Darum gehts
- SVP-Fraktionschef Aeschi veröffentlicht geheimes Abstimmungsergebnis auf X
- Bundeskanzlei äussert sich nicht zu einzelnen Fällen von Amtsgeheimnisverletzungen
- Bundesanwaltschaft führte von 2020 bis April 2024 rund 90 Verfahren wegen Indiskretionen
SVP-Fraktionschef Thomas Aeschi (46) schrieb am Mittwoch um 13.20 Uhr, also vor der offiziellen Medienkonferenz, auf X: «Mit 4:3 Stimmen (Cassis, Jans, Pfister, Baume-Schneider gegen Keller-Sutter, Rösti, Parmelin) will der Bundesrat den Unterwerfungsvertrag, der über der Bundesverfassung stehen soll, nicht dem Ständemehr unterstellen.» Dabei steht die Meinung der einzelnen Bundesräte unter dem Amtsgeheimnis. Zu SonntagsBlick sagt Aeschi, seine Quelle seien «mehrere Journalisten» gewesen.
Bereits vor einem Jahr verursachte das Reizthema Ständemehr ein Leak: Vor einer Bundesratssitzung berichtete der rechtsbürgerliche «Nebelspalter» über ein Gutachten des Bundesamts für Justiz. Der Bund reagierte darauf mit einer Strafanzeige wegen Amtsgeheimnisverletzung.
Droht nach Aeschis Post auf X eine weitere Anzeige? «Die Bundeskanzlei äussert sich nicht zu einzelnen Fällen von mutmasslichen Amtsgeheimnisverletzungen. Dies betrifft auch die Frage der Strafanzeigen», teilt die Bundeskanzlei mit. Wie viele Anzeigen die Bundeskanzlei in letzter Zeit eingereicht hat, will sie auch nicht verraten – sie spricht allgemein von «verschiedenen Anzeigen gegen unbekannt», die «seit 2023 bei Indiskretionen zu Bundesratsgeschäften im Namen des Bundesrats eingereicht wurden».
Bundesanwaltschaft stochert im Nebel
Die Anzeigen bleiben praktisch folgenlos. Letztes Jahr teilte die Bundesanwaltschaft mit, sie gehe allen Hinweisen auf mögliche Amtsgeheimnisverletzungen konsequent nach. Von 2020 bis April 2024 habe die BA «insgesamt rund 90 solcher Verfahren geführt, wobei die Anzahl Anzeigen und Verfahren von Jahr zu Jahr kontinuierlich zugenommen hat».
In den entsprechenden Verfahren zeige sich jedoch regelmässig, dass «vor der Begehung der mutmasslichen Indiskretion jeweils ein relativ grosser Personenkreis Kenntnis des verletzten Amtsgeheimnisses hatte. Eine zielführende Einschränkung des potenziellen Täterkreises anhand verfügbarer und genügend konkreter Indizien ist in solchen Fällen kaum möglich.»