Jetzt geht es Schlag auf Schlag mit den kantonalen Verschärfungsmassnahmen – noch am Sonntag beschlossen Appenzell Ausserrhoden und Schwyz eine Maskenpflicht am Arbeitsplatz und Veranstaltungslimiten. Am Montag justierte das Tessin nach: Ab Dienstag gilt eine Maskenpflicht im Freien, wenn der Mindestabstand zu anderen Personen nicht eingehalten werden kann. Auch Solothurn strafft die Zügel massiv: So dürfen im öffentlichen Raum nicht mehr als fünf Personen zusammenstehen, an Privatfesten sind nur noch 15 Personen erlaubt und an öffentlichen Veranstaltungen 30.
Kein Wunder, denn die Corona-Fallzahlen bleiben hoch. Für Freitag bis Sonntag meldet das Bundesamt für Gesundheit 17'440 neue Ansteckungen sowie 259 Spitaleinweisungen und 37 Todesfälle. Angesichts der drastischen Entwicklung stösst Gesundheitsminister Alain Berset (48) mit seinen harten Vorschlägen bei den Kantonen auf offene Türen. In der Stossrichtung hat der SP-Magistrat dem Vernehmen nach eine Mehrheit hinter sich, so das Resultat der Konsultation. Doch in gewichtigen Bereichen muss er noch nachjustieren.
Maskenpflicht draussen umstritten
Am stärksten sorgt die Maskenpflicht im Freien für eine Kontroverse. Eine Generalklausel mit einer Maskenpflicht im öffentlichen Raum in Siedlungsgebieten geht den meisten Kantonen zu weit. Insbesondere jenen mit ländlichen Strukturen. Wenn, dann kommt die Maskenpflicht draussen nur eingeschränkt in Frage – etwa in Einkaufszonen oder auf Strassenmärkten. «Eine Maskenpflicht im Freien macht bei grossen Menschenansammlungen Sinn, aber nicht nachts alleine auf der Strasse», meint ein Regierungsrat. Sei sie nicht verhältnismässig, werde sie nicht akzeptiert. Im Tessin gilt ab Dienstag die Maskenpflicht draussen deshalb nur, wenn der Mindestabstand nicht eingehalten werden kann. Berset hat bereits reagiert und will die Maskenpflicht draussen enger fassen.
Verschiedene Kantone schlagen stattdessen eine Alternative vor: «Wir ziehen eine Reduktion der Personenanzahl bei Ansammlungen im öffentlichen Raum auf fünf Personen als wirksame Massnahme vor», sagt der Zuger Regierungsrat Martin Pfister (57, CVP) im Namen der Zentralschweizer Gesundheitsdirektoren. «Diese Vorgabe ist einfacher zu erklären als eine Maskenpflicht im Freien und kann auch besser kontrolliert und durchgesetzt werden.»
Gute Chancen hat die Ausdehnung der Maskenpflicht in Innenräumen. Etwa für Lehrpersonen an der Schule, was bereits viele Kantone angeordnet haben. Auch die Maskenpflicht am Arbeitsplatz stösst grundsätzlich auf Zustimmung. Die Zentralschweizer Gesundheitsdirektoren plädieren dafür, «falls der Abstand nicht eingehalten werden kann». Andere Kanton werfen ein, dass auch bauliche Massnahmen möglich sein sollen.
Veranstaltungs-Obergrenze gibt zu reden
Auch die Veranstaltungs-Obergrenze von 50 Personen an öffentlichen Anlässen gibt zu reden. Dem Vernehmen unterstützt eine Mehrheit zwar den Vorschlag. Einige Kantone möchten die Limite gar bei 30 ansetzen. Umgekehrt wollen verschiedene Kantone mehr föderalen Spielraum lassen – mit einer schweizweiten Obergrenze von 100 bis 300 Personen.
Einige möchten bei kulturellen und sportlichen Anlässen sogar 1000 Personen zulassen – immer mit entsprechenden Schutzkonzepten. Für Letzteres plädiert etwa Freiburg. Auch der Kanton Zürich will den Rahmen nicht zu eng gesetzt wissen. Und das Tessin stellt eine «proportionalere Zwischenlösung» zwischen der heutigen Regelung mit zwei Dritteln der Sitzplatzkapazität und der 50er-Grenze gibt.
Die 15-Personen-Limite bei privaten Festen sehen viele Kantone skeptisch: Der Blick durchs Stubenfenster wirft nämlich Fragen beim Vollzug auf. «Wie soll man das kontrollieren und sanktionieren?», fragt ein Regierungsrat. Eine Option sei, dass die Obergrenze nicht als Verpflichtung, sondern als Empfehlung ausgesprochen wird.
Sperrstunde auf 23 Uhr ansetzen
Für Gastro- und Clubbetriebe schlägt Berset eine Sperrstunde von 22 bis 6 Uhr vor. Hier besteht bei den Kantonen weitgehend Konsens: Die schweizweite Sperrstunde soll erst um 23 Uhr beginnen. Die Schliessung von Discotheken und Tanzlokalen stösst auf Zustimmung.
Auch die Rückkehr zum Fernunterricht an Universitäten und weiteren höheren Schulen stösst weitgehend auf Zustimmung. Der Kanton Tessin hingegen stellt sich dagegen: «Als Kanton sind wir gegen die Massnahme, den Präsenzunterricht im Tertiärbereich auszusetzen», sagt Regierungspräsident Norman Gobbi (43, Lega). Diese Schulen müssten zumindest einen «Hybridunterricht» anbieten können.
Grundsätzlich sind die Kanton froh, dass Primarschule und Sekundarstufe II im Präsenzunterricht bleiben – eine Rückkehr ins Homeschooling komme nur als «letzte Eskalationsstufe» in Frage.
Die neuen Regelungen im Sport- und Kulturbereich schliesslich werden mehrheitlich begrüsst. Insbesondere die Unterscheidung zwischen Amateur- und Profibereich im Sport. Klärung wünscht man sich aber, was bei Schwimmbädern gelten soll.
Abfederungsmassnahmen gefordert
Die Kantone belassen es aber nicht nur bei einer Rückmeldung zu den vorgeschlagenen Massnahmen, sondern werfen auch die Frage nach einem Ausbau der wirtschaftlichen Corona-Hilfsmassnahmen auf. Flankierende Massnahmen wie Entschädigungen oder Erwerbsersatz müssten ebenfalls diskutiert werden.
Und eine Forderung ist auch klar: Die Massnahmen müssten zeitlich beschränkt werden. Berset hat bis am Mittwoch also noch ein gutes Stück Arbeit vor sich. Die Massnahmen müssen auf breite Akzeptanz stossen, weiss auch der Gesundheitsminister. Denn «was wir jetzt vorbereiten, wird für sehr wahrscheinlich ziemlich lange dauern müssen», sagte er am Montag vor den Medien.
Wie viele Corona-Neuinfektionen gibt es in der Schweiz? Die täglichen Fallzahlen des BAG gibt es laufend im Statistik-Ticker auf BLICK.
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