Darum gehts
- 94 Prozent der Gefängnisplätze sind belegt
- Über die Hälfte der rund 9000 Haftantritte jährlich ist wegen nicht bezahlter Strafen und Bussen
- Das sorgt für viel Aufwand bei den Behörden, nützt aber nur bedingt
Die Schweizer Gefängnisse sind voll. Pläne für neue Haftplätze werden an verschiedenen Orten gewälzt. Luzern stellte gar Container auf, damit mehr Personen hinter Gitter gebracht werden können.
Doch ein Grossteil der Häftlinge müsste gar nicht im Gefängnis sitzen. Die Schweiz füllt sich ihre Haftanstalten selbst. Tausende werden pro Jahr eingewiesen, weil sie eine Busse oder eine Strafe nicht bezahlen können. Das zeigt die neuste Statistik des Bundes, die soeben erschienen ist.
9030 Personen mussten im letzten Jahr ins Gefängnis. Davon landeten 4985 Personen im Knast, weil sie eine Geldstrafe oder Busse nicht bezahlen konnten, die ihnen aufgebrummt worden war. Damit gehen unterdessen schon deutlich über die Hälfte der Gefängniseintritte auf nicht bezahlte Strafen und Bussen zurück.
Rund acht Tage bleiben Personen wegen diesen sogenannten Ersatzfreiheitsstrafen in der Regel im Gefängnis. Die Knast-Kurzaufenthalte sorgen für viele Umtriebe bei den Behörden – und Kosten für den Steuerzahler: 200 Franken sind es pro Person und Tag.
Bundesrat will System überdenken
Ein wesentlicher Faktor: Das Schwarzfahren sorgt in Hunderten von Fällen für den Aufenthalt hinter Gittern. Es sind oft Sozialhilfebezüger oder Drogenabhängige, die kein Geld haben und schon mit dem Öffnen von Behördenbriefen überfordert sind.
Bei der Zahl der Personen, die jährlich ins Gefängnis müssen, lassen sich über die Jahre grosse Unterschiede feststellen. 1989 waren es über 11'500 Personen, dann sank die Zahl auf gerade noch 5365 im Jahr 2001. In den letzten zehn Jahren waren es, mit Ausnahme der Covid-Zeit, immer zwischen 9000 und 10'000 Personen.
Bei der Zahl der Personen, die jährlich ins Gefängnis müssen, lassen sich über die Jahre grosse Unterschiede feststellen. 1989 waren es über 11'500 Personen, dann sank die Zahl auf gerade noch 5365 im Jahr 2001. In den letzten zehn Jahren waren es, mit Ausnahme der Covid-Zeit, immer zwischen 9000 und 10'000 Personen.
Heute ist den Transportunternehmen überlassen, ob sie die Schwarzfahrer neben dem Strafzuschlag auf Billett noch bei der Staatsanwaltschaft anzeigen oder nicht. Tun sie es, beginnt bei Personen ohne Geld oft ein administratives Rösslispiel – ohne Aussicht auf Erfolg: Die Staatsanwälte verfügen Strafen, die die Personen nicht zahlen können. Die Betreibung bleibt erfolglos. Es gibt eine Ersatzfreiheitsstrafe.
Die Waadtländer SP-Nationalrätin Jessica Jaccoud (42) hat einen Vorstoss lanciert, um die Zahl der Ersatzfreiheitsstrafen zu senken. Jaccoud hält fest: Schon wegen sehr kleinen Beträgen komme es zu Inhaftierungen. Dies führe zu hohen Kosten, viel Bürokratie, aber nicht «zu einem merkbaren Gewinn für die öffentliche Sicherheit». Auch sei keine abschreckende Wirkung feststellbar. «Ersatzfreiheitsstrafen treffen mehrheitlich Personen in prekären Verhältnissen, die nicht in der Lage sind zu zahlen, und nicht etwa widerspenstige Straftäter», so Jaccoud.
Schwarzfahren kein Fall mehr für Staatsanwälte?
Das Parlament hat den Vorstoss noch nicht beraten, der Bundesrat zeigt sich offen, beispielsweise das Schwarzfahren zu entkriminalisieren. «Der Verzicht auf strafrechtliche Sanktionierung hätte Entlastungen bei der Polizei und den Staatsanwaltschaften zur Folge. Auch Gerichte könnten entlastet werden, und schliesslich müsste sich der Staat auch nicht mehr mit dem Busseninkasso und dem Vollzug von Ersatzfreiheitsstrafen befassen.» Die Strafe für Schwarzfahrer dann: Zuschläge, die die Transportunternehmen selbst erheben.
Bereits Erfolge vorweisen kann der Kanton Zürich. Denn statt ins Gefängnis zu gehen, können Personen, die Bussen nicht zahlen können, auch gemeinnützige Arbeit leisten. Das Problem dabei: Sie müssen die Arbeit rechtzeitig selbst beantragen. Viele scheitern allein schon daran.
Der Kanton hat eine eigene Beratungsstelle und informiert Personen, die ihre Bussen nicht bezahlt haben, in leicht verständlicher Sprache auf die Möglichkeit gemeinnütziger Arbeit hin. So stieg die Zahl der Personen, die gemeinnützige Arbeit leisteten, in einem Jahr um 26 Prozent.
Die Ersatzfreiheitsstrafe hat aber auch eine gewisse Wirkung: Zahlen aus Zürich zeigen, dass rund 60 Prozent der Personen im letzten Moment dann doch noch die Busse begleichen, damit sie nicht ins Gefängnis müssen.