Blick zeigt die Liste
Schweizer «Schnäppli-Bauern» bekommen Subventionen von der EU

Schweizer Bauern bauen in Deutschland günstig an und bringen die Ernte zollfrei in die Heimat – um sie zu hiesigen Preisen anzubieten. Einem alten Deal sei Dank. Besonders umstritten: Dafür bekommen die Landwirte auch noch EU-Mittel. Blick zeigt, wohin das Geld fliesst.
Publiziert: 00:00 Uhr
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Aktualisiert: vor 56 Minuten
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Schweizer Bauernbetriebe bewirtschaften Land im süddeutschen Grenzgebiet.
Foto: Keystone

Darum gehts

  • EU unterstützt Schweizer Bauern mit Direktzahlungen für Ackerland in Deutschland
  • Schweizer Landwirte profitieren von zollfreier Einfuhr und höheren Preisen
  • 766'837 Euro gingen 2024 an rund 80 Schweizer Betriebe für Felder in Deutschland
Die künstliche Intelligenz von Blick lernt noch und macht vielleicht Fehler.
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Sven AltermattCo-Ressortleiter Politik

Es wirkt auf den ersten Blick wie ein Systemfehler. Die EU unterstützt nicht nur ihre eigenen Landwirte, sondern auch Schweizer Bauern. Ein paar Hunderttausend Euro fliessen jährlich aus Brüsseler Töpfen an Höfe in der Schweiz. Und das sorgt bei unseren Nachbarn gleich mehrfach für Ärger.

Die EU-Gelder gehen an Schweizer Landwirte, die Ackerland in Deutschland bewirtschaften – und dabei von einem alten Regelwerk profitieren. Manche von ihnen bekommen eine hohe fünfstellige Summe. Böse Zungen nennen sie auch «Schnäppli-Bauern».

Wer bekommt das Geld aus Brüssel?

Ein Abkommen von 1958 erlaubt es Bauern beider Länder, Waren aus einem zehn Kilometer breiten Grenzstreifen zollfrei ins eigene Land zu bringen. Es sollte den Landwirten die Arbeit erleichtern. Doch heute haben praktisch nur die Schweizer etwas davon.

In der Schweiz erzielen Gemüse und Getreide deutlich höhere Preise, gleichzeitig ist Ackerland in Deutschland für Schweizer Betriebe dank ihrer höheren Einkommen leichter zu bezahlen. Umgekehrt lohnt es sich für deutsche Bauern kaum, Flächen in der Schweiz zu bewirtschaften.

Die Folge: Schweizer Betriebe bauen ihre Produkte günstig in Deutschland an, führen sie zollfrei in die Schweiz ein und verkaufen sie hier zu höheren Preisen. Inzwischen bewirtschaften sie über 5700 Hektar im süddeutschen Grenzgebiet – in der Region sprechen manche von «Schweizer Landnahme».

Dass dabei auch EU-Direktzahlungen an Schweizer Bauern fliessen, ist noch keine zwei Jahrzehnte möglich. Um wie viel Geld geht es? Und wer bekommt die Subventionen? Blick hat die Zahlen angefordert und ausgewertet. Im Haushaltsjahr 2024 gingen 766'837 Euro an rund 80 Schweizer Betriebe. In den Vorjahren lagen die Beträge in ähnlicher Höhe. Es handelt sich um Zahlungen aus der «Gemeinsamen Agrarpolitik» der EU.

Dieser Landwirt bekommt am meisten Geld

Die Daten der deutschen Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung zeigen zudem: Am stärksten betroffen ist der Kanton Schaffhausen. Dort ist das Phänomen, dass Schweizer Landwirte Felder ennet der Grenze bewirtschaften, besonders verbreitet. Vereinzelt finden sich die «Schnäppli-Bauern» aber auch in Grenzgemeinden im Aargau, in Zürich und in Basel-Stadt.

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Spitzenreiter ist Thayngen SH, wo Schweizer Betriebe 213'942 Euro bekamen. Nach Schleitheim SH flossen 140'822 Euro. Die höchsten Einzelförderungen gingen – mit Abstand – ebenfalls an einen Schleitheimer Landwirt. Ihm wurden 71'597 Euro überwiesen. Es folgen ein Bauer in Beggingen SH (36'626 Euro) und eine Ackerbau-Gesellschaft in Basel (33'474 Euro).

