Darum gehts
- Schweizer Bauern erhalten EU-Gelder für Felder in Deutschland
- Christian Müller verteidigt Praxis und betont gegenseitige Vorteile
- 2024 flossen 766'837 Euro an rund 80 Schweizer Betriebe
Schweizer Bauern bekommen EU-Gelder – weil sie jenseits der Grenze Felder bewirtschaften. 2024 flossen so 766'837 Euro an rund 80 Betriebe, viele davon aus dem Raum Schaffhausen. Möglich macht das ein altes Zollabkommen. Es erlaubt Landwirten aus der Schweiz, in der deutschen Grenzregion günstig anzubauen und anschliessend die Ernte in der Schweiz zu hiesigen Marktpreisen zu verkaufen. Dass sie dafür auch noch Subventionen aus Brüssel erhalten, ärgert deutsche Bauern besonders.
Christian Müller (52) ist einer der Landwirte, der Flächen in Deutschland bewirtschaftet. Der Präsident des Schaffhauser Bauernverbands führt mit seiner Familie einen Betrieb in Thayngen. Müllers sind auch politisch aktiv: Er sitzt für die SVP im lokalen Parlament, seine Frau Andrea Müller (54) präsidiert die Kantonalpartei.
Sonst seien es die Deutschen, die profitieren
Landwirte wie ihn einfach als «Schnäppli-Bauern» zu titulieren, greife zu kurz, sagt Müller zu Blick. «Der Austausch zwischen den beiden Ländern ist in vielen Bereichen eng und freundschaftlich, auch in der Landwirtschaft. Es gibt sogar Felder über die Grenze hinweg.» Sein Grossvater habe bereits zwischen den Weltkriegen angefangen, Flächen in Deutschland zu bewirtschaften.
Der Kritik aus Deutschland, sagt er, stelle er sich gerne. Dass das Abkommen heute zugunsten der Schweizer ist? «Das ist so.» Aber man müsse die Lage ganzheitlich betrachten. Denn in fast allen anderen Bereichen seien es die Deutschen, die vom Austausch profitierten.
«In manchen deutschen Grenzgemeinden arbeiten fast 90 Prozent der Leute in der Schweiz, die Steuereinnahmen stammen zu rund 80 Prozent indirekt von hier», sagt Müller. Zudem profitiere der deutsche Handel stark von Schweizer Einkaufstouristen – zum Leidwesen des Schweizer Gewerbes. «Da ist die Landwirtschaft verhältnismässig schon fast vernachlässigbar.»
Die Aktivitäten von Schweizer Bauern im deutschen Grenzraum sind in Baden-Württemberg ein Politikum. Nun fand es sogar Eingang in die «Schweiz-Strategie» der grün-schwarzen Landesregierung. Darin heisst es, aus der Schweiz sei «ein hoher Kauf- und Pachtdruck auf landwirtschaftliche Flächen in Baden-Württemberg» spürbar. Man wolle deshalb verstärkt auf «eine Entspannung der ungleichen Konkurrenzsituation» hinwirken und stehe dazu mit den Schweizer Bundesbehörden in Kontakt.
Auch die deutsche Botschaft in Bern wurde eingeschaltet. Der CDU-Bundestagsabgeordnete Felix Schreiner (39) aus dem benachbarten Wahlkreis Waldshut-Hochschwarzwald thematisierte die «Schweizer Landnahme» diesen Herbst bei einem Treffen mit Botschafter Markus Potzel (60).
Die Aktivitäten von Schweizer Bauern im deutschen Grenzraum sind in Baden-Württemberg ein Politikum. Nun fand es sogar Eingang in die «Schweiz-Strategie» der grün-schwarzen Landesregierung. Darin heisst es, aus der Schweiz sei «ein hoher Kauf- und Pachtdruck auf landwirtschaftliche Flächen in Baden-Württemberg» spürbar. Man wolle deshalb verstärkt auf «eine Entspannung der ungleichen Konkurrenzsituation» hinwirken und stehe dazu mit den Schweizer Bundesbehörden in Kontakt.
Auch die deutsche Botschaft in Bern wurde eingeschaltet. Der CDU-Bundestagsabgeordnete Felix Schreiner (39) aus dem benachbarten Wahlkreis Waldshut-Hochschwarzwald thematisierte die «Schweizer Landnahme» diesen Herbst bei einem Treffen mit Botschafter Markus Potzel (60).
Müller betont zudem, dass jedes Feld, das ein Schweizer Landwirt in Deutschland bewirtschaftet, zuvor einem lokalen Eigentümer gehört habe, «der es uns freiwillig verkauft oder verpachtet hat». Die Schweizer Betriebe hielten sich an sämtliche Vorgaben, zahlten Wegsteuern und beteiligten sich an lokalen Güterkooperationen.
«Gelder gibt es für klar umrissene Leistungen»
Für Müller betrifft die Debatte letztlich grundsätzliche Fragen: «Wir betreiben noch klassische Landwirtschaft – das ist in Deutschland vielerorts kaum mehr möglich.» Viele Betriebe dort würden etwa Mais in erster Linie für Biogasanlagen anbauen, sagt er. Aus seiner Sicht müsste Deutschland die politischen Rahmenbedingungen so anpassen, dass Bauern wieder kostendeckende Preise erzielen können. «Hier wäre die Politik dringender gefragt», sagt Müller.
Dass deutsche Landwirte den Schweizer Grenzbauern die EU-Agrargelder absprechen wollen, kann Müller nicht nachvollziehen. «Es geht ja um Flächen, die sich in Deutschland befinden. Wir pflegen sie und unterliegen dabei den üblichen Kontrollen.» Es sei Arbeit, die abgegolten werde: «Gelder gibt es für klar umrissene Leistungen, nicht einfach so.» Müller verweist darauf, dass man dafür keine zusätzlichen Mittel in der Schweiz bekomme – «auch wenn das Niveau der Zahlungen hier sogar höher wäre».
«Weit weg von den Leuten»
Die EU-Zahlungen sind transparent. Müller selbst erhielt zuletzt eine tiefe fünfstellige Summe. «Dazu stehe ich», sagt er. Und dass er selbst in der SVP politisiert – einer Partei, die der EU sehr ablehnend gegenübersteht? Brüssel sehe er in vielen Punkten skeptisch, die neuen EU-Verträge lehne er ab und mit der stark zentralisierten Agrarbürokratie dort habe er seine Mühen, so Müller. «Dass man damit weit weg von den Leuten ist, ist vielleicht ein Teil des Problems. Aber ich kann den Mechanismus nicht ändern.»
Gleichzeitig gelte: Für die Flächen, die er in Deutschland bewirtschaftet, bestehe ein klar geregelter Anspruch auf Abgeltungen. «Es waren die deutschen Behörden, die uns damals von sich aus den Zugang zu den EU-Zahlungen eröffnet haben», sagt Müller. Die Schweizer seien aktiv eingeladen worden, an der «Gemeinsamen Agrarpolitik» teilzunehmen. Würden diese Gelder gestrichen, käme das für ihn einem Vater gleich, der seinem Kind jeden Tag ein Schoggistängeli gibt und plötzlich sagt: Jetzt ist Schluss.