Todesroute übers Mittelmeer
So will die Schweiz diese Tragödien verhindern

Schon wieder sind im Mittelmeer Hunderte Flüchtlinge ertrunken – auf der letzten Etappe gefährlicher Migrationsrouten. Der Bund setzt mit seiner Hilfe deshalb früher an und fordert eine «solidarische Flüchtlingspolitik in Europa».
Publiziert: 31.05.2016 um 14:54 Uhr
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Aktualisiert: 11.09.2018 um 15:30 Uhr
Ruedi Studer

Mit dem Beginn der warmen Jahreszeit wagen wieder mehr Flüchtlinge die Überfahrt aus Nordafrika – mit verheerenden Folgen: Bei Schiffsuntergängen sind in den letzten Tagen vermutlich über 700 Flüchtlinge im zentralen Mittelmeer umgekommen. Seit Anfang Jahr dürften bisher rund 1500 Menschen bei der gefährlichen Überfahrt gestorben sein.

Wiederholt sich die Katastrophe?

Da fragt sich: Wiederholt sich die Katastrophe? «Die Flüchtlingskrise und die Todesopfer im Mittelmeer lösen grosse Betroffenheit aus», sagt Martin Reichlin vom Staatssekretariat für Migration (SEM) zu BLICK.

Doch offenbar wiederholt sich das tödliche Muster, wie Reichlin ausführt: «Wie schon in den letzten Jahren zu beobachten war, steigt im Frühling, bei besserem Wetter und ruhiger See, die Migration von Libyen über das zentrale Mittelmeer an. Ursache für die Unglücke auf hoher See sind überfüllte und hochseeuntaugliche Schlepperschiffe.»

In den letzten Tagen fanden Hunderte Flüchtlinge im Mittelmeer den Tod, weil überladene und hochseeuntaugliche Schlepperschiffe kenterten.
Foto: AP

Die Überquerung des zentralen Mittelmeers sei indes nur die letzte Etappe langer und gefährlicher Migrationsrouten, welche weniger im Fokus der öffentlichen Aufmerksamkeit stünden, so Reichlin. 

Schweiz fokussiert auf Hilfe vor Ort

Deshalb setzt die Schweiz mit ihrer Hilfe schon früh mit verschiedenen Punkten an. «Sie fokussiert zum einen auf die Herkunftsländer in Subsahara-Afrika und im Mittleren Osten», erklärt Reichlin. Dazu gehörten Betreuung von Geflüchteten vor Ort , der verbesserte Schutz von Vertriebenen, aktive Massnahmen zur Verhinderung oder Beendigung von Konflikten oder Katastrophen sowie die längerfristige Verbesserung der Lebensbedingungen.

Zum andern setze die Schweizer Hilfe bei den Transitländern und –regionen – so auch im Mittelmeerraum – an, «wo viele Flüchtlinge, Asylsuchende sowie Migranten häufig ohne geregelten Aufenthaltsstatus, ausreichenden Schutz oder Zugang zur elementarsten Grundversorgung verbleiben». Hier liege der Fokus ebenfalls auf der Betreuung vor Ort und dem verbesserten Schutz von Vertriebenen, aber eben auch auf einem nachhaltigen staatlichen Management von Migrationsbewegungen sowie der freiwilligen Rückkehr in die Herkunftsländer.

«Solidarische Flüchtlingspolitik» gefordert

Doch wie lassen sich solche Flüchtlingstragödien verhindern? Reichlin macht klar: «Die aktuelle Migrationslage fordert eine solidarische Flüchtlingspolitik in Europa.» Dazu gehöre auch die Diskussion über die Unterstützung der Partnerstaaten an den Schengen-Aussengrenzen sowie über einen innereuropäischen Verteilschlüssel bei der Aufnahme von Asylsuchenden, wie sie die EU-Kommission angestossen habe. «Die Schweiz begrüsst diese Diskussion der EU ausdrücklich und wird eine Beteiligung an zukünftigen Massnahmen wohlwollend und unvoreingenommen prüfen.»

So hat der Bundesrats bereits beschlossen, dass sich die Schweiz am EU-Programm zur Umverteilung von schutzbedürftigen Personen innerhalb Europas beteiligt. In einem ersten Schritt sollen bis zu 1500 Schutzbedürftige aus Italien und Griechenland an die Schweiz übergeben werden. «Die ersten Schutzbedürftigen sind aus Italien in der Schweiz eingetroffen», so Reichlin.

2016 wohl über 40'000 Asylgesuche

Was die aktuelle Entwicklung für die Asylsituation in der Schweiz bedeutet, lässt sich noch nicht genau sagen. «Die Migrationslage ist sehr volatil», erklärt Reichlin. Ob jemand in der Schweiz ein Asylgesuch einreiche, hänge von diversen externen Faktoren ab, die von der Schweiz nicht oder nur beschränkt beeinflussbar seien.

Dem SEM sei es aktuell nicht möglich, eine verbindliche  Prognose zu erstellen. «Das SEM geht aber davon aus, dass 2016 mit grosser Wahrscheinlichkeit kaum weniger Asylgesuche eingehen werden, als 2015.»

Das heisst: Die Zahl von rund 40'000 Asylgesuchen im letzten Jahr dürfte dieses Jahr übertroffen werden.

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