Demonstrierende sind mit Palästina-Flaggen vor Ort
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Bei der Eröffnungszeremonie:Demonstrierende sind mit Palästina-Flaggen vor Ort

Aufgeheizte Stimmung vor ESC
Basel verbietet Kundgebung gegen Antisemitismus

Eine Standkundgebung gegen Antisemitismus erhält am ESC keine Bewilligung. Laut Polizei ist am geplanten Ort eine sichere Durchführung nicht möglich.
Publiziert: 11.05.2025 um 11:13 Uhr
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Aktualisiert: 11.05.2025 um 14:28 Uhr
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Polizisten patrouillieren durch Basel.
Foto: STEFAN BOHRER

Darum gehts

  • Auf den sozialen Medien sind Demonstrationen gegen die Teilnahme Israels angekündigt
  • Basler Polizei lehnt Kundgebung gegen Antisemitismus beim ESC ab
  • Sicherheitsbedenken und Veranstaltungsperimeter als Gründe für Ablehnung genannt
Die künstliche Intelligenz von Blick lernt noch und macht vielleicht Fehler.
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Hannes BoosRedaktor

Die Stimmung rund um den Eurovision Song Contest (ESC) in Basel ist angespannt. Knapp 1300 Polizistinnen und Polizisten aus der ganzen Schweiz sind aufgeboten. Pro-Palästina-Aktivisten wollen die Teilnahme Israels verhindern. Sie rufen zu unbewilligten Grossdemos auf. Das Motto: «Escalate for Palestine» – nicht unbedingt ein Appell für friedliche Proteste. Am Freitag forderte auch Nemo den Ausschluss Israels. Israels Krieg im Gazastreifen stehe «in grundlegendem Widerspruch zu den Werten, die der Eurovision zu vertreten vorgibt – Frieden, Einheit und Achtung der Menschenrechte.»

Die Basler Stadtregierung hält derweil die Meinungsfreiheit hoch: «An Kundgebungen ist ein friedlicher Protest erlaubt. Man darf seine Meinung zu allem, was die Welt bewegt, äussern», sagte Sicherheitsdirektorin Stephanie Eymann dem Onlinemagazin Bajour.

Standkundgebung abgelehnt

Eine Absage erhielt nun aber eine Standkundgebung zum Thema «Antisemitismus rund um den ESC», die für den 15. Mai am Claraplatz geplant war. Laut Gesuch zielten die Organisatoren darauf ab, sich gegen den Antisemitismus «im Kulturbetrieb und generell» starkzumachen. Spezifisch sollte ein Zeichen gegen den Hass gesetzt werden, der Yuval Raphael derzeit entgegenschlägt, der israelischen ESC-Kandidatin und Überlebenden des Hamas-Massakers am 7. Oktober 2023. Im Gespräch mit Blick beschreiben sich die Organisatoren – die aus Sicherheitsgründen anonym bleiben wollen – als lose Gruppe aus jüdischen und nicht jüdischen Personen aus Basel, Zürich, Bern und Freiburg (D).

«Nach eingehender Prüfung kommt die Kantonspolizei Basel-Stadt zum Schluss, dass die geplante Kundgebung eine konkrete Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung darstellen könnte», heisst es im Ablehnungsschreiben der Basler Polizei, das Blick vorliegt. «Der thematische Zusammenhang mit dem Eurovision Song Contest in Verbindung mit aktuellen politischen Spannungen birgt ein erhöhtes Risiko für Störungen, Gegendemonstrationen oder Auseinandersetzungen.» Der für den Schutz erforderliche Zusatzaufwand wäre für die Polizeikräfte an diesem Tag nicht bewältigbar.

Lag es am Standort?

Auf Anfrage erklärt die Kantonspolizei die Absage so: Während parallel ESC-Veranstaltungen laufen, seien Demonstrationen innerhalb des «Veranstaltungsperimeters» aus Sicherheitsgründen grundsätzlich untersagt, was auch den Claraplatz betreffe. Dieser liegt mitten am «ESC-Boulevard», der die ESC-Schauplätze am Messe-Gelände und dem Barfüsserplatz miteinander verbindet. In der Absage zum Gesuch werden Standortbedenken oder Veranstaltungsperimeter jedoch nicht erwähnt. 

Die Organisatoren geben an, letzten Donnerstag gegenüber der Polizei bejaht zu haben, die Kundgebung alternativ auch an einem anderen Ort in Basel durchführen zu wollen. Einen Rückruf habe der Gesuchsteller nicht entgegengenommen, da er sich per Velo auf dem Heimweg befunden habe. Am Freitag sei dann die Ablehnung des Gesuchs eingetroffen. Die Polizei äussert sich zu dieser Darstellung nicht. «Als Programm für die Kundgebung war ein Stand mit Flyern und Gesprächen geplant», sagt der Gesuchsteller. «Das fällt jetzt zumindest von unserer Seite her wohl ins Wasser, weil wir wirklich Angst haben. Das darf und kann nicht sein.»

Angespannte Stimmung

Im Gespräch mit drei jüdischen Baslerinnen bestätigt sich, wie angespannt die Stimmung derzeit ist. «Die Angst schwingt mit», sagt eine Schweizerin in ihren Fünfzigern zu Blick. «Ich glaube, dass die Schweiz noch nicht ganz verstanden hat, was auf uns zukommt.» Die hiesige Palästina-Szene erlebe sie im internationalen Vergleich zwar nicht als besonders gewaltbereit; zu befürchten sei aber, dass radikalere Kräfte aus Frankreich und Deutschland anreisen. Kritik übt sie auch an Nemo: «Nemo fordert Inklusion, gleichzeitig will er die israelische Sängerin ausschliessen.» Der Antisemitismus habe generell zugenommen, auch abseits von ESC und pro-palästinensischer Proteste.

«Es wird langsam bedrohlicher für uns», sagt auch eine israelische Frau. Während des ESC werde sie in der Basler Innenstadt kein Hebräisch sprechen. Für die russische Politik werde primär Putin kritisiert, für die israelische Politik dagegen Juden und Jüdinnen weltweit. Eine andere junge Frau wollte ferner mit einer Israel-Flagge ein Public Viewing besuchen, weiss aber mittlerweile nicht mehr, ob sie das Risiko eingehen soll. Das Dilemma sei: «Auf der einen Seite sorgen wir uns um unsere persönliche Sicherheit, auf der anderen Seite wollen wir uns nicht aus dem öffentlichen Raum vertreiben lassen.»

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