Johann Schneider-Ammann will auf China-Besuch Menschenrechte ansprechen
Zeigen Sie es dem Drachen, Herr Bundespräsident!

Drei Tage lang besucht Bundespräsident Johann Schneider-Ammann China – ein Drahtseilakt. Die Anliegen der Wirtschaft stehen auf der einen, die heikle Frage der Menschenrechte auf der anderen Seite. Der FDP-Bundesrat muss also süss-sauer sein, analysiert BLICK-Politik-Redaktor Simon Marti.
Publiziert: 07.04.2016 um 10:15 Uhr
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Aktualisiert: 11.09.2018 um 04:55 Uhr
Bundesrat Johann Schneider-Ammann auf China-Besuch
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Menschenrechte soll zum Thema werden:Bundesrat Johann Schneider-Ammann auf China-Besuch
Simon Marti aus China

Jahrelang gingen Chinas Wachstumsraten durch die Decke. Unternehmer rund um den Globus drängen seit Beginn der wirtschaftlichen Öffnung des Landes in den 80er Jahren auf den explodierenden Markt. Die Schweizer Firmen standen in der ersten Reihe, als es darum ging, sich ein Stück vom Kuchen abzuschneiden. Darunter auch der damalige Chef der Ammann-Gruppe und heutige FDP-Bundesrat Johann Schneider-Ammann.

Die Politik unterstützt die Unternehmer tatkräftig: 2014 schloss die Eidgenossenschaft, zeitgleich mit den Isländern, als erster europäischer Staat ein Freihandelsabkommen mit Peking ab. Ein wirtschaftspolitischer Meilenstein, auf den Schneider-Ammann mit Recht stolz ist.

Handel treiben mit einer Diktatur

Nicht alles läuft aber rund für die Schweizer Unternehmer im Reich der Mitte. Nicht nur, weil die chinesische Wirtschaftslokomotive zuletzt ins Stottern geraten ist. Etliche Firmen klagen über mühsame Vorschriften und Zulassungsverfahren – und hoffen, dass der Bundespräsident einen Beitrag leistet, die Handelsschranken weiter zu senken. Die Tatsache, dass eine grosse Wirtschaftsdelegation den Berner Magistraten begleitet, zeigt denn auch, wie hoffnungsvoll die hiesigen Konzerne nach wie vor gen Osten blicken.

Doch Scheider-Ammanns Rolle erschöpft sich nicht als in als Türöffner für die Wirtschaft. China ist und bleibt eine Diktatur. Eine Diktatur, die im letzten Jahr mehr Menschen hingerichtet hat, als jeder andere Staat weltweit. Eine Diktatur, die Oppositionelle derart verfolgt, dass westlichen Beobachtern das Blut in den Adern gefriert. Eine Diktatur notabene, die dem Westen schonungslos vor Augen führt, dass Wachstumszahlen alleine kein Regime liberalisieren und weichspülen.

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Im Gegenteil: Seit Staatschef Xi Jinping 2013 das Ruder übernahm, haben die kommunistischen Herren die Schraube angezogen, das Klima für Andersdenkende hat sich gehörig verschärft. Und der Personenkult um den Xi Jinping hat ein Ausmass erreicht, wie man es seit den Tagen des Revolutionsführers Mao Zedong nicht mehr gesehen hat.

Wie kann, wie soll ein Politiker aus der kleinen der Führungscrew eines solchen Staates also entgegentreten? Soll er der Schweizer Wirtschaft das Wort reden? Oder soll er auf die Einhaltung der Menschenrechte pochen? Die einfache und gleichzeitig so schwierige Antwort lautet: beides.

Schneider-Ammann wird Menschenrechte ansprechen

Er werde die Menschenrechtslage «im Gespräch mit Präsident Xi Jinping, Ministerpräsident Li Keqiang und dem Parlamentspräsidenten ansprechen», sagte der Bundesrat. Dies ist auch absolut zwingend.

IMAGE-ERRORDass Schneider-Ammann sich aber vehement für die Interessen der Wirtschaft starkmacht, kann beim ehemaligen Patron getrost voraussetzen. Das heisst aber nicht, dass er die politische Repression einfach ausblenden darf: Schneider-Ammann muss den Finger in die Wunde legen, nicht weil die kleine Schweiz dem grossen China sagen kann, wo’s lang geht, sondern weil das Land seine eigenen Werte nicht verraten darf. Die Schweiz ist eben nicht nur eine Wirtschaftsnation, sondern auch eine alte Heimat der Demokratie und des politischen Ausgleichs.

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Der Kleinstaat würde  sein eigenes Fundament mit Füssen treten, wenn er sich angesichts der Unterdrückung anderswo in Schweigen hüllt. Und die Schweiz würde ihrer Rolle als weltweiter Vermittler einen Bärendienst erweisen, wenn sie bei der erst besten Gelegenheit in puren Opportunismus verfällt. Also muss der Bundespräsident auch im Ausland, auch in China, mit Nachdruck auf die Einhaltung der Menschenrechte pochen. 

Vielleicht ist Schneider-Ammann nicht der Mann für den ganz grossen Auftritt. Er gehört mit Sicherheit nicht zu den besten Rednern unter der Bundeskuppel. Aber er ist ein zäher, geschickter Verhandler. Ein gewiefter Taktiker mit beschiedenem Auftritt. Eigentlich der richtige Mann für diese heikle Mission. Ihm könnte der Drahtseilakt von Peking gelingen.

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