In Nato-Staaten
Ständerat will Regeln für Kriegsmaterial-Ausfuhren aufweichen

Die Schweizer Rüstungsindustrie soll beim Export von Kriegsmaterial künftig weniger strenge Regeln befolgen müssen. Ausfuhren in kriegsführende Nato-Staaten und die Weitergabe von exportierten Gütern sollen grundsätzlich möglich sein. Das hat der Ständerat beschlossen.
Publiziert: 11.06.2025 um 11:14 Uhr
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Aktualisiert: 11.06.2025 um 17:59 Uhr
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Der Ständerat will weichere Regeln für Kriegsmaterialexporte. Damit soll die Schweizer Rüstungsindustrie gestärkt werden. (Themenbild)
Foto: GAETAN BALLY
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Keystone-SDADie Schweizer Nachrichtenagentur

Er hat am Mittwoch entsprechende Änderungen des Kriegsmaterialgesetzes gutgeheissen - mit 31 zu 11 Stimmen bei einer Enthaltung. Als Nächstes ist der Nationalrat am Zug.

Gemäss Beschluss der kleinen Kammer sollen Kriegsmaterialexporte in Nato-Staaten grundsätzlich erlaubt werden - ausser es liegen ausserordentliche Umstände vor und die aussen- oder sicherheitspolitischen Interessen der Schweiz erfordern eine Ablehnung. Die Mehrheit folgte dem Vorschlag der Sicherheitspolitischen Kommission des Ständerats (SIK-S).

Bei den aktuell 25 Ländern - darunter ein Grossteil der Nato-Staaten sowie Argentinien, Australien, Irland, Japan, Neuseeland und Österreich -, die künftig ohne Auflagen beliefert werden sollen, handle es sich um Rechtsstaaten, welche dieselben internationalen Verpflichtungen zur Kontrolle von Rüstungshandel eingegangen seien wie die Schweiz, hielt Brigitte Häberli-Koller (Mitte/TG) als Kommissionssprecherin fest. 2024 gingen sogar 92 Prozent der Schweizer Rüstungsexporte in diese Länder.

Für eine Lockerung der Exportbestimmungen waren die bürgerlichen Ständerätinnen und Ständeräte. Sie verwiesen auf die kriselnde einheimische Rüstungsindustrie. Die Schweizer Rüstungsexporte gingen 2023 um 27 Prozent zurück, und 2024 um weitere 5 Prozent. Mit der Flexibilisierung liesse sich eine an die Bedürfnisse der Landesverteidigung angepasste industrielle Kapazität im Inland aufrechterhalten, lautete der Tenor.

Schaden für Rüstungsindustrie

Geschehe nichts, gehe die hiesige Rüstungswirtschaft unter, warnte Josef Dittli (FDP/UR). «Damit würde vor allem unsere Armee geschwächt.» Deren Aufträge alleine reichten der Branche nicht, um ihre Geschäfte rentabel zu führen. Die Branche brauche Exporte.

Das Kriegsmaterialgesetz zu verschärfen, sei rückblickend gesehen «ein Riesenfehler» gewesen, sagte Andrea Gmür-Schönenberger (Mitte/LU). Die starren Fesseln müssten wieder ein bisschen aufgelockert werden. «Wir müssen unsere Sicherheit einigermassen gewährleisten, indem wir die einheimische Rüstungsindustrie stärken.»

Neu sollen Länder das erhaltene Kriegsmaterial ohne Zustimmung der Schweiz auch an ein anderes Land weitergeben können. Die kleine Kammer nahm einen entsprechenden Einzelantrag von Thierry Burkart (FDP/AG) an - mit 29 zu 13 Stimmen bei einer Enthaltung. Heute muss der Bundesrat solche Gesuche mit Verweis auf geltendes Recht ablehnen, was im Ausland regelmässig für Kritik sorgt.

«Das Label Made in Switzerland darf nicht zu einem Malus werden», warb Fabio Regazzi (Mitte/TI) für Burkarts Antrag. Der Antragsteller räumte ein, dass bei einer Wiederausfuhr nicht ausgeschlossen werden könne, dass Schweizer Rüstungsgüter in Einzelfällen auch in problematischen Konflikten eingesetzt werden könnten. «Ich hoffe aber, immer zur Verteidigung des Guten.»

Werner Salzmann (SVP/BE) sprach von einem «Balanceakt zwischen einer ethischen und einer wirtschaftlichen Verantwortung». Die Mehrheit der kleinen Kammer gewichtete Zweiteres höher. Es gehe darum, das Vertrauen in die Schweiz als verlässlichen Partner und Standort wiederherzustellen, hiess es.

«Wir verlieren jegliches Mass»

Die fast dreistündige Debatte zur Vorlage war zuweilen emotional. Insbesondere die Gegnerinnen und Gegner der Lockerung - die links-grünen Mitglieder der kleinen Kammer - gaben zu bedenken, dass mehrere Grenzen überschritten würden. «Wir verlieren jegliches Mass», kritisierte Mathias Zopfi (Grüne/GL).

«Mit der Revision wäre es nicht mehr möglich, zu kontrollieren, in welchem Kriegsgebiet welche Schweizer Rüstungsgüter auftauchen», sagte Daniel Jositsch (SP/ZH). Die Mehrheit unterwandere mit ihren Beschlüssen die Neutralität, ohne das Volk zu fragen.

«Sie wollen nicht mehr hinschauen, was hinter der Grenze passiert», warnte Franziska Roth (SP/SO) die bürgerliche Mehrheit. «Export-Staaten könnten Russland und Israel beliefern.» Vergeblich warb Roth für einen Kompromissvorschlag. Demnach hätten Kriegsmaterialexporte bewilligt werden können in Länder wie die Ukraine, die sich gegen eine völkerrechtswidrige Aggression gemäss Uno-Charta verteidigen.

Die Vorlage geht nun an den Nationalrat. Stimmt auch er lockereren Export- und Wiederausfuhrbestimmungen zu, ist ein Referendum dagegen so gut wie sicher. Die Gruppe für eine Schweiz ohne Armee (Gsoa) hatte ein solches bereits vor der Ständeratsdebatte vorsorglich beschlossen. SP und Grüne dürften sie dabei unterstützen.

Auch die Befürworterinnen und Befürworter der Lockerung gehen von einer Volksabstimmung aus. Sie sei bereit für den Abstimmungskampf, schrieb die Allianz Sicherheit Schweiz in einer Mitteilung. Sie zeigte sich optimistisch, «dass sich auch die Bevölkerung für eine verteidigungsfähige Schweiz mit eigener Rüstungsindustrie aussprechen wird».

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