Staatspolitiker wollen mehr politische Rechte für Menschen mit Behinderung
Auch Behinderte sollen an die Urne dürfen

In Genf dürfen seit vier Jahren auch Menschen mit geistiger und psychischer Behinderung an Wahlen teilnehmen. Nun soll dies schweizweit ermöglicht werden. Das wollen die Staatspolitiker des Nationalrats.
Publiziert: 25.10.2024 um 16:15 Uhr
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Aktualisiert: 25.10.2024 um 21:01 Uhr
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Menschen mit Behinderung, die unter Beistand stehen, dürfen bisher nur im Kanton Genf abstimmen und wählen. Das soll sich ändern, fordert EVP-Nationalrat Marc Jost. Auch auf nationaler Ebene sollen Menschen mit Behinderung an die Urne dürfen, findet er.
Foto: keystone-sda.ch

Auf einen Blick

  • Genf erlaubt Behinderten Stimm- und Wahlrecht
  • EVP-Nationalrat Marc Jost will dies auch auf nationaler Ebene ermöglichen
  • Sein Antrag hat in der zuständigen Kommission eine knappe Mehrheit gefunden
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Céline ZahnoPraktikantin Politik

Vor vier Jahren fand in Genf eine kleine Revolution statt. Die Bevölkerung entschied, dass auch Menschen mit geistiger und psychischer Behinderung, die unter einer umfassender Beistandschaft stehen, an Abstimmungen und Wahlen teilnehmen dürfen

Das deutliche Ja der Genfer Stimmberechtigten – 75 Prozent stimmten zu – gab dem Anliegen auch schweizweit Aufschwung. Diesen Sommer hat Appenzell Innerrhoden einer neuen Verfassung zugestimmt, die das Stimm- und Wahlrecht auch für Menschen mit Beistand vorsieht. Im Kanton Zürich ist eine Behördeninitiative hängig, in Luzern werden für eine Initiative Unterschriften gesammelt und im Kanton Zug läuft dazu eine Vernehmlassung.

EVP-Jost kämpft gegen Ungleichheiten

Und nun soll es auch auf nationaler Ebene vorwärtsgehen. Ein Antrag von EVP-Nationalrat Marc Jost (50) kam bei den Staatspolitikern des Nationalrats hauchdünn mit 12 zu 12 Stimmen bei einer Enthaltung und einem Stichentscheid der Kommissionspräsidentin Greta Gysin (41) durch.

«Rund 16'000 Personen sind heute vom Stimm- und Wahlrecht ausgeschlossen, ohne dass im Einzelfall überprüft wird, ob das richtig ist», sagt Jost. Eine Person habe manchmal auch eine Beistandsperson, einfach, weil sie Unterstützung bei den eigenen Finanzen brauche. «Das heisst aber noch lange nicht, dass sich die Person keinen politischen Willen bilden kann.»

Schweiz unter Zugzwang

Jost hat an der ersten Behindertensession im März des vergangenen Jahres als Gast teilgenommen. Das hat ihm Eindruck gemacht. «Unsere Bundesverfassung verursacht noch Ungleichheiten. So kann es vorkommen, dass Menschen mit Behinderung, die bei ihren Eltern wohnen, oftmals abstimmen. Wenn sie alleine wohnen und von einer Beistandsperson unterstützt werden, dafür nicht.»

Auch die Genfer Nationalrätin Delphine Klopfenstein Broggini (48) findet, es sei an der Zeit, dass die Schweiz dem Beispiel des Kantons Genf folgt. Auch, weil die Schweiz international unter Zugzwang stehe. Dass Menschen mit Behinderung vom Stimmrecht ausgeschlossen werden, widerspricht nämlich der Uno-Behindertenrechtskonvention. Das hat auch der Bundesrat in einem Bericht anerkannt. «Wir sprechen oft von der Schweiz als ein Land mit direkter Demokratie, auf die wir auch stolz sind. Aber die Demokratie muss gepflegt werden und das ist eine echte Lücke», so Klopfenstein Broggini. 

Angst vor Missbrauch

Kritische Stimmen bringen oft die Angst vor Missbrauch ins Feld. Etwa, dass Menschen mit Beistand einfacher manipuliert werden könnten. Für Jost ist das kein Argument. «Je nach Interesse, Alter und Wissensstand können alle Bevölkerungsgruppen manipuliert werden. Es wäre unfair, dieses Argument nur bei Menschen mit Behinderungen gelten zu lassen.»

So knapp wie das Ergebnis in der Kommission ausgefallen ist, ist offen, ob das Geschäft auch im Nationalrat durchgewunken wird.

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