Kontrollschild-Patron teilt gegen Bundesrat aus
«Bei Nummernschildern sind wir in der Schweiz Neandertaler»

Kontrollschilder seien fälschungssicher, findet der Bundesrat – und will vorerst nichts ändern. Autonummern-Patron André Seiler, der hierzulande fast alle Schilder produziert, kritisiert das scharf.
Publiziert: 00:32 Uhr
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Der Bundesrat sieht derzeit keinen Handlungsbedarf bei der Sicherheit von Kontrollschildern.
Foto: Screenshot Kanton Bern

Darum gehts

  • Bundesrat sieht keinen Handlungsbedarf bei Sicherheit von Kontrollschildern
  • Geschäftsführer von Plaque Suisse kritisiert Sicherheitsstandards der Nummernschilder
  • 2024 wurden 20 gefälschte Kontrollschilder entdeckt
Die künstliche Intelligenz von Blick lernt noch und macht vielleicht Fehler.
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Céline ZahnoRedaktorin Politik

Selten lösen Blechschilder so viel Enthusiasmus aus wie in der Form von Kontrollschildern am Fahrzeugheck. Produziert werden die meisten im solothurnischen Nunningen. Hier stellt die Firma Plaque Suisse Autonummern für zwanzig Kantone und Liechtenstein her.

André Seiler, Geschäftsführer von Plaque Suisse, ist derzeit jedoch wenig begeistert – und zwar wegen niemand Geringeres als des Bundesrats. Dieser hat einen Vorstoss von SVP-Ständerat Werner Salzmann (62) beantwortet, der die Sicherheit von Kontrollschildern infrage stellte. Die Ästhetik des Schweizer Nummernschilds sei zwar unbestritten, seine Sicherheit aber auf dem Stand von 1971 stehen geblieben, so Salzmann.

Der Bundesrat will davon jedoch nichts wissen. Die Schilder verfügten über zuverlässige Sicherheitsmerkmale wie eine reflektierende Folie mit Laserzeichen, und Fälschungen könnten zuverlässig erkannt werden. «Kurzfristig sehen wir deshalb keinen Handlungsbedarf», erklärte das Bundesamt für Strassen (Astra) auf Anfrage.

«Tiefstmögliches Niveau»

«Das ist lächerlich», entgegnet Seiler. «Die Folie ist weltweit das tiefstmögliche Niveau punkto Sicherheit.» Es brauche einen bestimmten Lichteinfall, um das Laserzeichen in der Folie überhaupt zu erkennen – wer behaupte, Polizisten würden das jedes Mal sauber kontrollieren, erzähle «Hafechääs». Viele wüssten gar nicht, dass es dieses Zeichen überhaupt gibt.

Auch fälschen lasse sich das Schild problemlos. Seiler erzählt, er habe einmal eine Fälschung aus Frankreich bestellt, um das zu überprüfen. «Wenn ich das an mein Auto hängen würde, könnte ich es wohl selbst kaum von einem Original unterscheiden.»

Andere Länder seien viel weiter: Sie hätten etwa eingearbeitete Hologramme oder digitale Signaturen auf den Schildern. Diese könne man scannen und so alle hinterlegten Informationen überprüfen. An der Grenze geschehe das teils auch automatisch. «Bei Nummernschildern sind wir in der Schweiz wirklich Neandertaler», sagt Seiler.

Die Diskussion über digitale Kontrollschilder befinde sich auch international noch in einem sehr frühen Stadium, heisst es beim Astra. Längerfristig könnte sich die Situation im Zuge der fortschreitenden Digitalisierung jedoch verändern – deshalb beobachte man die Entwicklungen in diesem Bereich weiterhin.

20 gefälschte Schilder

Nach Seilers Einschätzung spielt die Landesregierung das Risiko herunter. In der Antwort auf den Vorstoss heisst es zwar, dass das Bundesamt für Zoll und Grenzsicherheit (BAZG) im Jahr 2024 lediglich 20 gefälschte Kontrollschilder gefunden habe – doch in vielen Fällen würden Fälschungen gar nicht erkannt, ist sich Seiler sicher. «Gemäss meinen Informationen nehmen Fälschungen zu.» Mitarbeiter des BAZG hätten ihn im vergangenen Jahr sogar für eine Schulung angefragt, um zu lernen, wie man solche erkennt.

«Das BAZG verfügt über keine offiziellen Statistiken zu gefälschten Kontrollschildern», schreibt das Amt auf Anfrage. Deswegen könne man auch keine Aussage darüber machen, ob das Phänomen tatsächlich zugenommen habe. Die Mitarbeitenden bildeten sich laufend weiter, unter anderem auch an der Schulung bei Plaque Suisse.

Leidenschaftlich bei der Sache

«Ich verstehe nicht, was den Bundesrat zurückhält», sagt Seiler. «Wir sind Profis, international vernetzt und wissen, was abgeht – wir finden seit langem, dass die Sicherheitsstandards erhöht werden müssen.»

Ihm gehe es um die Sache und nicht ums Geschäft, betont Seiler. Letztlich sei er ein «passionierter Kontrollschilder-Freak» und hätte Freude daran, wenn es endlich vorwärtsginge.

Von einer Erhöhung der Sicherheit dürfte sein Unternehmen allerdings profitieren. 50 Prozent von Plaque Suisse gehören der deutschen Firma Tönnjes, der Marktführerin für Nummernschilder in Europa. Das stärkt das Solothurner Unternehmen – etwa bei der Modernisierung des Maschinenparks oder eben bei der Arbeit an neuen Kennzeichen.

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