«Er soll sich schämen!»
Künstler gegen Blocher-Schwiegersohn: Wüster Streit um 7500 Franken

Der Schaffhauser Künstler Beat Toniolo will Künzli-Chef Roberto Martullo betreiben. Grund ist ein Deal, der in letzter Sekunde platzte – aus politischen Gründen.
Publiziert: 02:56 Uhr
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Aktualisiert: 10:20 Uhr
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Roberto Martullo, Ehemann von SVP-Nationalrätin Magdalena Martullo-Blocher.
Foto: GMC
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Fabian EberhardStv. Chefredaktor SonntagsBlick

Diese Geschichte beginnt versöhnlich: Ein linker Künstler und ein rechter Milliardärinnengatte finden für ein Projekt zusammen. Und sie endet im bitteren Streit: mit Beschimpfungen, gegenseitigen Vorwürfen – und einer Betreibung.

Schauplatz der Posse ist Schaffhausen. «Blos e chlini Stadt», aber grosser Zoff. Es geht um die Frauen-EM, um die Kultmarke Künzli-Schuhe und – wie so oft: ums Geld.

Die Streithähne

Unternehmer Roberto Martullo (63), Ehemann von SVP-Nationalrätin und Chefin der Ems-Chemie Magdalena Martullo-Blocher (56), und Beat Toniolo (63), preisgekrönter Künstler und Tausendsassa aus Schaffhausen, liegen sich in den Haaren. Toniolo sagt: «Herr Martullo soll sich schämen!» Der entgegnet: «Toniolo hat mich absichtlich getäuscht.»

Was ist passiert?

Angefangen hat alles ganz harmonisch. Toniolo entwarf eine überdimensionale Fahne, die zum Start der Frauen-EM im Rheinfallbecken ausgebreitet wurde. Ein Fussballfeld, 17 mal 24 Meter, darauf die Landesflaggen aller teilnehmenden Mannschaften.

Erste Aufnahmen aus dem «Künzli-Schuhe»-Laden in Zürich
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Martullo postet Tiktok-Videos:Erste Aufnahmen aus dem «Künzli-Schuhe»-Laden in Zürich

Der Deal

Für sein Kunstprojekt suchte Toniolo Sponsoren. Unbedingt dabei haben wollte er den Kultschuh Künzli. Die Traditionsfirma wurde 2024 von Roberto Martullo übernommen. «Ich war immer schon ein Fan der Künzli-Schuhe», sagt Toniolo. Er habe sie in den Siebzigerjahren stolz getragen, als er als Junior im FC kickte.

Der Künstler bot dem Blocher-Schwiegersohn einen Deal an: Martullo zahlt 7500 Franken, dafür wird das Künzli-Logo prominent auf die XXL-Fahne gedruckt. «Ich wollte Herrn Martullo eine Chance geben, auch wenn er politisch anders tickt als ich.»

Nach einigem Hin und Her liess Martullo sich auf den Deal ein. «Toniolo hat mich mehrmals angerufen und gebeten, sein Flaggen-Projekt zu unterstützen. Irgendwann dachte ich: Also gut, dann helfe ich diesem Künstler eben», sagt er heute.

Die Riesenfahne mit den Firmenlogos, die sieben Wochen lang im Rheinfallbecken schwamm, wäre ja auch gute Werbung für die Marke Künzli gewesen. Zumal das Sujet zusätzlich auch auf den Touristenbooten am Rheinfall prangte.

Zahlreiche Unternehmen und Organisationen unterstützten das Projekt. Die Uefa schrieb in einem Brief an Toniolo: «Der ikonische Rheinfall mit seiner beeindruckenden Umgebung ist ein Wahrzeichen der Schweiz, das in der ganzen Welt bekannt ist. Ihre Inszenierung wird dazu beitragen, dass dieses Symbol einen neuen Ort der Begegnung schafft.» Unzählige Menschen würden dort verweilen und «unvergessliche Erinnerungen in die Welt tragen».

Das Zerwürfnis

Kurz bevor die Fahne hätte gedruckt werden sollen, kam es zum Eklat. Künstler Toniolo erhielt ein Schreiben eines Delegierten der Europäischen Union: «Ich freue mich, Ihnen mitzuteilen, dass EU-Botschafter Petros Mavromichalis gerne ein Grusswort zu Ihrer Kunstaktion am Rheinfall beitragen wird.» Die EU bot Toniolo zudem an, «im Sinne einer ideellen Unterstützung» das Logo der EU-Delegation auf der Riesenfahne abzudrucken.

Der Künstler freute sich über den Support aus Brüssel und leitete die frohe Botschaft noch am selben Tag an Martullo weiter. Dem wiederum gefiel das überhaupt nicht. Er antwortete: «Das überrascht mich jetzt. Ich storniere somit meinen Auftrag umgehend.»

Recherche-Hinweise

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Am 25. Juni wurde die XXL-Fahne am Rheinfall eingeweiht. Mit dabei: 100 Fussball-Juniorinnen, Medien aus aller Welt und viele Zuschauerinnen und Zuschauer. Was fehlte: die roten Streifen des Künzli-Logos.

An diesem Punkt hätte die Posse enden können. Stattdessen ging sie erst richtig los.

Die Eskalation

Toniolo forderte Martullo auf, die 7500 Franken trotzdem zu bezahlen. «Abmachung ist Abmachung.» Am 9. Juli schrieb er in einem E-Mail an den Künzli-Chef: «Ich habe Sie nicht vergessen, vielleicht Sie mich ...?» Martullo tauchte ab.

Jetzt beschloss der Künstler, den Blocher-Schwiegersohn zu betreiben. Die entsprechenden Dokumente liegen Blick vor. Toniolo wirft Martullo «trumpistisches» Verhalten vor: «Mit seinem kurzfristigen und späten Rückzug verursachte mir Herr Martullo einen organisatorischen und finanziellen Schaden.»

Der Künzli-Chef fühlt sich vom Künstler getäuscht – und wehrt sich. Wie er gegenüber Blick angibt, wollte er von Toniolo wissen, wer neben dem Künzli-Logo sonst noch auf der Flagge präsent sein wird. Toniolo habe zwar Sponsoren aufgezählt, jedoch nie die EU erwähnt. «Als ich später dann erfahren habe, dass auch die EU-Fahne auf der Flagge abgebildet wird und der EU-Botschafter sogar ein Grusswort spricht, war die Sache für mich erledigt.» Er wolle das Künzli-Logo «ganz sicher nicht» auf einer Flagge haben, auf der auch die EU Werbung mache.

Mit der Einleitung der Betreibung eskaliert der Zoff zwischen den beiden nun gänzlich. Eine Versöhnung ist nicht in Sicht. «Ich fühle mich absolut nicht verpflichtet, ihm irgendwelches Geld zu zahlen», sagt Martullo. Der Schaffhauser Künstler seinerseits kündigt an, weiter um das Geld zu kämpfen. «Ich fühle mich geblochert.» Und die Martullo-Sneakers – die werde er nie wieder anziehen.

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