Amherd verlässt unter Tränen das Podium im Bundeshaus
0:32
Nach Abschiedsrede:Amherd verlässt unter Tränen das Podium im Bundeshaus

Viola Amherds Tränen – Adolf Ogi erzählt, wie sein Rücktritt war
«Man muss sich emotional vom Amt lösen»

Bundesrätin Viola Amherd nahm emotional Abschied im Parlament. Doch wie trennt man sich von einem Amt, das jahrelang das Leben bestimmt hat? Alt Bundesrat Adolf Ogi gibt Auskunft.
Publiziert: 14.03.2025 um 09:42 Uhr
|
Aktualisiert: 14.03.2025 um 09:59 Uhr
1/7
Emotionaler Moment: Die scheidende Bundesrätin Viola Amherd bei ihrer Abschiedsrede in der Vereinigten Bundesversammlung.
Foto: keystone-sda.ch

Darum gehts

  • Viola Amherd verabschiedet sich emotional aus dem Bundesrat
  • Adolf Ogi gibt Einblicke in den Abschiedsprozess eines Bundesrats
  • SVP-Vertreter Ogi war 13 Jahre im Bundesrat
Die künstliche Intelligenz von Blick lernt noch und macht vielleicht Fehler.
SvenAltermatt02 (1).jpg
Sven AltermattCo-Ressortleiter Politik

Einen so bewegten Moment hat das Bundeshaus lange nicht mehr erlebt! Die abtretende Mitte-Bundesrätin Viola Amherd (62) war sichtlich gerührt, als sie zum Abschied vor dem Parlament sprach. In ihrer Rede dankte sie zum Schluss ihrer Familie und ihren Freunden. Amherds Stimme brach, und mit Tränen in den Augen verliess die Verteidigungsministerin das Rednerpult.

«In den vergangenen Tagen hatte man den Eindruck, dass Amherd der Abschied aus dem Bundesrat doch schwerer fällt als gedacht», sagt eine ihr nahestehende Person zu Blick. Nach Jahren voller Verantwortung, hoher Belastung und unzähliger Arbeitsstunden geht für sie in zwei Wochen eine prägende Zeit zu Ende. Mit ihrem Rücktritt fällt wohl auch eine grosse Last ab.

Während sich manche Bundesratsmitglieder zum Ende ihrer Ära kaum anmerken liessen, wie ihre Gefühlslage ist, wurden andere emotionaler. Amherds Vorgängerin im Bundesrat, Doris Leuthard (61), kämpfte während ihrer Rücktrittserklärung ebenfalls mit den Tränen.

Wie nimmt man Abschied vom Amt, das das Leben über viele Jahre bestimmt hat? Das Thema ist ein sensibles. Die meisten der angefragten alt Bundesräte wollen mit Blick nicht darüber sprechen.

Ogi erinnert sich ans Ende seiner Amtszeit

Einer, der zurückblickt, ist Adolf Ogi (82). Der SVP-Politiker war von 1987 bis 2000 im Bundesrat, zuletzt als Verteidigungsminister.

Hat er einen Tipp für Amherd, wie das Loslösen aus Bern gut gelingt? Das sei «eine sehr persönliche Frage», die jede abtretende Bundesrätin und jeder abtretende Bundesrat mit sich selbst klären müsse, sagt Ogi zu Blick.

Der Berner Oberländer erinnert sich aber ans Ende seiner eigenen Amtszeit: «Sobald ich mich entschieden hatte, aus dem Bundesrat zurückzutreten, habe ich mich auch auf die Zeit danach vorbereitet.» Ein Bundesrat sei stark gefordert, müsse sich bewusst Freiräume schaffen.

«Man muss sich emotional vom Amt lösen», sagt Ogi. «Das ist ein Prozess, den man rasch einleiten muss – sobald man für sich entschieden hat, dass man zurücktreten will.» Man müsse sich bewusst sein, dass eine prägende Zeit zu Ende gehe, sagt Ogi. «Ich war zufrieden und fühlte eine tiefe Dankbarkeit für das, was ich tun durfte. Das hat mir geholfen.»

Was ihm den Abschied erleichtert habe: «Ich habe einen guten Zeitpunkt dafür gefunden. Ich war mit mir im Reinen, hatte eine wohlwollende Presse und war mit dem Erreichten zufrieden.»

Jahrelang sei er erst nach Mitternacht ins Bett gegangen und morgens um 4.45 Uhr aufgestanden. Gleichzeitig werde einem als Bundesrat im Alltag viel abgenommen. «Als alt Bundesrat muss man sein Leben wieder selber organisieren», sagt Ogi. Man habe keine Sekretärin mehr, keinen Dienstwagen, müsse seine Termine koordinieren.

«Ich konnte meine Batterien wieder aufladen»

Ende Dezember 2000 schied Ogi aus dem Bundesrat aus. «Danach wollte ich bewusst etwas Abstand gewinnen.» Es sei wichtig, in einer solchen Zeit von Familie und Freunden getragen zu werden. Also nahmen er und seine Frau sich zuerst einmal eine Auszeit in den Bergen. Zum ersten Mal seit Jahren konnten die Ogis wieder längere Ferien am Stück verbringen.

Und weil in Ogis Heimat, dem Berner Oberland, Anfang 2001 wenig Schnee lag, fuhren sie zum Skifahren und Langlaufen ins Engadin. «Die zehn Tage haben mir gutgetan», erinnert sich Ogi. «Ich konnte meine Batterien wieder aufladen.»

Und dann? «Ich musste gar nicht erst an der Frage nach einer neuen Aufgabe herumstudieren.» Denn: Noch am Tag der Heimreise meldete sich der damalige Uno-Generalsekretär Kofi Annan (1938–2018) bei Ogi. Er fragte seinen Freund, ob er sein Sonderberater für Sport im Dienste von Entwicklung und Frieden werden wolle. Ogi sagte zu – und reiste bereits im März 2001 nach Alaska an die Special Olympics.

Fehler gefunden? Jetzt melden
Was sagst du dazu?