Darum gehts
- Bundesratsgatten und Bundesratsgattinnen treten vermehrt in der Öffentlichkeit auf
- Partner der Bundesräte setzen eigene Themen
- Tracy Glass Jans äusserte auch schon Kritik an US-Politik
«Ich bin hier Theres Rösti – und nicht die Frau des Bundesrats!» Das stellte Theres Rösti (57) schon vergangenes Jahr klar, als Blick die Bundesratsgattin bei einem Flug nach Miami begleitete. Rösti arbeitet schon seit 30 Jahren als Flight Attendant.
In einem Interview mit der «NZZ» doppelte die Partnerin von SVP-Bundesrat Albert Rösti (57) nun nach. Man habe als Partnerin oder Partner eines Regierungsmitglieds zwar keine offizielle Rolle – und doch sei man «mehr als das ‹Geranium› zur Zierde». Die Partner seien für die Bundesräte von zentraler Bedeutung.
Gatten suchen das Rampenlicht
Gerade ist in den Medien ein interessanter Trend zu beobachten: Bundesratsgatten und Bundesratsgattinen geben sich deutlich auskunftsfreudiger als auch schon – sie erzählen von ihren Erlebnissen, Berufen, setzen eigene Akzente und Themen.
So etwa Morten Keller (60), der Ehemann von FDP-Finanzministerin Karin Keller-Sutter (61). Er sagte kürzlich in der «NZZ», dass er seine Rolle schon immer als Begleiter gesehen habe, als «Unsichtbarer für die Öffentlichkeit».
Und doch wagt er sich seit einiger Zeit häufiger aus dem Schatten. Etwa, als Kellers Gesicht auf der Titelseite des SonntagsBlicks prangte und er von den Panikattacken erzählte, an denen er gelitten hatte. Er habe sich entschieden, darüber zu sprechen, weil es ihm ein Anliegen sei, dass in der Bevölkerung das Bewusstsein dafür wachse.
Fertig mit der helvetischen Zurückhaltung
In den USA ist die «First Lady» (einen «First Husband» gab es bisher nicht) eine zentrale Figur, und auch in Frankreich haben die «Prèmiere Dames» eine wichtige Rolle – zumindest seit der Amtszeit von Premierminister Emmanuel Macron (47). Er führte eine Charta ein, welche die Aufgaben seiner Frau Brigitte Macron (72) definiert.
«Es ist eine Schweizer Eigenheit, dass von Bundesratsgatten und Bundesratsgattinnen eine gewisse Zurückhaltung erwartet wird», sagt der ehemalige Bundesratssprecher Oswald Sigg (81) zu Blick.
Er kennt sich aus mit der öffentlichen Wahrnehmung der Landesregierung: Sigg war zuvor auch Informationschef mehrerer Bundesräte. «Mir scheint es, als würden sich die öffentlichen Auftritte von Bundesratsgatten und Bundesratsgattinnen gerade häufen», sagt er. Blick weiss von alt Bundesräten, denen dieser neue Hang zur Öffentlichkeit ebenfalls aufgefallen ist.
«Das kann einerseits Sympathiepunkte einbringen, aber auch zusätzliche Kritikfläche bieten», sagt Sigg. Inwiefern sich Partner der Bundesratsmitglieder in der Öffentlichkeit zeigen wollten, sei letztlich aber eine Entscheidung, die jedes Paar für sich treffen müsse. «Jede Bundesratsgattin und jeder Bundesratsgatte kann die Rolle für sich interpretieren.»
Biostatistikerin und Expat
Tracy Glass Jans (52), die Ehefrau von Justizminister Beat Jans (61), lässt diese Gelegenheit nicht aus. Sie lehnt sich mit politischen Äusserungen so weit aus dem Fenster, wie wohl kaum eine Bundesratsgattin oder ein Bundesratsgatte vor ihr.
Im April liess sie im Interview mit den CH-Media-Zeitungen Kritik an US-Präsident Donald Trump (79) durchblicken. Eigentlich habe sie politische Interviews immer abgelehnt, aber jetzt habe sich die Lage geändert. Seit Trump alle Diskussionen über die USA dominiere, sei es ihre schwierigste Phase in Europa. «Es tut mir weh, zu sehen, wie der Ruf Amerikas zurzeit leidet.» Und im Podcast «1776» bezeichnete sie Barack Obama (63) als ihren Lieblingspräsidenten.
In der «Zeit» hat sie sogar eine eigene Kolumne, wo sie Ratgeber für Expats schreibt. Glass Jans tritt dort als Biostatistikerin und Ausgewanderte auf – wenn sie in den Texten von ihrem Mann, dem Bundesrat, erzählt, dann schreibt sie nur von «Beat».
Silvia Blocher fühlte sich überflüssig
Silvia Blocher (80) sagte einmal, sie sei in ein Loch gefallen, als ihr Mann Christoph Blocher (84) Bundesrat geworden sei. Seine Bundesratszeit sei wohl die schwierigste Zeit in ihrem Leben gewesen. «Als Frau des Bundesrats sind Sie überflüssig, umgekehrt als Mann auch.»
Vielleicht genau deshalb suchen Glass Jans, Keller und Rösti heute ihren eigenen Platz in der Öffentlichkeit – als Emanzipation vom «Nur-Partner-von»-Dasein.