Fehlende Rampen, defekte Lifte
Rollstuhl-Nationalräte leiden unter Lift-Ärger im Bundeshaus

Auch im Machtzentrum der Schweiz stossen Menschen mit Behinderung noch immer an Grenzen. Für Islam Alijaj ist das aber nur die Spitze des Eisbergs einer Gesellschaft, die sie oft nicht mitdenke.
Publiziert: 18.04.2025 um 00:01 Uhr
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Aktualisiert: 19.04.2025 um 15:01 Uhr
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Islam Alijaj (38, ZH) ist seit Ende 2023 für die SP im Nationalrat.
Foto: keystone-sda.ch

Darum gehts

  • Bundeshaus nicht vollständig barrierefrei für Rollstuhlfahrer
  • Denkmalschutz erschwert die nötigen Anpassungen
  • Seit 2011 wurden punktuelle Verbesserungen vorgenommen
Die künstliche Intelligenz von Blick lernt noch und macht vielleicht Fehler.
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Deborah BischofRedaktorin Politik

Wenn er am Haupteingang des Bundeshauses ist, muss Islam Alijaj (38, ZH) klingeln. Denn allein kommt der gewählte SP-Nationalrat hier mit seinem Rollstuhl nicht rein.

Doch das ist längst nicht die einzige Hürde im Bundeshaus: Auch Telefonkabinen oder das Hochparterre sind nicht rollstuhlgängig. Dazu kommt: Die Lifte seien oft defekt, wie Alijaj nun im Magazin «Bildung Schweiz» publik gemacht hat. Er habe deshalb schon ein paar Mal fast wichtige Abstimmungen verpasst. Es sind Äusserungen, die aufrütteln.

Das nerve ihn manchmal, sagt er gegenüber Blick. «Aber um ehrlich zu sein: In den 38 Jahren meiner Schwerbehinderten-Karriere bin ich viele dieser Dinge gewohnt.» Islam Alijaj lebt seit seiner Geburt mit einer Zerebralparese, weshalb er im Rollstuhl sitzt und eine Sprachbehinderung hat.

Doch wie kann es sein, dass eines der wichtigsten Gebäude der Schweiz nicht vollständig barrierefrei ist? Der Ort, wo die wichtigsten Entscheide gefasst werden. Wo etwa entschieden wurde, dass Menschen mit Behinderung unabhängig im ÖV fahren können sollten. «Das Bundeshaus ist diesbezüglich ein Spiegel der Gesellschaft, in der Menschen mit Behinderungen sehr oft nicht mitgedacht werden», sagt Alijaj.

Denkmalschutz als Herausforderung

Die Parlamentsdienste verweisen unter anderem auf die schwierigen baulichen Gegebenheiten. Als historisches Gebäude steht das Bundeshaus unter Denkmalschutz. «Damals wurde der Thematik keine Beachtung geschenkt», heisst es auf Anfrage.

Trotzdem unternehme man seit Jahren Anpassungen, um das Gebäude barrierefreier zu machen. Dazu gehören etwa Rampen und Aufzüge, die alle Stockwerke erschliessen. Bei einem letzteren grösseren Umbau 2021 wurde zudem auch das Rednerpult des Nationalrats mit einer Rampe erschlossen sowie Zugänge zu den Präsidentenplätzen in beiden Sälen geschaffen.

Für Menschen mit Seh- oder Hörbehinderung habe man die Signalethik angepasst, die Lifte mit akustischen Hinweisen ausgestattet, und es stehe eine Broschüre in Brailleschrift zur Verfügung. «Das Ziel ist ein möglichst hindernisfreies Parlament für alle», so die Parlamentsdienste.

«Arbeitsbedingungen müssen stimmen»

Einer, der die Anpassungen schon länger verfolgt, ist Mitte-Nationalrat Christian Lohr (63, TG). Er ist mit einer Contergan-Behinderung zur Welt gekommen und wie Alijaj auf einen Rollstuhl angewiesen. Bereits als er 2011 in den Nationalrat kam, habe er die Situation als «befriedigend» erlebt. Von eigentlichen Hürden möchte er deshalb nicht sprechen, sondern von Lösungen, die man gemeinsam mit den Parlamentsdiensten im konstruktiven Dialog finden konnte, wie er sagt.

So hätten bereits punktuelle Verbesserungen im Sanitärbereich und beim Zugang zum Bundeshaus stattgefunden. «Für mich war es wichtig, dass ich in die Optimierungsmassnahmen immer einbezogen wurde», so Lohr.

Die Barrierefreiheit im Bundeshaus weiterzuentwickeln, empfinde er auch als gestalterische Chance. Das Parlamentsgebäude sei von extremem historischem Wert, und deshalb müssten viele Faktoren bedacht werden. «Die Arbeitsbedingungen müssen für uns stimmen. Das ist klar, und daran soll auch projektorientiert immer wieder neu gearbeitet werden.»

Nur eine von vielen Hürden im Leben

Auch SP-Nationalrat Alijaj lobt die gute Arbeit der Weibelinnen und Weibel. «Die Parlamentsdienste machen einen fantastischen Job, sie denken immer mit und beheben Barrieren wo möglich.» Trotzdem fehlt es noch an einigen Ecken – und vor allem Kanten. Allen voran dem Haupteingang. Auf den Hinweis von Alijaj soll dieser jedoch verbessert werden. Die Parlamentsdienste bestätigen, dass derzeit Abklärungen laufen. Mit einer Rampe soll zusätzlich das Hochparterre besser erreichbar werden.

Für Islam Alijaj ist das Bundeshaus nur die Spitze des Eisbergs. «Verglichen mit dem Leben ausserhalb ist das Bundeshaus die Vorstufe zum Paradies.» So kämpfe er dafür, dass zum Beispiel auch Bahnhöfe so barrierefrei werden, wie es das Bundeshaus heute sei. «Es bringt die Inklusion nicht weiter, wenn ich als Vorzeige-Behinderter durch einen barrierefreien Palast rolle, während meine Mitstreiterinnen und Mitstreiter nicht in den nächsten Zug kommen.»

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