Funk und Kabel
Nachrichtendienst-Überwachung verstösst gegen Grundrechte

Die grenzüberschreitende Funk- und Kabelaufklärung durch den Nachrichtendienst des Bundes ist in der derzeitigen Ausgestaltung nicht mit der Bundesverfassung und der Menschenrechtskonvention vereinbar. Dies hat das Bundesverwaltungsgericht entschieden.
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Die Funk- und Kabelüberwachung in der Schweiz ist nicht grundrechtskonform. (Symbolbild)
Foto: KEYSTONE/GAETAN BALLY
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Keystone-SDADie Schweizer Nachrichtenagentur

Das Bundesverwaltungsgericht hält in einem am Dienstag publizierten Urteil fest, dass hinreichend vorhersehbar sei, unter welchen Umständen die Kommunikation bei der Funk- und Kabelaufklärung überwacht werden dürfe. Insgesamt biete jedoch das anwendbare Recht keinen ausreichenden Schutz vor Missbrauch.

So sei nicht gewährleistet, dass der Nachrichtendienst des Bundes (NDB) nur erhebliche und richtige Daten bearbeite. Das Gesetz enthalte keine Vorkehrungen zum Schutz von journalistischen Quellen und anderer besonders schützenswerter Kommunikation wie jener zwischen Anwalt und Mandant.

Schliesslich sei weder eine hinreichend effektive Beaufsichtigung der Informationsbeschaffung gewährleistet, noch stehe Betroffenen ein wirksames Rechtsmittel für eine nachträgliche Überprüfung zur Verfügung. Das Regime der Funk- und Kabelaufklärung sei daher nicht konform mit der Bundesverfassung und der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK).

Frist von fünf Jahren

Bei diesem Ergebnis müsste die Funk- und Kabelaufklärung laut Bundesverwaltungsgericht als Ganzes unterlassen werden. Das Nachrichtendienstgesetz werde jedoch revidiert. Vor diesem Hintergrund und mit Blick auf die Bedeutung der Aufklärung für die Informationsbeschaffung sei dem Gesetzgeber die Möglichkeit zu geben, die Mängel bei der laufenden Gesetzesrevision zu beheben.

Das Gericht hält dafür eine Frist von fünf Jahren für angemessen. Sollte innert dieser Zeit kein mit der Bundesverfassung und der EMRK konformer Zustand hergestellt werden, sei die Funk- und Kabelaufklärung zu unterlassen.

Der NDB beschafft mit der Funk- und Kabelaufklärung Informationen über sicherheitspolitisch bedeutsame Vorgänge im Ausland, wie das Bundesverwaltungsgericht schreibt. Er erfasse die grenzüberschreitende Kommunikation und durchsuche diese anhand von Suchbegriffen. Rein schweizerische Kommunikation, bei der sich Sender und Empfänger in der Schweiz befinden, dürfe nicht kontrolliert werden.

Der Verein Digitale Gesellschaft und mehrere Privatpersonen, darunter Journalisten und ein Rechtsanwalt, rügen eine Verletzung ihrer Grundrechte und verlangen, dass der NDB die Funk- und Kabelaufklärung unterlässt. Das Bundesgericht hielt in einem Urteil von Ende 2020 fest, mit der Funk- und Kabelaufklärung finde eine Massenüberwachung statt.

Es bestehe daher das Risiko, dass auch Daten der Beschwerdeführenden bearbeitet würden. Die Beschwerdeführenden seien deshalb berechtigt, die Unterlassung der Funk und Kabelaufklärung zu verlangen. Das Bundesgericht wies das Bundesverwaltungsgericht in seinem Entscheid an, das System der Funk- und Kabelaufklärung auf seine Übereinstimmung mit der Bundesverfassung und der Konvention zum Schutz der Menschenrechte hin zu überprüfen.

Massenüberwachung grundsätzlich möglich

Die Staaten sind nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) grundsätzlich berechtigt, ein Regime zur Massenüberwachung einzuführen. Mit der Funk- und Kabelaufklärung ist jedoch eine Beeinträchtigung der Grundrechte der Beschwerdeführenden verbunden, schreibt das Bundesverwaltungsgericht.

Eine Grundrechtsverletzung könne im Interesse der nationalen Sicherheit gerechtfertigt werden. Die Grosse Kammer des EGMR habe in seinem Urteil «Big Brother Watch und andere gegen Vereinigtes Königreich» verlangt, dass der Prozess der Massenüberwachung durchgehenden Garantien zum Schutz vor Missbrauch unterworfen werde.

Besonderes Gewicht habe der EGMR auf die vorgängige unabhängige Genehmigung einer Massenüberwachung, die durchgehende Beaufsichtigung durch eine unabhängige Behörde und das Bestehen eines wirksamen Rechtsmittels zur nachträglichen Überprüfung einer Überwachung gelegt.

Das vorliegende Urteil ist noch nicht rechtskräftig und kann beim Bundesgericht angefochten werden. 

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