Darum gehts
- Feuerwerk bereitet Bauernfamilie Anderhub Sorgen und Stress für ihre Tiere
- Unangekündigtes Feuerwerk führte zu Verletzungen bei Tieren und Menschen
- 68 Prozent würden laut Umfrage die Initiative für ein Feuerwerksverbot annehmen
Sarah (37) und Sebi Anderhub (36) posieren neben dem Pferd Rioso und ihren zwei gigantischen Herdenschutzhunden. Nein, das Blitzlicht der Fotografin störe nicht, sagt Sarah Anderhub – im Gegenteil: So könnten die Tiere schon einmal für den 1. August üben.
Der anstehende Nationalfeiertag ist für die Anderhubs nämlich alles andere als ein entspanntes Fest. Während sich die meisten im Voraus auf lange Grillabende oder Lampionumzüge freuen, bedeutet er für die Bauernfamilie vor allem eines: viel Organisation.
Schon Tage vorher beginnen sie damit, Knallfrösche auf ihrem Biohof in Eschenbach LU zu zünden. Nicht etwa aus Vorfreude, sondern um die Tiere auf das laute Feuerwerk vorzubereiten. Sie überlegen sich, welches Pferd und welcher Hund wie reagieren könnte. Am Abend selbst überwachen sie die Ställe rund um die Uhr mit einem Monitor.
Rückenverletzung und genähtes Pferd
Die Anderhubs wollen damit verhindern, dass sich eine Horrornacht wie im November 2023 wiederholt. Die Familie hatte schon geschlafen, als es plötzlich zu knallen begann – was sie nicht wussten: Nebenan fand ein Feuerwerk statt. Zwar wurde es von der Gemeinde bewilligt, allerdings seien sie nicht informiert worden. «Wir sind senkrecht im Bett gestanden, die Kinder haben geweint, und alle Hunde haben komplett am Rad gedreht», erzählt Sebi Anderhub.
Videoaufnahmen zeigen, wie die Sennenhündin und ihre Welpenschar verstört im Stall hin- und herrennen, Schweine, Ziegen und der Herdenschutzhund preschen über die Auslauffläche. «Irgendwie versuchten wir gleichzeitig, die Tiere in allen drei Ställen zu beruhigen und die Hunde in Schach zu halten.» In der Hitze des Gefechts stürzte Sarah Anderhub schwer – wochenlang litt sie unter heftigen Rückenschmerzen. Ein Pferd verletzte sich und musste wegen einer Risswunde genäht werden.
Parlament berät über Feuerwerks-Intiative
Man merkt: Der Schock und Ärger sitzen bei den Anderhubs noch immer tief. Für Feuerwerke haben sie wenig Verständnis. «Alle reden von Tierwohl: Die Bevölkerung will, dass wir Bauern den Tieren möglichst viel Auslauf geben, dass die Kühe Hörner haben und nicht von ihren Kälbern getrennt werden. Überall macht man uns Vorschriften – aber aufs eigene Feuerwerk will trotzdem niemand verzichten.» Sogar Sohn Oskar (8) findet, dass Böller nicht an den Nationalfeiertag gehören: «Das Feuerwerk macht den Tieren Angst.»
Tatsächlich könnte es für Feuerwerksfans schon bald keine Wahl mehr sein, ob sie an Feiertagen wie dem 1. August Böller zünden oder nicht. Die Feuerwerks-Initiative, die derzeit im Parlament beraten wird, will nämlich private Feuerwerke verbieten, die Lärm machen. Feuerwerke seien unzeitgemäss und würden Umwelt, Tieren und Menschen schaden, wird argumentiert. Die zuständige Kommission des Nationalrats möchte einen Gegenvorschlag vorlegen.
Bis Mai 2026 hat das Parlament noch Zeit für die Beratung – die Initiative könnte also schon nächstes Jahr an die Urne kommen. Und gemäss einer Umfrage des Instituts GFS Bern unter rund 1000 Stimmberechtigten scheint das Anliegen gute Chancen zu haben: 68 Prozent würden die Initiative annehmen, 28 Prozent ablehnen. Die Zustimmung reicht bis ins bürgerliche Lager. Ausserdem greifen immer mehr Gemeinden dem Urnengang vor und entscheiden sich, das Feuerwerk auf kommunaler Ebene zu verbieten.
«Es hat getätscht wie verruckt»
Die Anderhubs sind mit ihrem Feuerwerksfrust nicht allein. Blick hat mit verschiedenen Landwirtinnen und Landwirten gesprochen, die Ähnliches erlebt haben – aber anonym bleiben möchten. Ein Bauer berichtet von einem Pferd, das bei Feuerwerk komplett durchdreht: «Es rennt hin und her, man sieht das Weiss in den Augen, und es schwitzt. Irgendwann ist es völlig erschöpft und steht nur noch apathisch im Stall.»
Die schlimmste Feuerwerksnacht erlebte Christoph Huber* vor 15 Jahren an Silvester. «Um Mitternacht hat es plötzlich getätscht wie verrückt», erzählt er. «Ich bin in den Stall gegangen und habe gemerkt, dass Panik ausgebrochen ist.» Die Rinder seien in den Laufhof geflüchtet – zwei hätten sich Sehnenverletzungen zugezogen, und ein 15 Monate altes Tier sei gestorben.
In einem späteren Jahr, am 31. Juli, hätten zwei Jungen aus der Nachbarschaft Feuerwerk auf seine Rinder geschossen. «Zwei davon haben sich so erschrocken, dass sie eine Fehlgeburt hatten.» Seither besucht er die 1.-August-Feier im Dorf nicht mehr. Er bleibt bei seinen Tieren – für den Fall, dass wieder etwas passiert. «Meine Familie hat sich daran gewöhnt», sagt Huber.
«Ich möchte meine Tiere schützen»
Dass es sich bei solchen Vorfällen teils auch um Missbrauch von Feuerwerk handelt, ist Christoph Huber klar. Trotzdem findet er, der Verkauf und Gebrauch müssten strenger geregelt werden.
Das sagen auch die Anderhubs. Sie haben die Feuerwerks-Initiative unterschrieben. «Ich mache diesen Beruf mit Herzblut», sagt Sarah Anderhub. «Dazu gehört auch, dass ich meine Tiere schützen möchte.»
* Name geändert