Debatte um Überwachung
«Tritt diese Änderung in Kraft, verlassen wir die Schweiz»

Bern feilt an neuen Überwachungsregeln. Neu wären auch Dienste wie Threema oder Proton mehr in der Pflicht. Was steckt hinter der Revision, wen trifft sie – und warum gibt es Widerstand?
Publiziert: 06.05.2025 um 09:23 Uhr
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Überall Augen: Der Bund will die Überwachungsverordnungen revidieren.
Foto: Midjourney / Tobias Bolzern

Darum gehts

  • Der Bundesrat will die Überwachungsverordnungen revidieren und mehr Firmen zur Mitwirkung verpflichten
  • Betroffene Firmen wie Proton und Threema wehren sich vehement gegen die geplanten Änderungen
  • Die Vernehmlassung läuft noch bis zum 6. Mai
Die künstliche Intelligenz von Blick lernt noch und macht vielleicht Fehler.
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Tobias BolzernRedaktor Digital

Was ist passiert?

Am 29. Januar eröffnete der Bundesrat die Vernehmlassung zur Teilrevision der Überwachungsverordnungen Vüpf und VD-ÜPF. Ziel ist, die Kategorien der mitwirkungspflichtigen Unternehmen klarer zu definieren, fünf neue Auskunfts- und Überwachungstypen einzuführen und dem Dienst ÜPF, Strafermittlern und dem Nachrichtendienst des Bundes (NDB) zusätzliche Werkzeuge an die Hand zu geben – etwa rückwirkende IP-Abfragen oder die Echtzeitkontrolle von Randdaten. Zudem wird die Pflicht zur Entfernung von Verschlüsselungen präzisiert: Anbieter müssten beispielsweise Transportverschlüsselungen aufheben. Ende-zu-Ende-Verschlüsselungen, wie sie etwa bei Messenger-Diensten genutzt werden, bleiben aber ausdrücklich davon ausgenommen.

Welche Firmen wären betroffen?

Bisher galten die Überwachungspflichten vor allem für grosse Telekomfirmen wie Swisscom, Sunrise oder Salt. Künftig sollen alle Kommunikationsdienste mit mehr als 5000 Nutzerinnen und Nutzern unter die Regelung fallen, allerdings mit teils reduzierten Pflichten. Volle Pflichten greifen erst ab einer Million Usern. Damit geraten auch Dienste wie Threema (Messenger), Proton (Maildienst) oder Tresorit (Filehosting) ins Visier.

Was kritisieren die Gegner der Revision?

«Die Revision ist ein schwerwiegender Frontalangriff auf Grundrechte, KMU und den Rechtsstaat. Der Bundesrat will den Überwachungsstaat per Verordnung massiv ausbauen», schreibt Erik Schönenberger, Geschäftsführer der Digitalen Gesellschaft (Digiges) in einem Artikel. Die Unternehmen müssten Daten sammeln, Kunden identifizieren und Verschlüsselungen aufheben – ein Eingriff in das Recht auf Privatsphäre. Schönenberger kritisiert zudem das Verfahren: Eine derart weitreichende Überwachung müsse als Gesetz durchs Parlament, nicht per Verordnung daran vorbei. Digiges sieht darin einen Verstoss gegen das Legalitätsprinzip.

Wie reagieren die Schweizer Firmen?

Proton-Chef Andy Yen lehnt die Änderungen kategorisch ab: «Wir werden diese Änderungen unter keinen Umständen mittragen. Sollten sie dennoch in Kraft treten, verweigern wir die Zusammenarbeit. Und wenn der Bund uns zum Gehorsam zwingen will, verlegen wir unseren Firmensitz ins Ausland», sagte er in einem Videocall mit Blick. Die Zürcher Firma Threema bezeichnet die Darstellung des Bundes, es ändere sich wenig, als «schlicht falsch». Laut «Tages-Anzeiger» erwägt Threema sogar, eine Volksinitiative gegen die Gesetzesänderung zu lancieren.

Warum wehren sich die Firmen so vehement?

Die Geschäftsmodelle der betroffenen Firmen basieren auf striktem Datenschutz. Mit der Revision müssten die Unternehmen künftig Kundendaten erfassen, sechs Monate speichern und die Nutzer eindeutig identifizieren – ein Bruch mit dem Prinzip Privacy by Design. Das hätte weitreichende Folgen und würde hohe Kosten verursachen, etwa weil die Firmen fürs ÜPF 24 Stunden erreichbar sein müssten. Proton-Chef Yen rechnet mit Kosten in der Höhe von mehreren Millionen Franken. «Damit wären wir gegenüber Konkurrenten aus den USA und der EU sofort weniger wettbewerbsfähig.»

Was schlagen die Kritiker als Alternative vor?

Digiges und andere Kritiker schlagen das Quick-Freeze-Modell als Alternative zur pauschalen Vorratsdatenspeicherung vor. Dabei werden Kommunikations- und Verkehrsdaten nicht massenhaft und ohne Anlass gespeichert, sondern nur bei konkretem Verdacht auf richterliche Anordnung gezielt gespeichert – und damit quasi eingefroren.

Was passiert nach dem 6. Mai?

Nach Ablauf der Frist wertet das EJPD die Eingaben aus, überarbeitet den Text und legt ihn dem Bundesrat vor. Wird die Verordnung beschlossen, könnte sie 2026 in Kraft treten – es sei denn, sie wird ausgebremst. Bis zum 6. Mai können noch alle Stellungnahmen eingereicht werden.

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