll man tun, wenn die Kinder Albträume haben oder nicht mehr alleine in die Schule laufen wollen?
Konkret soll man ihnen sagen, dass man sie verstehe, dass so etwas Angst machen könne. Dann gilt es, die Kinder zu beruhigen und ihnen die Sicherheit zu geben, dass ihnen so etwas nicht passieren wird. Reaktionen wie eben Albträume und Ähnliches zeigen sich meist nur kurzfristig. Wenn sie länger als drei Wochen dauern, benötigt die Familie Hilfe, um dem Kind in den Alltag zurückzuhelfen.
In der Regel sind Eltern genauso verängstigt nach einer solchen Tat, begleiten ihre Kinder eine Zeit lang wieder zur Schule. Ist das richtig – oder sendet das falsche Signale aus?
Die Eltern müssen entscheiden, was ihnen diese Sicherheit bringt. Wenn die Erwachsenen finden, dass es diese Sicherheitsmassnahmen braucht, ist das okay. Aber wenn sie die eigenen Ängste und die eigene Betroffenheit hineinprojizieren, hilft das dem Kind nichts. Denn die Erwachsenen sind die Vorbilder.