Frau stirbt an Kohlenmonoxid-Vergiftung – hat der Chämifäger geschlampt?
«Ich habe nicht vergessen, den Deckel zu schliessen!»

Er soll ein tödliches Gas-Leck verursacht haben: Kaminfeger François B. (55) soll den Deckel einer Abgasanlage vergessen zu montieren haben. Daraufhin erlitten drei Menschen eine schwere Vergiftung, eine Frau starb. Ab heute Donnerstag steht der Franzose vor Gericht.
Publiziert: 00:00 Uhr
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Aktualisiert: 12:18 Uhr
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Kaminfeger François B. soll dafür verantwortlich sein, dass eine Frau Anfang Dezember 2021 an einer Kohlenmonoxidvergiftung starb.
Foto: Zvg

Darum gehts

  • Kaminfeger vor Gericht wegen Kohlenmonoxid-Vergiftung mit Todesfolge
  • Beschuldigter François B. (55) bestreitet Schuld
  • Zivilforderungen belaufen sich auf rund 100'000 Franken
Die künstliche Intelligenz von Blick lernt noch und macht vielleicht Fehler.
11:35 Uhr

Hauptverhandlung ist beendet

Der Richter schliesst damit die Verhandlung. Urteilsverkündung ist am 30. Oktober um 11 Uhr.

11:29 Uhr

Verteidigung moniert Verhalten der Feuerwehr

«Warum wurden nach der Kohlenmonoxid-Vergiftung des Ehepaares nicht die Heizung abgestellt?», fragt der Verteidiger. Und weiter: Man hätte die Anwohner mit Post-It informierten müssen, dass etwas passiert war. Vielleicht hätte dann die Nachbarin nicht sterben müssen.» Der Verteidiger fordert einen Freispruch ohne Kostenfolgen für seinen Mandanten.

11:22 Uhr

Raum nicht verschlossen

Der Verteidiger betont, dass der Heizungsraum mehrere Tage nicht abgeschlossen gewesen war. «Es ist sehr wohl möglich, dass der Hauswart den Raum betreten hatte und vielleicht den Deckel geöffnet hatte.» Der sei auch Mitglied des technischen Ausschusses. Vielleicht habe er kontrolliert, ob richtig gereinigt worden war.» Es seien möglicherweise noch weitere Personen bei der Heizung gewesen, sagt der Verteidiger. 

11:06 Uhr

Verteidigung: Mandant ist unschuldig

Der Verteidiger des Beschuldigten plädiert klar für einen Freispruch. «Er hätte übersehen müssen, dass der Deckel da liegt, und dass die Öffnung nicht geschlossen ist. Auch, dass Dampf aus der Öffnung austritt, hätte er bemerkt», sagt der Anwalt. «Der Ort, wo der Deckel von Zeugen gesehen wurde, macht zudem für eine Kaminfeger keinen Sinn, der ist zu weit von der Öffnung entfernt.»

10:48 Uhr

Opferanwalt: Gewaltiger Einschnitt ins Leben

Der Opferanwalt des verletzten Ehepaares sagt, dass seine Mandanten von dem Zwischenfall traumatisiert sind. «Sie wurden von ihrer Tochter ohnmächtig in der Wohnung gefunden. Nur durch eine Notfalltherapie im Spital haben sie überlebt. Sie haben auch Jahre danach noch immer Symptome», sagt der Anwalt. Seine Mandanten hatten gerade erst die Wohnung renoviert und waren am Zügeln, als der Unfall mit der Heizung im Dezember 2021 passierte. Doch auch bis heute seien sie noch immer nicht definitiv eingezogen. Die Umzugskartons stehen noch immer ungeleert in der Wohnung.

