Die Schweizer zieht es weg: nach Frankreich, Deutschland und in die USA. Aber auch nach Australien oder Thailand (siehe Beispiele unten). In den letzten Jahren hat die Anzahl Schweizer, die ihre Heimat verlassen, deutlich zugenommen (siehe Grafik). Gleichzeitig sind weniger Auslandschweizer zurückgekehrt. Das Resultat: Auf 24'000 Rückkehrer kamen 2017 und 2018 rund 32'000 Auswanderer (für 2019 sind noch keine Zahlen erhältlich). Unter dem Strich zählt das Land damit 8000 Schweizer weniger.
Schlüsselt man die Zahlen auf, so zeigt sich: 36 Prozent aller Auswanderer sind zwischen 20 und 35 Jahren alt. Damit sind es überdurchschnittlich oft Junge, die ihre Koffer packen. Bei ihnen stehen laut Michael Siegenthaler, Arbeitsmarktexperte bei der ETH-Konjunkturforschungsstelle (KOF), die Aufnahme eines Studiums oder der Antritt einer Stelle im Vordergrund. Bei einer zweiten Gruppe handelt es sich um frühere Einwanderer, die nun als Doppelbürger in ihre Heimat zurückkehren: Italiener oder Portugiesen etwa. Die dritte Gruppe machen die Älteren aus, insbesondere die 64- und 65-Jährigen – also die Rentner.
So viel zur Statistik. Was aber motiviert die einzelnen Menschen, in ein anderes Land zu ziehen? Und wie viele von ihnen bleiben längerfristig tatsächlich im Ausland? Das wollten wir von drei Auswanderern wissen (siehe unten).
Doch ist die Schweiz nicht nur Auswanderungs-, sondern auch Einwanderungsland. Das zeigen die Zahlen, die das Staatssekretariat für Migration (SEM) diese Woche veröffentlicht hat. Demnach sind im letzten Jahr unter dem Strich 55'000 Ausländer in die Schweiz eingewandert. Im Vergleich zum Vorjahr bleibt die Zahl der Zuwanderer damit praktisch gleich. Vor dem Hintergrund der Abstimmung über die SVP-Kündigungs-Initiative im Mai dürfte die Anzahl Einwanderer indes erneut zum Politikum werden.
Schweizer Auswanderer nicht mitgezählt
Ausgerechnet die Schweizer Auswanderer gehen in dieser Debatte vergessen. Die Zahlen des SEM beziehen sich nämlich lediglich auf die Anzahl Ausländer, die in die Schweiz ein- und auswandern. Die Schweizer Rückkehrer und Auswanderer tauchen in dieser Statistik hingegen nicht auf, da deren Zählung auf einem anderen Register beruht.
«Wenn man wissen will, wie es um den sogenannten Dichtestress steht, kommt es darauf an, wie viele Menschen in der Schweiz leben – und da zählen die Schweizer nun mal dazu», kommentiert Ökonom Siegenthaler die Zahlen. Er zieht deshalb den Schluss: «Fokussiert man nur auf die Zuwanderung der Ausländer, ergibt sich ein verfälschtes Bild.» In anderen Worten: Blendet man die Schweizer Auswanderer aus, wird die Zuwanderung überschätzt.
Kathrin Wartmann (30), Projektmanagerin in London
«Eigentlich bin ich 2015 für meinen Master nach London gekommen. Aber dann hat mir die Stadt so gut gefallen, dass ich mich entschieden habe, zu bleiben. Ich finde es toll, in der U-Bahn zu sitzen und um mich herum Menschen aus einem Dutzend unterschiedlicher Länder zu erblicken. Oder dass selbst weltweit bekannte Topmuseen hier gratis sind. Natürlich ist London auch beruflich interessant. Derzeit arbeite ich in einem Büro, das die Rohstoffindustrie berät, wie sie ihre Emissionen reduzieren kann. Vielleicht das Beste an der Stadt ist aber die Pub-Kultur. Die sind so gemütlich wie ein zweites Wohnzimmer. Oft gehe ich nach der Arbeit für einen Drink ins Pub in meinem Quartier und begrüsse dort die Pubkatze. Sie ist orange und heisst Sponge Bob.»
Peter Gisin (76), Rentner in Thailand
«Unsere erste Reise nach Thailand ist lange her: 25 Jahre. Nach dem Tsunami von 2004 haben meine Frau und ich die Patenschaft für ein Waisenkind übernommen, da damals viele Kinder ihre Eltern verloren haben. Vor zehn Jahren, nach meiner Pensionierung, sind wir ganz nach Thailand ausgewandert. Hier wohnen wir in einem grossen, schönen Haus mit Swimmingpool, das könnten wir uns in der Schweiz nicht leisten. Zu unserer Patentochter haben wir weiterhin Kontakt: Sie ist heute 25 Jahre alt, arbeitet in einem Hotel und besucht uns regelmässig. In unserem Dorf wohnen noch weitere Schweizer, als Mitglied der Swiss Society Phuket organisiere ich zudem einmal pro Monat einen Stamm. Wir haben nicht vor, in die Schweiz zurückzukehren. Warum auch? Das Klima ist angenehm, uns gefällt es hier.»
Anja Grob (30), Analystin bei einer NGO in Erbil (Irak)
«In den Irak hat es mich per Zufall verschlagen. Davor war ich in Syrien tätig, wo ich für ein Hilfswerk arbeitete. Als sich die dortige politische Situation verschlechterte, wurde meine Stelle gestrichen. Da erzählte mir eine Freundin von dem Job in Erbil. Nun arbeite ich hier als Analystin bei einer humanitären Organisation, die unter anderem die Uno berät. Überhaupt zieht sich der Zufall durch mein Berufsleben. Nach dem Abschluss meines Studiums reiste ich in den Libanon, um Arabisch zu studieren. Ich arbeitete in einem Café, machte ein Praktikum, fand aber keinen Job. So war ich drauf und dran, in die Schweiz zurückzukehren, als mir ein Kollege von dem Projekt in Syrien erzählte. Und nun bin ich eben in Erbil. Wie lange ich hier bleiben werde, weiss ich nicht. Eines Tages komme ich sicher in die Schweiz zurück. Aber noch reizt mich das Leben im Ausland mehr.»
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