Darum gehts
- Max Lässer: Vom Hippie zum Volksmusiker
- Gitarrist entwickelte eigenen Klang und spielt nun auch Schwyzerörgeli
- 75-jähriger Musiker besitzt rund 50 Gitarren und will die meisten verschenken
Gitarren in allen Grössen und Formen stehen spielbereit auf Ständern, Dutzende weitere liegen aufeinandergestapelt in ihren Koffern. An der Wand hängen die Covers aller Alben, die der Gitarrist Max Lässer (75) bereits veröffentlicht hat. «Ich bin jeden Tag hier, da ist es mir wohl», sagt er in seinem 140 Quadratmeter grossen Studio, das in der Altstadt von Baden AG direkt an der Limmat liegt. Hier kann er Tag und Nacht musizieren, ohne jemanden zu stören. Trotzdem fragt er sich, wie lange er das Studio noch mieten soll. Ende September ist der Wahl-Aargauer 75 Jahre alt geworden. Langsam denkt er ans Abbauen: Lässer wohnt schräg vis-à-vis in Ennetbaden AG. Wird aus dem Werweissen irgendwann Realität, wird er einen Teil seiner Sachen in den dortigen Musikraum zügeln. «Der Rest muss dann weg.» Die meisten seiner rund 50 Gitarren will er an andere Musiker verschenken, er spiele höchstens noch auf zehn davon.
Vom Hippie zum Volksmusiker
«Meine Karriere habe ich hinter mir, nicht vor mir, und ich will nur noch das machen, was ich gerne tue», sagt Lässer. Hinter ihm liegt so einiges. Aufgewachsen ist er am Zürcher Kreuzplatz. Zwar machte er eine Banklehre, aber das Leben bot Verlockenderes: Als junger Hippie tauchte er ins Zürcher Nachtleben ein. Im Niederdorf waren täglich aufstrebende Bands zu hören. «Wir schauten uns ab, wie die spielten, denn lernen konnte man das damals noch nirgendwo», erinnert er sich.
Zusammen mit Musiker Hardy Hepp (81) lebte er erst in Zürich und später im Hinterthurgau in einer Wohngemeinschaft. Hier verkehrten zahlreiche andere Künstlerinnen und Künstler wie Dodo Hug (75), Pepe Lienhard (79), Corin Curschellas (69) oder Lässers langjähriger Freund und Weggefährte Walter Lietha (75). Lässer spielte in diversen Bands und tourte in den 1980er-Jahren mit Andreas Vollenweider (72) durch die USA und Europa. Später arbeitete er mit Stephan Eicher (65), Büne Huber (63) oder Gotthard und dem österreichischen Alpenrocker Hubert von Goisern (72).
Lässer wollte aber mehr sein als bloss «der Gitarrist von...».
1974 erschien sein erstes Solo-Album. «Earthwalk» von 1987 wurde 50 000-mal gekauft und schaffte es in die US-Billboard-Charts. Lässer wähnte sich kurz vor dem Durchbruch, doch um eine Tour durch Amerika zu organisieren, fehlte das Geld. Nach einer Südafrika-Phase zog es ihn zurück zu den Wurzeln: Schon in jungen Jahren hatte er alte Schweizer Tänze auf bisher nie gehörte Art eingespielt, mit dem Projekt «Überland» knüpfte er ab den 2000er-Jahren dort wieder an. Gemeinsam mit dem Schwyzerörgeler Markus Flückiger (56) widmet er sich seither mal als Duo und mal mit weiteren Musikerinnen und Musikern der Neuen Volksmusik.
Ab Mitte November touren Lässer und Flückiger als Überland Duo durch die Schweiz. «Markus ist ein Freund geworden, auch wenn wir uns gar nicht so oft sehen», sagt er. Flückigers virtuoses und improvisierendes Örgeli-Spiel habe ihn «angefixt»: Seit drei Jahren übt er deswegen bis zu fünf Stunden pro Tag auf dem Schwyzerörgeli – eine Kostprobe wird im neuen Programm zu hören sein. «Die Gitarre bedeutet für mich immer Arbeit. Auf ihr gibt es für mich vermutlich nicht mehr allzu viel zu entdecken», sagt Lässer, der sehr lange darauf hingearbeitet hat, einen eigenen, unverwechselbaren Gitarrenklang zu entwickeln. «Das Örgeli aber ist reines Vergnügen.»
Dieser Artikel wurde erstmals in der «GlücksPost» veröffentlicht. Mehr aus der Welt der Schweizer Prominenz, Royals und Sportstars erfährst du immer donnerstags in unserem Heft: zum Abo!
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Fast ausgewandert
Mit seiner Gesundheit ist Lässer zufrieden. Dass er heuer eine Hüfte machen lassen musste, sei in seinem Alter normal und dem jahrelangen Tennisspielen und Golfen geschuldet. «Ich merke aber, dass ich dünnhäutiger geworden bin.» Vermeintlich harmlose Sachen lösten manchmal Stress aus. Deshalb achte er stärker auf seine Bedürfnisse, sage eher Nein und engagiere seit fünf Jahren bei Soloauftritten stets einen Roadie, der das Fahren und Gitarren-Schleppen übernehme.
Glücklich ist er, dass er so gut Gitarre spielen kann wie eh und je. Das ist nicht selbstverständlich. Mit Mitte 40 spürte er plötzlich starke Schmerzen beim Spielen: Gicht – es drohte das Karriereende. Ein Homöopath riet ihm, den Kaffeekonsum drastisch zu reduzieren und viel Wasser zu trinken. «Bald verschwanden die Schmerzen und kehrten glücklicherweise nicht mehr zurück.»
Grosser Amerika-Fan
Etwa zur selben Zeit erweiterte er seinen Horizont als Anhänger eines indianischen Schamanen. «Die indianische Weltsicht sprach mich viel mehr an als die christliche Religion», sagt er. In Nordkalifornien hatte der Schamane eine Künstler-Kommune aufgebaut. «Als Amerika-Fan war ich oft da und dachte sogar daran, dort zu bleiben.» Doch letztlich war Lässer dafür zu pragmatisch, und die Gemeinschaft sei ihm zu sektiererisch geworden.
Er baute sich sein Leben in der Schweiz auf. Mit seiner damaligen Frau lebte er in Stäfa ZH. Als die Ehe zerbrach, empfahlen ihm Freunde, nach Baden zu ziehen. Unterdessen lebt er seit bald 15 Jahren mit seiner Partnerin Renate Bonetti (61) zusammen. Sie arbeitet als Beraterin bei der Sterbehilfeorganisation Exit und wird von Lässer jeden Abend bekocht.
«Leben und leben lassen», beschreibt der Musiker die gemeinsame Beziehung. Während er kinderlos geblieben ist, ist Bonetti Mutter von zwei Söhnen und Grosi von drei Enkeln. «Mal bin ich am Familienfest dabei, mal nicht. Wir stellen keine Ansprüche aneinander, denn Renate und ich haben beide im Leben das erreicht, was wir wollten.»
Paar-Ferien im Südtirol
Einzig auf gemeinsame Ferien pocht Renate Bonetti gelegentlich. Diesen Herbst weilte das Paar im Südtirol. Wandern sei nicht so seins, meint Lässer, und aufs Golfen musste er wegen der Hüft-OP noch verzichten. So stand vor allem Wellness auf dem Programm. Getreu seinem heutigen Motto: «Ich will nur noch das machen, was ich gerne tue.»