Darum gehts
- Schweizer Erfindungen dienen als Vorbild für europäische Politiker
- Fixerstübli, Drug-Checking und Wasserzins finden Anklang im Ausland
- Auch im Verkehrsbereich dient die Schweiz gerne als Vorbild
Wer hat’s erfunden? Die Schweiz! Unser Land dient europäischen Politikern immer wieder als Referenz. Bemerkenswert: Aktuell liegen in mehreren Ländern Ideen auf dem Tisch, die bei uns längst zum Alltag gehören – und so normal sind, dass kaum mehr jemand weiss, dass sie eigentlich ziemlich schweizerisch sind. Ein Überblick.
Fixerstübli für die Grazer
In der Schweiz gehören sie seit Jahrzehnten dazu: 1986 eröffnete Bern das weltweit erste Fixerstübli, weitere Städte folgten. In diesen betreuten Konsumräumen können Abhängige ihre Drogen unter sicheren, hygienischen Bedingungen einnehmen – ein Ansatz nach dem Prinzip «Gesundheit statt Ausgrenzung». Bis heute ist er eine zentrale Säule der Schweizer Drogenpolitik.
Nun hat der Gemeinderat in der österreichischen Stadt Graz einstimmig beschlossen, Drogenkonsumräume einzurichten – ein Novum im Nachbarland. Orientierung bietet die Schweiz. Es handle sich nicht um einen «Giftlerservice», beruhigten die Verantwortlichen in der «Kleinen Zeitung». Aber dass in Graz so viele Spritzen herumliegen, zeige die Dringlichkeit des Projekts.
Ein Drogencheck für Bayern
Auch beim straffreien Testen von Drogen ist die Schweiz Vorreiterin. Der Ansatz: Gesundheit geht vor Strafen. Konsumentinnen und Konsumenten sollen wissen, was sie einnehmen. Denn Kokain, Ecstasy oder Amphetamine sind oft gestreckt, verunreinigt oder überdosiert.
Um solche Risiken zu reduzieren, bieten spezialisierte Stellen sogenanntes Drug-Checking an. Dort werden Substanzen kostenlos analysiert und auf ihre Inhaltsstoffe geprüft. 2006 eröffnete Zürich als erste Stadt ein amtliches Drogeninformationszentrum.
Das Modell stösst im Ausland auf Anklang. Aktuell fordert die SPD in Bayern per Antrag: Die Regierung soll eine Rechtsgrundlage schaffen, um «ein flächendeckendes und kostenloses Drug-Checking-Angebot» einzuführen. Die Schweiz wird explizit als Vorbild genannt. «Die dramatische Zunahme synthetischer Drogen macht sofortiges Handeln erforderlich», so die SPD.
Bekommen Österreicher einen Wasserzins?
Wird der Wasserzins zum Exportschlager? Eine Denkfabrik empfiehlt, in Österreich nach Schweizer Vorbild eine Abgabe auf jede mittels Wasserkraft erzeugte Kilowattstunde Strom zu erheben. Der Vorschlag kommt vom gewerkschaftsnahen Momentum-Institut.
Den Wasserzins müssen die Betreiber von Wasserkraftwerken an die Standortkantone und Gemeinden zahlen. So bleibt ein Teil der Wertschöpfung aus der Stromproduktion in den Bergregionen, wo viele Kraftwerke stehen.
Auch in Österreich ist die Wasserkraft zentral für die Stromerzeugung. Viele Anlagen seien längst abgeschrieben, erzielten aber weiterhin hohe Gewinne – während die Konsumenten hohe Preise zahlten, kritisiert die Denkfabrik. Und ein «Energiekrisenbeitrag» brachte bislang weniger ein als erwartet. Ein Wasserzins könnte laut Momentum-Institut einträglicher sein und der sozialen Entlastung dienen, wie der «Standard» schrieb. Die Marktmechanik bliebe mit dem Spezialzins unverändert.
Deutschland will den Bahn-Zaubertopf
Seit Jahren wird der öffentliche Verkehr der Schweiz in Deutschland beobachtet (und oft bewundert). Ein Bahninfrastrukturfonds sorgt hierzulande für Planungssicherheit, weil Ausbau und Unterhalt des Netzes dauerhaft finanziert werden. Das deutsche Verkehrsministerium hat kürzlich ein Konzept vorgelegt, das sich stark an diesem Ansatz orientiert.
Es handelt sich um eine Art Bahn-Zaubertopf. Der Bahninfrastrukturfonds wird kontinuierlich über verschiedene Quellen gespeist, losgelöst vom Staatshaushalt. Das Prinzip: Nur Projekte, die zuvor in die Planung aufgenommen wurden, dürfen auch finanziert werden. So ist sichergestellt, dass die Schiene langfristig planbar bleibt – ohne ewiges Feilschen.
Belgien kämpft gegen Billett-Wirrwarr
Im öffentlichen Verkehr in Belgien verfügt fast jeder Betrieb über ein eigenes Tarifsystem. Für viele Strecken sind deshalb mehrere Billette nötig. Das wollen Verkehrspolitiker ändern: Belgien prüft nun, ein einheitliches System zu schaffen, das sich an der Schweizer Koordination mit Hunderten Verkehrsbetrieben orientiert.
Auf einer Mobilitätskonferenz durfte der Chef von Alliance Swiss Pass diesen Herbst das Schweizer Modell vorstellen, das eine «koordinierte Tariflandschaft» über alle Unternehmen hinweg ermöglicht.
Rechtspopulisten für direkte Demokratie
Es ist ein Klassiker. Bürgerinnen und Bürger können dank Referenden und Initiativen direkt politisch Einfluss nehmen. Die Schweizer Volksrechte dienen im Ausland gerne als Orientierungspunkt – aktuell besonders Rechtsaussen-Parteien. Alice Weidel (46), Chefin der «Alternative für Deutschland» (AfD), forderte jüngst in einer Rede «mehr direkte Demokratie». Auch die österreichische FPÖ wirbt für Elemente wie Volksinitiativen.
Wie gut wissen die Parteien über unsere direkte Demokratie Bescheid? Unklar. Sie sehen darin wohl auch ein Mittel, es «denen da oben» zu zeigen. Die AfD verweise «gezielt auf die Schweiz, weil einerseits bekannt ist, dass die direktdemokratischen Instrumente dort besonders stark sind, und weil die Schweiz andererseits ein reiches und konservatives Land mit einem guten Image ist», erklärte der Politikwissenschaftler Manès Weisskircher von der Technischen Universität Dresden gegenüber «Swissinfo».