Vor dem Pfarrhaus in Rothenfluh BL fahren am vergangenen Dienstag Polizeiautos vor. Die Polizisten holen den ehemaligen Pfarrer des Dorfes, Lukas Baumann (56), mit dem Kastenwagen ab. Der Verhaftete ist als Chüngeli-Pfarrer oder Selbstgeissler bekannt.
Er machte Schlagzeilen, weil er sich vehement gegen die öffentliche Schlachtung in Sissach BL einsetzte und sich gar öffentlich selbst auspeitschte. Nun überschritt er erneut eine Grenze – allerdings mit Folgen. Die Polizei ermittelte ihn als Verfasser von bizarren Drohbriefen gegen vier Kirchgemeinden zwischen Gelterkinden BL und Liestal BL.
Verunsicherte Kirchgemeinden
In einer ziemlich derben Sprache kündigte Baumann die rituelle Übernahme von fünf Kirchen an. Im Brief kommen die Worte «Anschlag» und «Angriff» vor. Unterschrieben sind die Pamphlete mit «Julian Mestre».
Der evangelisch-reformierte Kirchenrat Baselland schaltete die Polizei ein. Präsident Martin Stingelin (60) zu BLICK: «Wir haben am Freitag anonyme Briefe erhalten, die man als Bedrohung deuten muss. Die jeweiligen Kirchgemeinden waren verunsichert. Wir haben darauf Anzeige gegen unbekannt erstattet.»
Die Kirchen rechneten mit Gewalt
Der Inhalt war so derb, dass den Verantwortlichen Angst und Bange wurde. Stingelin: «Wir mussten aufgrund der Formulierung annehmen, dass wir Gewalt befürchten müssen. Wir stehen in der Verantwortung, dass in unseren Räumlichkeiten niemandem was passiert.»
Lukas Baumann hatte erwartet, dass seine Briefe heftige Reaktionen auslösen würden. Als er am frühen Nachmittag wieder auf freiem Fuss war, sagte er zu BLICK: «Das war vorauszusehen. Ich wollte ja provozieren. Das gehört zu meinem Kampf für den richtigen Glauben.»
«Sie hätten ja den Namen googeln können»
Er könne aber nicht verstehen, dass man seine Aktion nicht als Inszenierung durchschaut hatte. «Ich habe ja mit Julian Mestre unterschrieben, die aktuelle Figur meiner Inszenierung. Hätten die Kirchenverantwortlichen den Namen gegoogelt, hätten sie das gleich erkannt.»
Dass man ihn, einen Pfarrer, gleich verhaftet hat, nervt ihn. «Der Brief war ja nicht mit meinem Namen unterschrieben, sondern mit dem einer Theater-Figur, einem Tempel-Ritter.» Als die gleiche Figur habe er sich in Sissach BL bereits für die Schlachtung zweier Schweine gegeisselt.
Mäuseplage im Haus
Pfarrer Baumann hat sich die Verhaftung zu einem ungünstigen Zeitpunkt eingebrockt. Er muss bis am 2. April aus dem Pfarrhaus in Rothenfluh BL ausgezogen sein. Im Innern des Hauses herrscht das Chaos. Es herrscht ein riesiges Mäusefest. Hunderte der kleinen Nager krabbeln durch die Räume.
Bis zur Übergabe müssen sie alle weg. Für den militanten Tierschützer eine Katastrophe. Er sagt traurig: «Ich muss den Kammerjäger kommen lassen. Es geht nicht anders, die Mäuse werden alle sterben müssen. Es wäre unanständig, dem nächsten Pfarrer das Haus so zu übergeben.»
Die Aktion «Rituelle Übernahme von fünf Kirchen im Baselbiet» hat Folgen für den Pfarrer. Gegen ihn läuft die Anzeige wegen Drohung, Nötigung und Schreckung der Bevölkerung. Ob die Behörden die Erklärungen des Pfarrers als Entlastung gelten lassen, ist fraglich.