Darum gehts
- Nachrichtendienst und Kantonspolizei Zürich nehmen Staatsverweigerer-Szene ins Visier
- Auslöser war mutmassliche Entführung eines Gemeindemitarbeiters durch Staatsverweigerer
- In Deutschland gibt es etwa 25'000 Reichsbürger und Staatsverweigerer
Nun wird der Nachrichtendienst des Bundes (NDB) aktiv – und nimmt die Staatsverweigerer-Szene ins Visier. In Absprache mit der Kantonspolizei Zürich soll das Phänomen gemeinsam bearbeitet werden. Ziel sei es, ein Lagebild zu erstellen und allfällige Organisationsstrukturen von gewalttätigen Staatsverweigerern zu identifizieren.
Auslöser ist ein Vorfall vom Februar. Ein den Behörden bekannter Mann soll auf einem Parkplatz ins Auto eines 27-jährigen Mitarbeiters der Gemeinde Pfäffikon ZH gestiegen sein. Mit Waffengewalt habe er diesen zum Losfahren gezwungen. Dem jungen Mann aber gelingt die Flucht. Zwei Wochen später stürmen schwerbewaffnete Polizisten das Wohnhaus des mutmasslichen Täters. Sie finden Waffen und diverse Munition.
«Man muss die Szene sehr ernst nehmen»
Nun wollen die Behörden die Staatsverweigerer-Szene genauer unter die Lupe nehmen. Mario Fehr, Sicherheitsdirektor des Kantons Zürich, bestätigt gegenüber der «NZZ» die Zusammenarbeit zwischen Kantonspolizei und Nachrichtendienst: «Die Erkenntnisse der vergangenen Monate zeigen, dass man die Staatsverweigerer-Szene sehr ernst nehmen und sie genauer beobachten muss.»
Bisher fehle es in der Schweiz an einem Überblick über die Grösse der Szene. Unklar sei auch, wie stark die Extremisten vernetzt sind – und wie gewaltbereit sie sind. In Deutschland gehen die Behörden von rund 25'000 Reichsbürgern und Staatsverweigerern aus. In der Schweiz gebe es bis jetzt einzig die Schätzung des Kriminologen Dirk Baier, der von bis zu 3000 Personen spricht.
Konkrete Hinweise auf Gewaltbezüge reichen
Gruppierungen, bei denen die begründete Annahme bestehe, dass sie die innere oder äussere Sicherheit der Schweiz bedrohten, könnten auch auf eine sogenannte Beobachtungsliste genommen werden, schreibt die «NZZ» weiter. Das erlaube es, Informationen über die politische Betätigung zu sammeln.
Ob die Staatsverweigerer auf dieser Liste stehen, wolle der NDB nicht verraten. Diese Liste sei als vertraulich eingestuft. Allerdings müsse eine Gruppierung nicht zwingend auf der Beobachtungsliste stehen, damit der NDB Informationen sammeln kann. Es reicht für eine Überwachung auch aus, wenn konkrete Hinweise auf Gewaltbezüge bestehen. Und dies sei laut Angaben des Nachrichtendienstes bei den Staatsverweigerern der Fall.
Nach der mutmasslichen Entführung sass der 64-Jährige rund vier Monate in Untersuchungshaft. Ende Juni hätten ihn die Ermittlungsbehörden auf freien Fuss gesetzt. Laut der Zürcher Staatsanwaltschaft seien Ersatzmassnahmen angeordnet worden. Das Strafverfahren aber läuft noch.