2480 neue Corona-Fälle verzeichnete das Bundesamt für Gesundheit (BAG) übers Wochenende – so wenige wie schon lange nicht mehr. Je mehr die Ansteckungen sinken, desto mehr steigt der Druck auf den Bundesrat, endlich Lockerungen aus dem Lockdown zu beschliessen.
Am Wochenende stellten der Wirtschaftsdachverband Economiesuisse und der Arbeitgeberverband einen Vier-Stufen-Plan zur schrittweisen Öffnung vor. Und der hat es in sich – gerade aus Sicht der Wirte: Zwar sollen Restaurants schon ab dem 1. März das Terrassengeschäft wieder aufnehmen und Gäste draussen bewirten können.
Doch die richtige Beizen-Öffnung kommt auch für die Wirtschaftsverbände erst infrage, «sobald die Risikogruppen geimpft sind». Das dauert: Gemäss Impfplan gehen Bund und Kantone davon aus, dass die Risikopersonen erst Ende April geimpft sind. Das heisst also: Beizen-Lockdown bis Mai!
Beizen-Lockdown bis Mai – Platzer ist wütend
Entsprechend erbost ist Gastrosuisse-Präsident Casimir Platzer (48): Erst zu öffnen, wenn die Risikogruppen geimpft sind? «Das kommt für mich nicht infrage!», schimpft er. Und, was ihn besonders hässig macht: Er hat erst aus den Medien vom Vorschlag der Wirtschaftsverbände erfahren – obwohl er selbst im Vorstand des Arbeitgeberverbands sitzt.
Für ihn macht der Plan keinen Sinn: «Warum sollen denn Nicht-Risikopersonen so lange warten? Das wäre nicht verhältnismässig!»
Economiesuisse will Planungssicherheit, Platzer sieht diese nicht
Economiesuisse-Chefökonom Rudolf Minsch (52) relativiert. «Selbstverständlich sollen Restaurants früher öffnen können, wenn die Ansteckungszahlen tief genug sind.» Bei etwas höheren Fallzahlen könne man diese aber erst öffnen, wenn die Risikogruppen geimpft seien. Den Wirtschaftsverbänden sei es um ein ausgewogenes Konzept gegangen, «mit dem alle Planungssicherheit gewinnen».
Das wiederum bringt Platzer auf die Palme: «Die Impfstrategie hat der Bund genauso wenig im Griff wie manch anderes in dieser Krise», sagt er. «Was, wenn sich wieder Lieferungen verzögern und im Juni noch nicht alle Risikopersonen geimpft sind?» Das sei für die Gastronomie keine Perspektive.
2,4 Millionen gehören zur Risikogruppe
Laut BAG gehören zu den Risikopersonen alle über 65-Jährigen sowie Erwachsene mit chronischen Vorerkrankungen und höchstem Risiko für einen schweren Verlauf einer Corona-Erkrankung plus das Pflegepersonal in Heimen. Insgesamt etwa 2,4 Millionen Menschen. Bis 10. Februar wurden erst 482'423 Impfdosen verabreicht – im besten Fall könnten 240'000 Menschen bereits beide Dosen erhalten haben.
Fehlen noch mehr als zwei Millionen Menschen – dass diese innert zweieinhalb Monaten geimpft sind, darf bezweifelt werden. Der oberste Kantonsarzt Rudolf Hauri mag jedenfalls keine Vorhersagen mehr treffen: «In Bezug auf die Risikopersonen lässt sich derzeit nicht abschätzen, ob der Fahrplan aufgrund der bisherigen Lieferverzögerungen wesentlich angepasst werden muss», sagt er. Dies hänge auch von der Zulassung weiterer Impfstoffe und deren Verfügbarkeit ab.
Was plant der Bundesrat?
Immerhin: Schon für März schlagen die Wirtschaftsverbände vor, dass Restaurants das Terrassengeschäft öffnen dürfen. Für Platzer ist das überfällig: «Heute erlaubt man den Wirten Take-away und verpflichtet sie gleichzeitig dazu, Menschenansammlungen zu verhindern. Mit Vierertischen auf der Terrasse wäre das deutlich besser kontrollierbar», sagt er. Ausserdem könne man den Kunden nicht sagen: «Setz dich in den Schnee, wenn du deine Suppe essen willst!» Platzer erwartet, dass der Bundesrat das sofort anpasst.
In Bern wird heiss diskutiert, was die Regierung am Mittwoch vorschlägt. Lockerungen für den Detailhandel und Museen gelten als möglich, ebenso, dass die Fünfer-Regel für private Treffen fällt. Restaurants müssen zuwarten, denn die Gastronomie käme zuletzt. Dies, weil beim Essen und Trinken ja die Maske nicht getragen werden könne, wollen einige wissen.
Doch noch zirkulieren die Antragspapiere von Gesundheitsminister Alain Berset (48) nicht – und sie werden aus Angst vor Indiskretionen auch nur einem sehr kleinen Personenkreis zugänglich gemacht.
Berset bekommt 250'000 Unterschriften serviert
Der Druck auf den Bundesrat ist gross: SVP-Präsident Marco Chiesa (46) und die Jungfreisinnigen servierten Berset am Montag auf einem Beizentisch 250'000 Unterschriften unter einer Petition, die ein sofortiges Lockdown-Ende fordert.