Ein Impfobligatorium? Vorteile für Corona-Geimpfte? Um die Corona-Krise möglichst schnell zu beenden, werden zurzeit in vielen europäischen Ländern über solche Fragen hitzig debattiert. Auch in der Schweiz.
Die nationale Ethikkommission (NEK) präsentierte heute ihre Empfehlungen zum Thema. Für sie ist klar: Impfobligatorien können ethisch nicht gerechtfertigt werden. Solche würden nämlich «auf unverhältnismässige Weise in wesentliche Grundrechte eingreifen». Dies gelte für ein allgemeines Impfobligatorium, aber auch für eine Pflicht nur für bestimmte Gruppen wie beispielsweise das Gesundheitspersonal.
Denn zurzeit sei eine Wirkung des Impfstoffes lediglich zum Schutz der Geimpften nachgewiesen. «Einen solchen Selbstschutz für bestimmte Personengruppe allgemein zu verordnen, wäre paternalistisch und nicht zu rechtfertigen», findet die NEK.
Vorteile für Geimpfte?
Was die Vorteile für Corona-Geimpfte angeht, zeigt sich der Ethikrat hingegen offener. Die Kommission findet, es lasse sich unter bestimmten Bedingungen rechtfertigen, wenn für gewisse Aktivitäten des täglichen Lebens vorübergehend eine Impfbescheinigung verlangt wird oder wenn für Geimpfte manche Einschränkungen fallen.
Allerdings lassen sich Vorteile nur begründen, wenn der Impfstoff auch den Schutz vor der Weitergabe des Virus gewährleistet und alle impfwilligen Personen Zugang zur Impfung haben – was bis jetzt noch nicht der Fall ist. Zusätzlich müsste man zwingend darauf achten, dass «grundlegende Rechte trotz allfälliger ungleicher Behandlung für alle gewahrt bleiben und es allen Menschen möglich ist, ihre Grundbedürfnisse zu befriedigen», hält die NEK fest.
Bevorteilung ist nicht überall zulässig
Dabei unterscheidet die Ethikkommission zwischen verschiedenen Situationen: Im Flieger sei ein Impfnachweis unter Umständen legitim, da sonst namentlich bei langen Flügen die Sicherheit nicht gewahrt werden könne. Im Kino, im öffentlichen Verkehr oder an Konzerten könne das aus Sicht der NEK aber nicht der Fall sein: Dort könne auch mit geringeren Einschränkungen wie etwa einer Maskenpflicht und Abstandsregeln ein sicheres Umfeld für die Besucher geschaffen werden.
Da für Private Vertragsfreiheit gilt, dürften sie theoretisch Geimpfte bevorzugen. Allerdings lässt das Recht viel Raum für Interpretation – zahlreiche Fragen sind zurzeit noch ungeklärt. Die Ethikkommission bittet den Bund, offene Punkte rund um den Impfnachweis so schnell wie möglich zu regeln. (dbn/SDA)