Darum gehts
- Patti Smith trat 1976 in Zürich auf, ein Buch dokumentiert das Konzert
- Tränengas-Anschlag unterbrach das Konzert, Ursache bis heute mysteriös
- 168-seitiger Bildband mit vielen unveröffentlichten Fotos erscheint
Mitte der 1970er-Jahre entsteht Punk als Musikstil und Jugendbewegung, die sich gegen das Establishment und die Kommerzialisierung der Popkultur richtet. Epizentrum ist London, doch 1976 erreicht der Punk mit US-Sängerin Patti Smith (78) auch die Schweiz. Am 12. Oktober 1976 tritt sie in der Roten Fabrik in Zürich auf. Es ist der erste Auftritt der ikonischen Sängerin und Frauenrechtlerin in unserem Land. Veranstalterin ist die Agentur Good News.
Das Konzert geht in die Geschichte ein, weil es aufgrund eines bis heute ungeklärten Tränengas-Anschlags unterbrochen werden muss. Ob die Täter aus linksautonomen Kreisen stammen, bleibt Spekulation. Der Zwischenfall ist auf der Tonspur einer nicht autorisierten Aufnahme jenes Abends verewigt. Pünktlich zum aktuellen Zürcher Konzert von Smith vom Dienstag, 22. Juli, im X-Tra stellt Grafiker und Herausgeber Dominik Bachmann (40) den Bildband «Patti Smith Group, Live in Zürich, Oktober 1976» vor. Das wiederaufgetauchte Tape half Bachmann bei der Rekonstruktion des Abends.
Auch die Stadtpräsidentin ist Fan von Patti Smith
Sein Buch zeigt bislang unveröffentlichte Fotos von Smith von François Bitzi, Roland Stucky (82) und seines Onkels Eric Bachmann (1940–2019) und macht erstmals das ganze Interview zugänglich, das Smith dem Schweizer Fernsehen vor dem Konzert im Hotel Engematthof gab. Von dieser Unterhaltung werden damals nur einige Minuten ausgestrahlt.
«Wie schon bei früheren Projekten ‹Muhammad Ali, Zürich, 26.12.1971›, ‹Casa Verdi› oder ‹The One-Man Water Cannon Test› waren es die Fotos meines Onkels, die den ersten Funken auslösten», sagt Bachmann gegenüber Blick. «Doch bald gingen von den Bildern neue Impulse aus. Personen erinnerten sich an das Konzert, erzählten ihre Geschichten, neue Perspektiven, und Fragen kamen auf.»
Als besondere Knacknuss erwies sich die Übersetzung des Interviews. «Zwei mir bekannte Übersetzerinnen hatten es zunächst versucht, doch manche Begriffe und Namen blieben unverständlich. Erst Brigitte Jakobeit aus Hamburg, die bereits mehrere Bücher von Patti Smith übersetzt hat, konnte den Text gemeinsam mit einem Kollegen abschliessen», so Bachmann.
Das Grusswort des Buchs stammt von Stadtpräsidentin Corine Mauch (65), die darin ihre Affinität zu Patti Smith thematisiert. Das aktuelle Konzert ist bereits seit langem ausverkauft, die Buchvernissage im Musikcafé des X-Tra beginnt um 17 Uhr.
Ein Jahr nach dem Zürich-Auftritt hinterlässt Patti Smith noch einmal wichtige Kulturspuren in der Schweiz. In einer Kölner Galerie veranstaltet sie am 10. November 1977 eine Poetry-Performance anlässlich des Todestags des französischen Dichters Arthur Rimbaud (1854–1891). Unter den Gästen ist auch der weltbekannte Berner Fotorealist Franz Gertsch (1930–2022), der Smith dort fotografiert und die Bilder als Vorlage für mehrere Werke nutzt, die sich nun in der Sammlung des Museums Franz Gertsch in Burgdorf BE befinden.