Darum gehts
- Schweizerisch-französische Doppelbürger umgehen Wehrpflicht durch Militär-Orientierungstag in Frankreich
- Bundesrat will Vereinbarung mit Frankreich anpassen, um Schlupfloch zu schliessen
- Jährlich nutzen durchschnittlich 731 Doppelbürger diese Möglichkeit
Ein Kurztrip nach Paris – und der Militärdienst ist erledigt. Schweizerisch-französische Doppelbürger können die hiesige Wehrpflicht leicht umgehen. Statt 18 Wochen Rekrutenschule besuchen sie einfach in Frankreich die «journée défense et citoyenneté» – einen Militär-Orientierungstag. Jedes Jahr sollen gegen 800 junge Doppelbürger dieses Schlupfloch nutzen. Auch Wehrpflichtersatz müssen sie dann nicht zahlen. Das regelt seit 1997 ein Militärabkommen mit Frankreich.
Das ist bürgerlichen Politikern schon länger ein Dorn im Auge. Sie haben schon mehrere Anläufe unternommen, um das Schlupfloch zu schliessen – gerade auch, weil die Armee immer wieder über zu wenig Soldaten klagt. Konkret soll ein Dienst im Ausland nur noch anerkannt werden, wenn die «erbrachten Leistungen gleichwertig» sind und sie vor der Wohnsitznahme in der Schweiz oder vor der Einbürgerung erbracht wurden.
Plötzlich will auch der Bundesrat handeln
Bisher aber sah der Bundesrat keinen Handlungsbedarf. Jetzt aber ist plötzlich alles anders. Noch vor kurzem hatte die Regierung gegenüber dem Parlament erklärt, es sei «nicht Sache der Schweiz, Art oder Umfang der militärischen Pflichten in anderen Ländern zu beurteilen oder zu kritisieren». Noch 2020 hatte Bern Paris explizit zugesichert, dass die Teilnahme am Infotag in Frankreich reicht, um von der Wehrpflicht in der Schweiz befreit zu werden.
Nun scheint die angespannte Sicherheitslage in Europa auch den Bundesrat zum Umdenken bewegt zu haben. Denn jetzt will auch er die Teilnahme an dem einzelnen Infotag nicht mehr als Ersatzdienst anerkennen. Er sei bereit, mit Frankreich Verhandlungen aufzunehmen, um die bisherige Vereinbarung anzupassen. Das schreibt der Bundesrat in seiner Antwort auf eine Motion des Genfer MCG-Ständerats Mauro Poggia (66).
Regierung rechnete nicht mit so vielen Doppelbürgern
Der Grund für den Sinneswandel? Auch dem Bundesrat nutzen zu viele Doppelbürger das Schlupfloch und gehen so der Schweizer Armee verloren. So sei er davon ausgegangen, dass mit höchstens rund 600 Personen pro Jahr zu rechnen sei, die sich für die Erfüllung der französischen Militärdienstpflicht entscheiden. Im Schnitt der letzten zehn Jahre seien es dann allerdings jährlich 731 Doppelbürger gewesen; mit dem Höchststand von 879 im Jahr 2021.
Bis heute hat der Bundesrat mit sieben Staaten Vereinbarungen über die gegenseitige Anerkennung der Erfüllung der Militärdienstpflicht von Doppelbürgern abgeschlossen. Wie bürgerliche Politiker vorrechneten, hätten sich in den vergangenen fünf Jahren so 4892 Doppelbürger dem Dienst in der Schweizer Armee entzogen – rund 4000 davon in Frankreich.