Quarantäne-Regeln gelockert
Tourismus-Präsident besorgt über Waadtländer Weg

Der Kanton Waadt schwächt die Quarantäne-Massnahmen ab – trotz hohen Infektionszahlen. Tourismus-Präsident Nicolo Paganini sorgt sich. Sein Parteifreund Martin Candinas dagegen hofft, dass das Beispiel Schule macht.
Publiziert: 18.09.2020 um 17:43 Uhr
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Aktualisiert: 18.09.2020 um 17:53 Uhr
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Der oberste Kantonsarzt, Rudolf Hauri, sieht es skeptisch, dass der Corona-Hotspot Waadt die Quarantäne-Regeln lockert.
Foto: BLICK
Gianna Blum, Pascal Tischhauser

Ausgerechnet die Waadt! Der Kanton mit den schweizweit höchsten Corona-Fallzahlen lockert seine Quarantäne-Richtlinien. Neu muss nur noch in Quarantäne, wer mit einer infizierten Person in einer Beziehung ist oder unter demselben Dach lebt. Bei allen anderen wird von Fall zu Fall entschieden. Und vor allem: Auch nach Kontakt mit Infizierten soll weitergearbeitet werden.

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Den kantonalen Gesundheitsdirektoren macht das keine Freude. «Das ist natürlich nicht, was wir wollen», heisst es bei der Gesundheitsdirektorenkonferenz. Und der oberste Kantonsarzt der Schweiz, der Zuger Rudolf Hauri, sagt gegenüber dem «Tages-Anzeiger», dass das Vorgehen zwar nicht unhaltbar sei – aber es entspreche «nicht mehr der eigentlichen Idee hinter der Quarantäne».

Der Präsident des Schweizer Tourismus-Verbands und CVP-Nationalrat Nicolo Paganini (54) ergänzt, sein Verband unterstütze die Bemühungen, die Zahl der Corona-Ansteckungen in der Schweiz zu senken und tief zu halten. Er betont deshalb: «Dass die Waadt nun die Quarantäne-Regelungen lockert, bereitet mir Sorgen. Besser wäre, wenn umgehend die Kapazitäten für das Contact Tracing erhöht würden.»

Der Kanton Waadt sei mit ein Grund, weshalb die Schweiz bei vielen Staaten als Risikoland gelte, unterstreicht der St. Galler. «Es ist für die Tourismusbranche entscheidend, dass die Schweiz dank moderaten Neuinfektionszahlen sicher bleibt und Gäste weiterhin gerne zu uns kommen, weil ihnen nach der Rückkehr ins Herkunftsland keine Quarantäne droht.»

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«Pragmatisches Vorgehen»

Marcel Tanner, Epidemiologe und Mitglied der Corona-Taskforce des Bundes, zeigt sich offener. «Das Vorgehen der Waadt ist eine pragmatische Anpassung der Quarantäne-Empfehlungen», sagt er. Betroffene würden damit selbst verantwortlich, diese konsequent umzusetzen. «Das wird funktionieren, wenn durch gute Kommunikation mehr Verständnis in der Bevölkerung geschaffen wird», findet er. Schliesslich habe das Gesundheitswesen diesen Ansatz im März bereits erfolgreich umgesetzt: «Man kann auch als auch Kontaktfall weiterarbeiten – mit der entsprechenden Disziplin.»

Auf dem politischen Parkett ist das Thema Quarantäne indes zum Dauerbrenner geworden. SVP-Bundesrat Ueli Maurer (69) zeigte sich kürzlich offen dafür, die momentane Vorgabe von zehn Tagen zu verkürzen. Allerdings hat das Bundesamt für Gesundheit dabei bislang immer abgewunken.

Waadtländer Corona-Quarantäne soll sich verbreiten

Das Waadtländer Vorgehen nimmt nun indirekt die Mitte-Fraktion via Vorstoss auf, in dem sie sich «praxistaugliche Lösungen» für die Wirtschaft wünscht. Neben einer Verkürzung der Quarantäne kann eine solche Lösung eben auch sein, dass weitergearbeitet werden darf, solange kein positives Testresultat vorliegt, wie aus dem von CVP-Nationalrat Martin Candinas (40) eingereichten Vorstoss hervorgeht. Denn in vielen Jobs sei Homeoffice nun einmal keine Lösung, und die Quarantäne würde «zum faktischen Berufsausführungsverbot».

Geht es also nach Candinas, sollte die Waadt mit der Quarantäne-Einschränkung möglichst schweizweit Schule machen – also auch andere Kantone anstecken.

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