Politiker überlassen Superreichen das Feld
Diese Milliardäre dominieren die Schweizer EU-Debatte

Das EU-Dossier ist ein heisses Eisen, an dem sich Politiker in Bundesbern derzeit nicht die Finger verbrennen wollen. Deshalb konnten Milliardäre die Debatte kapern. In der Bilanz-Liste der 300 reichsten Schweizer finden sich einige Superreiche, die die Debatte prägen.
Publiziert: 29.11.2024 um 09:47 Uhr
|
Aktualisiert: 02.12.2024 um 10:06 Uhr
1/12
Marcel Erni von der Partners Group, 2,75 Milliarden Vermögen, engagiert bei der Kompass-Initiative.

Auf einen Blick

  • Die neuste Bilanz-Liste der 300 reichsten Schweizer ist erschienen.
  • Darauf finden sich einige EU-skeptische Milliardäre, die die Schweizer EU-Debatte prägen.
  • Die Politik überlässt ihnen das Feld derzeit grossteils freiwillig.
Die künstliche Intelligenz von Blick lernt noch und macht vielleicht Fehler.
LucienFluri05.jpg
Lucien FluriCo-Ressortleiter Politik

Sie gehören zu den reichsten Einwohnern dieses Landes. Sie sind männlich, meist deutlich über 50 Jahre alt und haben ein gemeinsames Hobby: Sie wollen mitbestimmen, wie die Schweiz ihre Beziehung zur EU ausgestaltet.

Die Zahl der Schweizer Superreichen, die gegen eine Annäherung an die EU kämpfen, ist aussergewöhnlich hoch. Dies zeigt der Blick auf die neue Bilanz-Liste der 300 reichsten Schweizer. Rund ein Dutzend Männer – und eine Frau – sind auf der Bilanz-Liste verzeichnet, die sich nebenamtlich gegen die EU engagieren.

Zuger Investorengruppe an vorderster Front

Die bekanntesten unter ihnen: Alfred Gantner (56), Urs Wietlisbach (63) und Marcel Erni (59). Die drei Gründer der Investmentfirma Partners Group stecken hinter der Initiative Kompass Europa. Diese kämpft mit viel Medienpräsenz gegen das Rahmenabkommen und will verhindern, dass die automatische Rechtsübernahme die Souveränität der Schweiz zu stark einschränkt.

Die 300 Reichsten

Als BILANZ 1989 erstmals die Liste der Reichsten publizierte, besassen die damals erfassten 100 Personen zusammen 66 Milliarden Franken. Heute verfügen alleine die beiden Spitzenvertreter – Gérard Wertheimer mit 37–38 sowie die zweitplatzierte Roche-Besitzerfamilie, die mit 28–29 Milliarden rangiert – mit zusammen 66 Milliarden Franken genauso viel wie damals alle 100 miteinander. Alle Details zu den reichsten 300 Menschen in der Schweiz findest du hier.

Als BILANZ 1989 erstmals die Liste der Reichsten publizierte, besassen die damals erfassten 100 Personen zusammen 66 Milliarden Franken. Heute verfügen alleine die beiden Spitzenvertreter – Gérard Wertheimer mit 37–38 sowie die zweitplatzierte Roche-Besitzerfamilie, die mit 28–29 Milliarden rangiert – mit zusammen 66 Milliarden Franken genauso viel wie damals alle 100 miteinander. Alle Details zu den reichsten 300 Menschen in der Schweiz findest du hier.