10:33 Uhr

Neun Monate bedingt

Die Staatsanwältin fügt an, dass auch ohne bauliche Mängel am Haus eine Vergiftung der Bewohner möglich gewesen sei. So etwa über die Verschleppung über das Treppenhaus. «Der Beschuldigte hat die Schuld an der schweren Körperverletzung des Ehepaares und dem Tod der Frau. Die Gefahr für eine Vergiftung mit Kohlenmonoxid war vorhersehbar und verhinderbar. Die nicht verschlossene Serviceklappe ist nachweislich Ursache für den Austritt des Kohlenmonoxids.» Die Staatsanwältin fordert eine Freiheitsstrafe von neun Monaten bedingt, mit einer Probezeit von zwei Jahren. Sie fordert einen Schuldspruch für fahrlässige Tötung und mehrfache fahrlässige schwere Körperverletzung.

10:23 Uhr

Staatsanwältin überzeugt von Schuld

Die Staatsanwältin hält fest, dass der Beschuldigte heute am Prozess sich deutlich sicherer ist, als bei der ersten Befragung. «Er wollte damals schnell nach Hause und war unter Zeitdruck», sagt die Staatsanwältin. «Es deutet alles darauf hin, dass der Deckel vergessen wurde.» Sie fügt an: «Dass eine Drittperson den Deckel geöffnet hatte, ist sehr unwahrscheinlich. Wer sollte ein Interesse daran haben? Auch zeitlich macht das keinen Sinn, der Zusammenbruch des einen Opfers passt auf die Zeit der Wartung der Anlage durch den Beschuldigten.» 

09:54 Uhr

Kurze Prozesspause

Der Richter pausiert den Prozess, danach beginnen die Plädoyers.

09:51 Uhr

Es sollte keine Verbindung zur Wohnung geben

Vorschriften sind unklar, sagt der Verteidiger zum Experten. Er fragt: «Warum hat man die Heizung betreiben dürfen, obwohl der Raum nicht dicht ist? Er fragt: «Was ist denn vorgeschrieben?» Der Experte sagt dazu: «Die Gebäudeversicherung wäre der richtige Gesprächspartner für diese Frage. Ich bin kein Experte für bauliche Massnahmen.»

09:39 Uhr

Experte schliesst Verpuffung aus

«Eine Verpuffung kann es nicht gegeben haben», sagt der Experte. Er widerspricht damit der Aussage des Kaminfegers, dass das vielleicht der Grund für die offene Wartungsöffnung war. «Solche Verpuffungen sind sehr selten und bei dieser Anlage nicht wahrscheinlich.», sagt er.

Erst wird das Ehepaar G.* am Nachmittag bewusstlos in einer Wohnung in Binningen BL entdeckt, in der Nacht darauf stirbt Anfang Dezember 2021 ihre Nachbarin Elisabeth M.* (†87). Der Grund: eine Kohlenmonoxidvergiftung.

Schuld daran soll Kaminfeger François B.* (55) sein. Er soll das tödliche Gasleck verursacht haben. Davon ist zumindest die Baselbieter Staatsanwaltschaft überzeugt. Ab heute Donnerstag muss er sich vor dem Baselbieter Strafgericht in Muttenz verantworten. Dies wegen fahrlässiger Tötung und mehrfacher fahrlässiger schwerer Körperverletzung.

Gegenüber Blick erklärt der François B. gestern Mittwoch jedoch: «Ich habe keinen Fehler gemacht!» Sein Verteidiger fragt sich sogar, ob das spätere Todesopfer hätte gerettet werden können.

Undichte Abgasanlage

Die Staatsanwaltschaft Baselland wirft dem Franzosen vor, bei einem Service am 7. Dezember 2021 geschlampt zu haben. Er war für Wartungsarbeiten an einer erdgasbetriebenen Heizungsanlage samt Abgasanlage in einem Mehrfamilienhaus in Binningen zuständig. Diese hatte er auch schon in den Jahren zuvor gewartet.

Am besagten Dienstag soll er aber vergessen haben, den Deckel der Serviceöffnung des Abgasrohrs wieder aufzustecken. Vielleicht fiel der Deckel aber auch bei einer Art Verpuffung weg, weil François B. den Deckel mit Silikon einschmierte. Heisst: Die Anlage war undicht. Zudem soll er keine Schlusskontrolle – beziehungsweise diese nicht korrekt – durchgeführt haben.

