Bürgerliche machen im Nationalrat nicht alles mit
Was der EU-Migrationspakt für die Schweiz bedeutet

Der neue EU-Migrationspakt hat auch Folgen für die Schweiz. Blick ordnet den Entscheid des Nationalrats ein – und zeigt, was sich im Schweizer Asylsystem ändern dürfte. Und wo die grosse Kammer nicht mitmachen will.
Publiziert: 19.06.2025 um 20:47 Uhr
|
Aktualisiert: 19.06.2025 um 21:23 Uhr
Teilen
Anhören
Kommentieren
1/5
Geflüchtete auf der Balkan-Route Richtung Europa. Mit dem Migrationspakt will die EU die irreguläre Migration eindämmen.
Foto: Getty Images

Darum gehts

  • EU-Migrationspakt betrifft Schweiz in Schengen-Bereichen, Nationalrat diskutiert Änderungen
  • Solidaritätsmechanismus für EU-Staaten, Schweiz nicht verpflichtet zur Teilnahme
  • Neue Regelungen: Gesichtsbild ab 6 Jahren in europäischer Asyl-Datenbank gespeichert
Die künstliche Intelligenz von Blick lernt noch und macht vielleicht Fehler.
RMS_Portrait_AUTOR_1050.JPG
Sophie ReinhardtRedaktorin Politik

Jahrelang hat die EU über ein neues, gerechteres und effizienteres Asylsystem gestritten. Unterdessen liegt der neue Migrations- und Asylpakt auf dem Tisch. Dieser betrifft auch die Schweiz in jenen Bereichen, welche die Schengen-Regeln angehen.

Am Donnerstag hat der Nationalrat den Migrationspakt in den Grundzügen beraten und mehrheitlich verabschiedet. Noch ist die Vorlage nicht in trockenen Tüchern. Das musst du dazu wissen.

Worum gehts beim EU-Migrationspakt?

Zwischen den EU-Staaten wird ein Solidaritätsmechanismus etabliert, um jene Staaten zu entlasten, die eine besonders starke Asylmigration verzeichnen. Für die Schweiz als Nichtmitgliedstaat der EU ist der Solidaritätsmechanismus nicht bindend.

Der Pakt umfasst ein ganzes Bündel an Massnahmen, die zum Ziel haben, die Aussengrenzen der EU besser zu schützen und die irreguläre Migration einzudämmen.

Neu soll ein Teil der Asylverfahren direkt an den Aussengrenzen durchgeführt werden. Unter anderem bei Personen, die kaum Aussicht auf Asyl haben. Das Verfahren soll maximal zwölf Wochen dauern, währenddessen sollen die Migranten in Zentren an der Grenze untergebracht werden. Ausserdem sollen die Asylsuchenden solidarischer auf die EU-Mitgliedsstaaten verteilt werden.

Trotz Solidaritätsmechanismus muss kein EU-Mitgliedstaat Asylsuchende aufnehmen. Möglich ist stattdessen, sich finanziell an den Kosten des Asylsystems zu beteiligen – und sich so freikaufen. 

Wie betrifft der Migrationspakt die Schweiz?

Der Pakt sei ein «historischer Meilenstein für die EU», sagte Justizminister Beat Jans (60, SP) bereits letztes Jahr. Werde er gut umgesetzt, profitiere davon auch die Schweiz. Der Asylpakt sei ein Bündel von Regelungen, mit dem Ziel, ein effizienteres, gerechteres, krisenresistentes Migrations- und Asylsystem zu schaffen, bekräftigte Jans nun. 

Die Schweiz war bei der Erarbeitung des Pakts dabei, denn auch sie hat ein Interesse an einem besser funktionierenden Asylwesen in Europa. Als Teil des Schengen-Raums und als Dublin-Mitgliedsstaat ist die Schweiz zudem verpflichtet, einige neue Regelungen zu übernehmen. Während das Schengen-Abkommen den freien Personenverkehr innerhalb Europas regelt, legt die Dublin-Verordnung fest, welcher Staat für die Durchführung eines Asylverfahrens zuständig ist. Das neue Grenzverfahren muss und will die Schweiz hingegen nicht umsetzen.

Ob sich die Schweiz in Krisensituationen an Solidaritätsmassnahmen beteiligt und freiwillig Flüchtlinge zum Beispiel aus Italien oder Griechenland übernimmt, will der Bundesrat weiterhin von Fall zu Fall entscheiden. Eine Mehrheit des Nationalrates stellte sich am Donnerstag mit 84 zu 81 Stimmen gegen diesen Teil der Massnahmen. Der Entwurf scheiterte an den 20 Stimmenthaltungen der FDP. Die SVP stellte sich grundsätzlich dagegen. FDP-Vertreter Christian Wasserfallen (43) sagte, hier sei die Beteiligung der Schweiz nicht zwingend. 

Was ändert sich konkret für die Schweiz?

Es sind kleinere, vielfach sehr technische Änderungen, die die Schweiz betreffen. Künftig wird zum Beispiel noch klarer geregelt, welches Land für die Bearbeitung eines Asylgesuchs zuständig ist. Es gelten kürzere Fristen bei der Überstellung eines Asylsuchenden in einen anderen Staat, der fürs Asylgesuch zuständig ist.

Eine weitere Änderung: Befragungen von Asylsuchenden im Dublin-Verfahren dürfen neu aufgezeichnet werden. Und von allen Personen über sechs Jahren – bisher lag die Grenze bei 14 Jahren – wird neben den Fingerabdrücken neu auch das Gesichtsbild in der europäischen Asyl-Datenbank gespeichert. Der Bundesrat befürwortet diese Änderungen.

Wie geht es nun weiter?

Der EU-Migrations- und -Asylpakt soll im Juni 2026 in Kraft treten. Die Änderungen, die die Schweizer angehen, müssen auch noch im Ständerat beschlossen werden. Der Bundesrat wird zudem bald die Vernehmlassung starten. Kantone, Verbände und andere interessierte Kreise können Stellung zu den geplanten Änderungen beziehen. Zusätzlich könnte auch das Referendum ergriffen werden. Ob das etwa SVP oder Grüne tun, ist noch nicht definitiv. 

Wie waren die Reaktionen im Parlament?

Es gab eine unheilige Allianz, die aber keine Mehrheit im Parlament fand: Aus Sicht der SVP handelt es sich beim Migrationspakt um nichts anderes als eine «undurchdachte Bastelarbeit». Die Kosten für die Teilnahme an Schengen/Dublin beliefen sich für die Schweiz inzwischen auf Hunderte Millionen Franken. Auch die Grünen sprachen sich gegen den Pakt aus – allerdings, weil sie die verschärfte Asylpolitik kritisierten.

Teilen
Fehler gefunden? Jetzt melden
Was sagst du dazu?