Die drei Männer verfügen über ein Vermögen von je 2,75 Milliarden Franken. Und sie können auf viel Support zählen: Neben Ski-Legende Bernhard Russi (76) und Moderator Kurt Aeschbacher (76) sitzen im Initiativkomitee weitere Schweizer Superreiche:

  • Jörg Wolle (67), der Verwaltungsratspräsident des Logistikkonzerns Kühne und Nagel (375 Millionen Franken Vermögen).
  • Investor Stéphane Bonvin (57). Sein Vermögen wird auf 1,75 Milliarden Franken geschätzt.
  • Unternehmer Daniel Aegerter (55), 650 Millionen Franken schwer.
  • Eric Sarasin (66): Lange tauchte die Familie Sarasin als damalige Besitzerin der gleichnamigen Bank mit rund 600 bis 800 Millionen Franken Vermögen in der Bilanz-Liste auf. Heute ist sie dort nicht mehr gelistet.

Autonomiesuisse heisst eine weitere Bewegung, die sich skeptisch gegen neue EU-Verträge zeigt. Auch an ihrer Spitze stehen schwerreiche Unternehmer: Im Komitee sitzen etwa der Aargauer Unternehmer Hans-Peter Zehnder (70, Familienvermögen: 125 Millionen Franken) oder Bernhard Alpstaeg (78), bekannt als FC-Luzern-Mäzen und Unternehmer (Vermögen: 1,75 Milliarden Franken).

Im Vorstand sitzen ferner Investor Giorgio Behr (76), 425 Millionen Franken schwer, sowie der 79-jährige Aargauer Unternehmer Otto Suhner (Familienvermögen: 325 Millionen Franken).

Politiker stehen freiwillig abseits

Es waren diese Männer, die in den vergangenen Monaten die Debatte um eine neues Rahmenabkommen geprägt haben. Aussergewöhnlich dabei: Sie konnten sich auf dem politischen Spielfeld ziemlich frei austoben. Die Bundesparlamentarier überliessen ihnen, mit Ausnahme von Gewerkschaftsboss Pierre-Yves Maillard (56), das Feld quasi freiwillig. FDP und Mitte, bisher das Rückgrat der Bilateralen, schauen derzeit nur zu.

FDP-Präsident Thierry Burkart (49) und Mitte-Präsident Gerhard Pfister (62) halten sich am Spielfeldrand vornehm zurück. Beide scheinen sich derzeit nicht engagieren zu wollen: Denn die Vorlage ist in ihren Parteien umstritten. Solange kein belastbares Verhandlungsresultat vorliegt, ist es aus ihrer Sicht nicht ratsam, sich für die Vorlage ins Zeug zu legen.

Und Aussenminister Ignazio Cassis (63), der wichtigste Spieler in der innenpolitischen Debatte, schien lange gar abgetaucht: Öffentlich hat sich der FDP-Mann seit März nicht mehr zum prägendsten Dossier seiner ganzen Amtszeit geäussert. Seither gab Cassis nur noch zwei Interviews an lokale TV-Sender. Dort äusserte er sich etwa zum Unkrautjäten in seinem Garten.

Michel und Martullo-Blocher: Milliardäre im Bundeshaus

Haben also EU-skeptische Milliardäre die Debatte an sich gerissen? Nicht ganz. Milliardär und FDP-Nationalrat Simon Michel (47, Familienvermögen: 5,5 Milliarden) kämpft derzeit vehement für eine rasche Lösung bei den Bilateralen II. Unermüdlich weibelt der CEO und Mitbesitzer des Medtechkonzerns Ypsomed in Bundesbern. Stets betont er: Gute Beziehungen zu den wichtigsten Nachbarn seien für die Schweizer Wirtschaft essenziell.

Unter der Bundeshauskuppel kreuzt er dabei die Klingen mit Milliardärin und SVP-Nationalrätin Magdalena Martullo-Blocher (55, 15,5 Milliarden Familienvermögen). Die Chefin und Mitbesitzerin der EMS-Chemie ist zwar nur Ersatzmitglied der Aussenpolitischen Kommission. Wenn es ums EU-Dossier geht, sollen dem Vernehmen nach andere SVP-Vertreter auch schon zufällig gefehlt haben. Das EU-Dossier ist bei der SVP Chefsache.

Fehler gefunden? Jetzt melden
Was sagst du dazu?