Die Champagnerflöten funkeln im roten Licht. Im Hintergrund läuft Musik. Noch schnell über den Tresen gewischt – und die Freier können kommen. Am Eingang des Oceano-Clubs in Lugano TI läuft dann das übliche Corona-Programm ab: Desinfektion, Maske aufsetzen, Covid-Zertifikat vorlegen, Fieber messen. Für die Italiener ist der Super Green Pass Pflicht. Im Oceano machen sie 80 Prozent der Kundschaft aus. «Ungeimpfte haben bei uns keine Chance», sagt der Chef des grössten Bordells im Tessin, Bernhard Windler (51), zu Blick.
Wie so viele andere Puff-Betreiber durchlebt auch Windler eine harte Zeit. «Als ich 2014 das Oceano übernahm, brummte das Geschäft noch», erinnert er sich. «Unsere 62 Zimmer waren gut gebucht.» Jetzt hingegen würde nur noch jedes dritte benutzt.
«Viele Mädchen haben in der Pandemie umgesattelt. Sie haben geheiratet, in der Heimat ein B&B oder einen Laden eröffnet», so Windler. Immer wieder musste der Puff-Chef wegen hoher Corona-Zahlen seinen Laden schliessen, durfte dann wieder für einigen Monate öffnen. In den vergangenen zwei Jahren sei der Umsatz des Oceano um 60 Prozent eingebrochen.
Ein Jahr von den Ersparnissen gelebt
Maria (30) arbeitet seit etwas mehr als einer Woche wieder im Oceano. «Wegen Corona habe ich ein ganzes Jahr Pause gemacht», sagt die Rumänin, «jetzt sind meine Ersparnisse aufgebraucht.» Den grossen Reibach wird sie an diesem Abend aber nicht machen. Die Freier seien verunsichert, sagt Maria. Und das Geld sitze in der Pandemie nicht mehr so locker. Besonders bei den Italienern.
Noch vor gut zehn Jahren galt das Tessin als das Eldorado der Lust. Knapp 1000 Frauen schafften in 37 Bordellen an. Über 80 Prozent der Freier kamen aus dem italienischen Grenzgebiet.
Dann ging es stetig bergab: Der Kanton liess illegale Etablissements in Wohngebieten schliessen. Die Aktion «Domino» machte 2012 Schlagzeilen – 24 Bordelle wurden geschlossen, 182 Personen angezeigt, 11 Millionen Franken beschlagnahmt. Es folgte eine Meldepflicht für Dirnen. Visa gab es fortan nur noch für EU-Bürgerinnen. Der teure Franken und die Wirtschaftskrise gaben den Rest. Bereits 2016 waren nur noch 15 der rund drei Dutzend Bordelle übrig. Und dann kam auch noch Corona.
Bordelle hielten sich an Corona-Regeln
Jetzt sind nur noch sieben Bordelle offen. «Allein in den vergangenen Monaten haben vier Läden geschlossen», sagt Bernhard Windler. Sein Oceano The Club gehört zu den Überlebenden. «Wir hatten finanzielle Reserven gehabt», so der Puff-Direktor, «wir konnten sogar unsere 19 festangestellten Mitarbeiter halten.» Doch Corona war auch für ihn teuer: Über 200'000 Franken habe er in das Covid-Konzept gesteckt.
«Wir hatten keinen einzigen Corona-Fall, weder bei den Mädchen noch bei den Kunden – bis Omikron kam», sagt Windler. «In diesem Januar wurden schliesslich elf unserer Leute krank. Und vier Mädchen aus Rumänien konnten wegen Omikron nicht anreisen.»
Auch bei der Konkurrenz sei die Corona-Bilanz überraschend gut, so Windler. Das bestätigt auch die Sondereinheit für Prostitution der Tessiner Kapo (Teseu): «Die Corona-Regeln wurden in allen legalen Rotlichtlokalen eingehalten.»
Trotzdem: Damit das harte Geschäft um Lust und Liebe wieder florieren kann, hofft Windler auf die Hilfe des Bundesrats. Werden erst mal die Corona-Massnahmen aufgehoben, dann, so ist sich Windler sicher, «werden die Kunden wiederkommen: Sie haben die Isolation satt und sie werden wieder zwischenmenschliche Kontakte suchen – da bin ich ganz optimistisch».