Darum gehts
- Medizintourismus aus Georgien nimmt ab, bleibt aber aktuelles Thema
- Studie schlägt Rückkehrprogramme und Verbesserungen im georgischen Gesundheitssystem vor
- 2025 wurden bislang 84 Menschen aus Georgien ausgeschafft, 128 reisten freiwillig aus
Eine schwer kranke Frau aus Georgien fliegt in die Schweiz, beantragt Asyl. Während das Asylverfahren läuft, lässt sie sich in hiesigen Spitälern behandeln – auf Kosten des Schweizer Steuerzahlers: Dutzende solcher Fälle sind in den letzten Jahren bekannt geworden.
Dies hat den Bund veranlasst, zusammen mit Österreich eine Studie bei der Internationalen Organisation für Migration (IOM) in Auftrag zu geben. Nun liegen die Ergebnisse vor. SonntagsBlick konnte sie einsehen – gestützt auf das Öffentlichkeitsgesetz.
Die Schweiz lässt sich ausnutzen
Gemäss der IOM-Studie hat der Medizintourismus 2023 und 2024 abgenommen. Dennoch bleibt das Thema für die Schweiz aktuell, denn Georgiens Gesundheitssystem ist deutlich geringer entwickelt. Zwar stuft das Staatssekretariat für Migration (SEM) nach wie vor georgische Asylanträge häufig als unbegründet ein, doch die medizinischen Probleme vieler Betroffenen machen die Situation schwierig: Einerseits möchte die Schweiz humanitäre Grundsätze wahren und Asylsuchenden Gesundheitsleistungen anbieten, andererseits nicht tatenlos zuzusehen, wie das Asylsystem für medizinische Zwecke ausgenutzt wird.
Die Studie schlägt gezielte Programme für die Rückkehr und Reintegration der vermutlich aus medizinischen Gründen aus Georgien Geflüchteten vor: Der Bund soll deren freiwillige Aus- und Rückreise durch medizinische Begleitmassnahmen fördern. Wenn ihre gesundheitliche Betreuung im Heimatland gewährleistet sei, könnten Asylsuchende eher motiviert sein, in ihr Heimatland zurückzukehren, schreiben die Autoren.
Versorgungslücken in Georgien
Auch mit den Ursachen des Medizintourismus setzt sich die Studie auseinander. Ein Hauptgrund seien Versorgungslücken in Georgien – etwa bei spezialisierten Behandlungen und bestimmten Medikamenten. Deshalb fordert die Studie, die Leistungen der Krankenversicherung zu erweitern, besondere hohe Zuzahlungen aber zu reduzieren.
Die Autoren schlagen einen Ausbau von spezialisierten Behandlungszentren mit moderner Ausstattung in Georgien vor. Gezielte Fortbildungen sollen dazu führen, die Behandlungsqualität und das Vertrauen der dortigen Bevölkerung zu erhöhen.
Georgien braucht eine Imagekampagne
Zudem empfiehlt die Studie dem georgischen Gesundheitssystem eine Imagekampagne: Viele Menschen dort fühlten sich wegen fehlender Informationen gezwungen, das Land in der Kaukasusregion zu verlassen – obwohl Georgien in manchen Bereichen eine gute medizinische Leistung biete. Aufklärung über die konkrete Lage des georgischen Gesundheitssystems sowie die bessere Kommunikation zwischen Ärzten und Patienten könnten die Situation verbessern.
Nicht zuletzt schlägt die Studie eine nationale Strategie für chronisch Leidende vor. In Fällen von Krebs, aber auch von seltenen Krankheiten leide Georgien unter mangelnder Versorgung. Darauf müsse das dortige Gesundheitssystem Antworten finden – etwa mithilfe von Telemedizin. Ärzte aus Europa könnten mit Diagnosen und Therapieratschlägen aus der Ferne helfen, Studienreisen, Austauschprogramme, gemeinsame Projekte, Mentoring und Coaching die medizinische Situation in Georgien verbessern.
Pharmalobby verhindert günstige Medikamente
Die Autoren der Studie gehen mit der Pharmabranche hart ins Gericht: Einige Unternehmen erschwerten den Zugang zu günstigen und qualitativ hochwertigen Medikamenten. Deshalb seien Massnahmen zur Marktöffnung und für eine Kontrolle der Arzneimittelpreise notwendig.
Das Staatssekretariat für Migration begrüsst diese Empfehlungen. Sie «benennen sowohl die Mängel des georgischen Gesundheitssystems als auch die Herausforderungen, welche mit den Asylgesuchen aus medizinischen Gründen für die Aufnahmeländer verbunden sind», wie das SEM SonntagsBlick mitteilt.
Weiter schreibt das Staatssekretariat: «Wir hatten im Rahmen des Studiendesigns empfohlen, konkrete kurz- oder mittelfristig umsetzbare Massnahmen zu definieren. Wir betonten, wie wichtig es ist, auch auf die Wahrnehmung der georgischen Bürger hinsichtlich ihres Gesundheitssystems einzuwirken.»
Asylanträge aus Georgien gehen zurück
2023 wurden 104 Menschen ausgeschafft, die aus Georgien in die Schweiz gekommen waren; 2024 waren es 94 und 2025 bislang 84. Es gibt jedoch auch freiwillige Ausreisen – 2025 haben nach gegenwärtigem Stand 128 Georgier die Schweiz verlassen.
In Sachen Medizintourismus wurde im Übrigen auch das Aussendepartement (EDA) aktiv. Die Schweizer Botschafterin in Georgien, Heidi Grau (59), hat bei der Regierung in Tiflis interveniert. Das EDA teilt mit: «Nachdem Botschafterin Grau im Oktober 2024 vorstellig wurde, konnte in den offenen Fällen ein konstruktiver Informationsaustausch mit dem lokalen Gesundheitsministerium etabliert werden. Die Asylanträge aus Georgien gingen im Jahr 2025 deutlich zurück.»