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Die Subventionen gibts unter anderem für Landschaftsschutz und nachhaltige Bewirtschaftung. Wie viel Geld ein Betrieb erhält, hängt in der Regel von der Grösse der bewirtschafteten Fläche ab.

Das finden die Deutschen «besonders ärgerlich»

Mit dem hohen Erlös für Produkte in der Schweiz und den EU-Subventionen ergebe sich für die Grenzbauern faktisch eine doppelte Förderung, kritisieren deutsche Bauern. Dieser Umstand sei «besonders ärgerlich», sagte Landwirt Norbert Mayer (61) aus Stühlingen (D), als ihn Blick dieses Jahr besuchte. Politiker aus dem Grenzbundesland Baden-Württemberg pochen auf gleiche Bedingungen – und bringen etwa striktere Preiskontrollen und neue Regeln zum Schutz des landwirtschaftlichen Bodenmarkts ins Spiel.

Klar ist: Die «Gemeinsame Agrarpolitik» der EU darf Schweizer Bauern mit deutschen Feldern bei den Direktzahlungen nicht anders behandeln als einheimische Betriebe – sofern sie sich an die dortigen Vorgaben halten.

Bereits vor 20 Jahren empörte sich Peter Hauk (64, CDU), damals wie heute Landwirtschaftsminister Baden-Württembergs, über diese «Schützenhilfe» aus Brüssel. Er kämpfte vergeblich dafür, dass nur Betriebe Direktzahlungen erhalten, die auch in der EU niedergelassen sind.

Deutsche Politik macht Druck

Die Aktivitäten von Schweizer Bauern im deutschen Grenzraum sind in Baden-Württemberg ein Politikum. Nun fand es sogar Eingang in die «Schweiz-Strategie» der grün-schwarzen Landesregierung. Darin heisst es, aus der Schweiz sei «ein hoher Kauf- und Pachtdruck auf landwirtschaftliche Flächen in Baden-Württemberg» spürbar. Man wolle deshalb verstärkt auf «eine Entspannung der ungleichen Konkurrenzsituation» hinwirken und stehe dazu mit den Schweizer Bundesbehörden in Kontakt.

Auch die deutsche Botschaft in Bern wurde eingeschaltet. Der CDU-Bundestagsabgeordnete Felix Schreiner (39) aus dem benachbarten Wahlkreis Waldshut-Hochschwarzwald thematisierte die «Schweizer Landnahme» diesen Herbst bei einem Treffen mit Botschafter Markus Potzel (60).

Die Aktivitäten von Schweizer Bauern im deutschen Grenzraum sind in Baden-Württemberg ein Politikum. Nun fand es sogar Eingang in die «Schweiz-Strategie» der grün-schwarzen Landesregierung. Darin heisst es, aus der Schweiz sei «ein hoher Kauf- und Pachtdruck auf landwirtschaftliche Flächen in Baden-Württemberg» spürbar. Man wolle deshalb verstärkt auf «eine Entspannung der ungleichen Konkurrenzsituation» hinwirken und stehe dazu mit den Schweizer Bundesbehörden in Kontakt.

Auch die deutsche Botschaft in Bern wurde eingeschaltet. Der CDU-Bundestagsabgeordnete Felix Schreiner (39) aus dem benachbarten Wahlkreis Waldshut-Hochschwarzwald thematisierte die «Schweizer Landnahme» diesen Herbst bei einem Treffen mit Botschafter Markus Potzel (60).

Schweizer Landwirte halten dagegen: Für ihre Felder in Deutschland könnten die Grenzbauern nicht noch Direktzahlungen aus der Schweiz beziehen – die Flächen werden also nicht doppelt subventioniert. Und das Geld sei an eine ganze Reihe von Standards gebunden.

Doch deutsche Bauern wollen auch das nicht gelten lassen: Das EU-Geld gehe letztlich an Betriebe, deren Produkte gar nicht auf dem heimischen Markt landen. Und obendrauf müssten sich die Schweizer Höfe nicht mal allen Kontrollen durch die deutschen Behörden unterziehen wie sie selbst.

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