Darum gehts
- Seit 2020 müssen Ärzte Pharma-Rabatte mehrheitlich an Krankenkassen weitergeben
- Proqura verteilt Rabatte, Ärzte behalten 45 %, Krankenkassen erhalten 55 %
- 800 Ärzte erhielten insgesamt 40 Millionen Franken, durchschnittlich 50'000 Franken
Ärztinnen und Ärzte sollten eigentlich kein Geld von Pharmafirmen annehmen dürfen, wenn sie deren Medikamente an Patienten abgeben. Das haben vor einigen Jahren Bundesrat und Parlament entschieden. Die Gefahr sei zu gross, dass Mediziner teure Arzneien in grosser Menge abgeben, um selbst zu profitieren.
Ein totales Verbot von Umsatzbeteiligungen kam aber nie zustande. Die Ärzteschaft lobbyierte erfolgreich in Bundesbern – herauskam ein Kompromiss. Seit Anfang 2020 gilt: Rabatte von Pharmafirmen müssen «mehrheitlich» den Krankenkassen zugutekommen. Das heisst: 51 Prozent der Rabatte sollen an die Kassen fliessen, maximal 49 Prozent dürfen die Ärzte behalten. Dieses Geld sollen sie wiederum in die Verbesserung der medizinischen Qualität investieren.
Dieses System sorgt nun für Kritik, wie die «NZZ» berichtet. Es ist nämlich ein lukrativer Markt für Vermittler entstanden – und wohin das Geld fliesst, bleibt grossteils undurchsichtig.
Kein Kontrollmechanismus
Eine zentrale Rolle spielt das Unternehmen Pro Medicus mit seiner Dienstleistung Proqura. Es setzt die Weitergabe von Rabatten an die Ärzte und Ärztinnen um. Sie melden Ende Jahr, wie viel sie von den vergünstigten Medikamenten verkauft haben, Proqura treibt das Geld dann bei den Herstellern ein und verteilt es an die Ärzte.
Wohin das Geld genau verwendet wird, ist unklar. Die Ärztinnen und Ärzte dürfen selbst angeben, was sie im Bereich der Qualitätsverbesserung gemacht haben. Proqura hat dazu zwar einen eigenen Katalog erarbeitet – überwacht aber weder die Umsetzung der Massnahmen noch übernimmt das Unternehmen Verantwortung dafür, dass die Ärzte die deklarierten Massnahmen tatsächlich durchführen.
Was bewirkt das Geld tatsächlich?
Die SVP-Politikerin Vroni Thalmann (56) wendete sich deswegen mit kritischen Fragen an den Bundesrat. Sie stellt etwa infrage, ob durch die umgesetzten Massnahmen effektive und messbare Verbesserungen resultieren – und ob es nicht besser wäre, wenn die Rabatte vollständig den Prämienzahlenden weitergegeben würden.
Auch das Bundesamt für Gesundheit (BAG) äussert am Katalog von Proqura Kritik. Dies geht offenbar aus der Beurteilung eines vertraulichen Proqura-Berichts hervor, welcher der «NZZ» vorliegt. Es sei nicht ausreichend zu behaupten, dass eine Massnahme laut der wissenschaftlichen Literatur wirke. Proqura müsse nachweisen, dass sich die Qualität bei den einzelnen Leistungserbringern tatsächlich verbessere. Eine vom BAG eingesetzte Arbeitsgruppe soll Vorschläge vorlegen, wie man diese Aufgabe bewältigen könnte.
50'000 Franken Rabatt pro Mediziner
Laut dem Bericht von Proqura an das BAG haben die angeschlossenen Ärzte 45 Prozent der Rabatte behalten und 55 Prozent den Krankenkassen weitergegeben. Sie haben bisher rund 40 Millionen Franken erhalten – bei 800 beteiligten Medizinern macht das im Schnitt je 50'000 Franken.
Die Ärztevereinigung FMH verteidigt das aktuelle System. Ihre Präsidentin, Ex-Grünen-Nationalrätin Yvonne Gilli (68), unterstreicht, dass die zurückgehaltenen Rabatte ausschliesslich der Verbesserung der Behandlungsqualität dienten und keine verdeckten Kickback-Zahlungen darstellten. Die Aufsichtspflicht obliege dem BAG und Verstösse seien zu sanktionieren. Auch der Verband der Krankenkassen Prio Swiss sieht keinen Anlass zur Änderung des Systems.