Kohlenmonoxid strömte durchs Haus

Dadurch konnte laut Anklage Kohlenmonoxid – ein farb- und geruchloses, aber hochgiftiges Gas – über das Abgasrohr in den Heizraum und schliesslich von dort aus über einen Installationsschacht sowie eine Servicetür in die Wohnung des Ehepaars G. und etwa in die Küche von Elisabeth M. strömen. Alle drei Hausbewohner erlitten eine schwere Kohlenmonoxidvergiftung. Das Gas blockiert die Aufnahme von Sauerstoff im Blut.

Bereits am Mittwochabend verlor Ehefrau G. vorübergehend das Bewusstsein und musste ins Spital. Weil keine Diagnose gestellt werden konnte, wurde sie dort wieder entlassen. Am Folgetag wurden am frühen Nachmittag sowohl Frau G. als auch ihr Ehemann bewusstlos in ihrem Schlafzimmer aufgefunden und die Polizei alarmiert. Notfallmässig wurde das Paar ins Spital gebracht. Das Resultat: eine schwere Kohlenmonoxidvergiftung. Beide schwebten in Lebensgefahr und mussten im Schockraum intubiert und beatmet werden. Sie beide erlitten laut Anklageschrift bleibende Schäden.

Währen das Ehepaar G. bereits im Spital um sein Überleben kämpfte, kam für Elisabeth M. jede Hilfe zu spät: Sie kehrte am Donnerstag gegen 17 Uhr zurück in ihre Wohnung. Dort wurde sie am Freitagnachmittag von Polizeibeamten leblos aufgefunden. Der Todeszeitpunkt: Donnerstag ab 17 Uhr bis Freitag gegen 2.15 Uhr.

«Immer gleiches Schema»

Kaminfeger François B. macht das traurige Schicksal zu schaffen. Er sagt: «Natürlich tut es mir leid, was dem Ehepaar und der Frau widerfahren ist.» Trotzdem ist er überzeugt: «Ich gehe immer nach dem gleichen Schema vor. Ich bin überzeugt, dass ich nicht vergessen habe, den Deckel zu schliessen!»

Wie Blick von seinem Verteidiger, Matthias Aeberli, erfährt, war die Zeit seit dem Vorfall auch für den beschuldigten François B. enorm belastend. «Es ist nicht einfach, auch wenn man von seiner Unschuld überzeugt ist, Teil eines Strafverfahrens zu sein – vor allem als Beschuldigter. Auch erstreckte sich das Verfahren über vier Jahre, eine ganz schön lange Zeit.»

Auch Aeberli ist von der Unschuld seines Mandanten überzeugt. «Er hätte ja mehrere Sachen übersehen müssen, was eher unwahrscheinlich erscheint. So etwa, dass der Deckel auf dem Expansionsgefäss liegt, die Öffnung offen ist und dass da Dampf oder Rauch ausströmt.»

Forderungen von 100'000 Franken

Weiter hält der Verteidiger fest: «Es ist aktenkundig, dass der Raum auch Tage danach offen stand und zahlreiche Personen Zutritt hatten.» Heisst: Der mutmassliche Tatort hätte kontaminiert werden können. Und: «Es gibt eine befragte Auskunftsperson, die die Heizungsanlage kontrolliert, aber keinen Fehler erkannt hat.»

Was Aeberli nachdenklich stimmt: «Das Ehepaar kam am frühen Donnerstagnachmittag ins Spital, wo die Kohlenstoffmonoxidvergiftung festgestellt wurde. Das andere Opfer verstarb in der Nacht auf Freitag. Weshalb hat sie niemand gewarnt oder die Heizung vorsichtshalber – zumindest vorübergehend – abgestellt?»

Die Strafanträge der Staatsanwaltschaft werden an der Hauptverhandlung heute bekannt gegeben. Gegenüber Kaminfeger François B. werden Zivilforderungen in Höhe von rund 100'000 Franken geltend gemacht. Es gilt die Unschuldsvermutung. Blick ist an der Verhandlung dabei und berichtet live.

* Namen geändert

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