Ex-Mitglied Tanner kritisiert Taskforce
«Wer immer nur Angst schürt, kommt kaum zum Ziel»

Schluss mit der Schwarzmalerei! Für Ex-Taskforce-Mitglied Marcel Tanner ist der momentane Kurs der Schweiz zu pessimistisch. Er findet: «Restaurants und Konzerte zu öffnen, würde der Schweiz riesige Vorteile bringen.»
Publiziert: 17.02.2021 um 11:05 Uhr
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Aktualisiert: 17.02.2021 um 12:00 Uhr
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Ex-Taskforce-Mitglied Marcel Tanner findet den derzeitigen Corona-Kurs der Schweiz zu pessimistisch.
Foto: Annette Boutellier

«Man müsste die guten Nachrichten kommunizieren und nicht immer nur Worst-Case-Szenarien aufzeigen», fordert Epidemiologe Marcel Tanner (68) seine ehemaligen Kolleginnen und Kollegen aus der Corona-Taskforce auf. Im Interview mit dem «Tages-Anzeiger» zeigt sich der Wissenschaftler optimistisch – und hofft auf ein Umdenken beim Bund.

Zum Beispiel bei den Virusmutationen: Da sei am Anfang, als man noch wenig wusste, Vorsicht angebracht gewesen. «Mittlerweile gibt es aber Daten», sagt Tanner. Und die stimmen ihn hoffnungsvoll. «Die Varianten sind nicht krankheitserregender als das Original, und der Impfstoff wirkt bei uns auch gegen die Mutanten.»

Kritik an Ex-Kollegen

Warum schüre man trotz dieser Good News weiter Angst und Panik, fragt sich der Epidemiologe. Dass immer nur gewarnt und Angst geschürt werde, nutze sich bei der Bevölkerung ab, kritisiert er. Tanner hätte einen anderen Ansatz als seine Ex-Kolleginnen und Kollegen gewählt – und den Schweizerinnen und Schweizern Mut zugesprochen: «Auch wenn eine Variante sehr ansteckend ist, gelingt es uns heute, sie zu kontrollieren.»

Gleichzeitig nimmt er seine Forschungskollegen in Schutz: «Die Taskforce hat auch viele wichtige Inputs gegeben, die von den Medien und von der Politik zu wenig wahrgenommen wurden.» Als Beispiel wählt Tanner die im Mai 2020 – damals war er noch Teil der Taskforce – publizierte Strategie zum Umgang mit der Pandemie.

Restaurants öffnen und Konzerte zulassen

Das derzeitige Krisenmanagement des Landes aber, so scheint es, sieht Tanner eher kritisch. «Ich befürchte, wenn wir weiterhin in einer negativen Rhetorik und in diesem Schwarzweissmuster zwischen Angstmacherei und Öffnungsforderungen verharren, schaffen wir die Senkung der Infektionszahlen und die baldige Rückkehr in ein gewohntes Leben nicht», sagt er im Interview.

Dabei gäbe es viele kreative Lösungsansätze. Etwa bei der Öffnung von Restaurants und Konzerten – selbstverständlich mit strengem Schutzkonzept. Das hiesse am Konzert zum Beispiel: viel weniger Besucher, Sitzplätze und keine Garderobe. Trotzdem ist sich der Epidemiologe sicher: «Davon hätten wir einen riesigen Benefit.» Denn mit dem Lockdown entstünden auch Schäden am sozialen und am wirtschaftlichen Gefüge. «Diese könnten für die Volksgesundheit noch folgenschwerer sein als die Schäden, die man mit der Infektionskontrolle verhindern konnte», warnt Tanner.

Tanners Austritt aus der Taskforce

Dass sich die meisten Wissenschaftler in der Schweiz, egal aus welcher Disziplin, häufig nur auf das eigene Forschungsfeld fokussieren, zermürbt den Epidemiologen am meisten. «Die teilweise fehlende Bereitschaft in der Taskforce, ganzheitlich zu denken und zu handeln», habe ihn oft betrübt.

Gut möglich also, dass sein Austritt aus der wissenschaftlichen Taskforce des Bundes nicht nur mit einem belastenden Doppelmandat zusammenhing. Er begründete seinen Abschied Ende letzten Jahres nämlich damit, dass er gleichzeitig Präsident der Akademien der Wissenschaften Schweiz sei – beide Posten gleichzeitig zu meistern, erklärte Tanner damals, sei nicht sinnvoll. (dbn)


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