Darum gehts
- Steiner & Madlaina: Schweizer Duo feiert 10-jähriges Jubiläum mit neuem Album
- Kritische Texte über Schweizer Alltag, Frauenrechte und Politik in ihrer Musik
- Über 100'000 monatliche Spotify-Hörer, zwei Drittel davon aus Deutschland
Treppe runter in die Zivilschutzanlage, vorbei an einer grossen unbenutzten Industrieküche für den Notfall und noch eine Treppe runter. Hier in Zürich-Wipkingen entsteht drei Etagen unter dem Tageslicht die Musik von Steiner & Madlaina.
Seit zehn Jahren spielen Nora Steiner (31) und Madlaina Pollina (29) auf kleineren und grösseren Bühnen – meist im Ausland. Ihre Musik ist in Deutschland bekannter als hierzulande. Wenn sie spielen, dreht sichs um den «natürlich tüüre» Schweizer Alltag, das «reiche» und «schöne Leben …», die «Mama Liebe» und die pünktlichen Züge beim «Engel am Hauptbahnhof». Nett verpackte Kritik am Schweizer Leben aus Sicht von zwei jungen Frauen.
Zum Band-Jubiläum erschien diese Woche das vierte Album der beiden Gymi-Kolleginnen. In «Nah dran» rechnen und schliessen sie mit ihren Zwanzigern ab. Dem Weg durch die Selbstfindung, Glück und Wohlstand. Dem Weg durch eine Pandemie, dem Kampf für Frauenrechte und einer Politik mit mehr Trump als ohne.
Steiner & Madlaina ist musikalische Gesellschaftskritik ohne Mainstream-Verpackung. Aber Charts-Jägerinnen sind sie nicht. Woran liegts?
Ausland finanziert das Musikerinnen-Leben
Mit zwei Piadine in der Hand, dem italienischen Pendant eines Sandwiches, stehen Nora Steiner und Madlaina Pollina auf den ausgerollten Teppichen im Bandraum. Zwei, drei Bissen gönnen sie sich als Zmittag, dann Fotoshooting: Sie schlängeln sich durch den Bandraum, eine sitzt ans Piano, eine spielt ohne Verstärker an der Gitarre.
Es ist eine Gratwanderung zwischen Instrumenten, Kisten und Kabeln. Wenige Tage vor dem Album-Release und Tour-Start proben Steiner und Pollina mit ihrer Band für die Shows in Zürich, Bern, Dresden, München, Berlin, Hamburg und Köln.
Beim Streaminganbieter Spotify zählen sie über 100’000 monatliche Hörende. Das sind mehr als bei Baschi, Dodo oder Pegasus. Aber: Rund zwei Drittel ihrer Hörerinnen und Hörer lebten in Deutschland, sagen sie. Der Rest komme zu einem grossen Teil aus der Schweiz. Madlaina Pollina sagt: «Wer in der Schweiz nicht so bekannt ist, braucht das Ausland, um von der Musik leben zu können, und das wollen und tun wir.»
Nach der ersten EP 2015 erschien 2018 ihr erstes Album. «Das schlug in Deutschland grosse Wellen», erinnert sich Steiner. Es folgten TV-Auftritte, Tourneen und Festivals – auch an den grössten Schweizer Open Airs auf dem Gurten, in St. Gallen, Gampel oder Zürich. Und dennoch: «Wir leben in einem anderen Musik-Kosmos», sagt Pollina.
Sie erzählt von einem Auftritt beim Schweizer Fernsehen vor Jahren. Alle anderen Schweizer Musikerinnen und Musiker kannten sich, nur Steiner und Pollina standen abseits. Bis Sina (59) und Michael von der Heide (54) sich den beiden annahmen. «Das war wirklich herzig», erinnert sich Steiner. «Aber leider sehen wir den Schweizer Musikkuchen nicht so oft. Wir stecken in einer anderen Ecke.» Sie meint: Indie. Das heisst: Musik von unabhängigen Labels. Das lässt sie nicht kalt.
«Die Szene ist klein, herzig und sehr sweet zueinander», schwärmen sie. Doch ihre Freunde und Spielwiese liegen beim nördlichen Nachbarn im Garten. Was auch seine Vorteile habe.
Privatleben ist tabu
Mit ihrer Musik spielen sie ein Potpourri aus Pop, Indie, Rock und teils Schlager. Das Resultat: hitparadenfähige Lieder, ohne dass sie die Charts wirklich im Sturm erobern. Textsicher sind sie allemal. Witz, Schalk, Tiefgang, Emotionen inklusive. Und oft komplexer, als wenn eine «Charlotta» oder «Angelina» über «079» singt.
Ihre Texte sind politisch aufgeladen, aber süffisant. Die Weltlage beschäftigt sie zu sehr, um nur über das schöne Leben, ein bisschen Frieden oder die wahre Liebe im Paradies zu singen. Sie sprechen über Angst auf dem Heimweg und stellen monetären Reichtum infrage.
Interviews geben sie selten. Sie lassen lieber ihre Musik sprechen. Ihr Beziehungsstatus? Kein Thema. Ihre Familien? Kein Thema. Pollina möchte nicht über Familienmitglieder befragt werden, hiess es vom Management. Das liegt auch daran, dass Madlaina Pollina die Tochter von Italo-Musiker Pippo Pollina (62) ist und ihr Bruder Julian (32) unter dem Namen Faber Musik macht.
Ihnen ist ihr eigenes Schaffen wichtiger, Vergleiche zur Familie unerwünscht. Die beiden wollen nicht als «Steiner & Tochter von …» erkannt werden, sondern als Steiner & Madlaina.
«Es fühlt sich nicht richtig an»
Sie gehen ihren eigenen Weg. Das moderne Künstlerinnenleben lassen sie sein. Die Personifizierung lassen sie sein. «Ein Video von mir beim Schminken? Das wäre schräg!», findet Steiner. Social Media «nervt» sie. «Es fühlt sich nicht richtig an, wenn wir alles runterkürzen. Die Realität ist komplexer und braucht mehr Raum.» In ihrem Fall: 45 Minuten als CD, Schallplatte, im Konzertsaal oder (widerwillig) als Stream.
Pollina und Steiner verdrehen die Augen. «Spotify ist das Hinterletzte», meint Pollina. Seit bekannt ist, dass Spotify-Chef Daniel Ek Trumps-Kampagne mitfinanzierte oder neuerdings auch in die Rüstungsindustrie investiert, würden Steiner und Pollina am liebsten beim Musikstreaming-Anbieter aussteigen. Aber leisten können sie sich diesen Schritt nicht.
«Wir erzielen Reichweite damit, aber das Geld müssen wir sonstwo verdienen. Das ist gruselig und eklig», sagt Steiner mit einem roten Glarner-Tüechli um den Hals. Bloss ein «kleines Sackgeld» vom schwedischen Konzern lande in ihrer Tasche. «Von 100’000 Leuten, die unsere Musik hören, sind 10’000 Steiner-&-Madlaina-Ultras – das heisst Spotify kassiert sicher je 16 Franken Abogebühr auch wegen uns.»
Sie schlägt ein Band-Abo-System vor: «Was, wenn unsere Ultra-Fans jeden Monat 1 Franken direkt oder indirekt an uns bezahlen? Das wäre legendär!»
Voller Hoffnungseuphorie packt Madlaina Pollina ein kleines Sackmesser aus ihrer Tasche. «Sorry, ich muss weitersnacken, hab Hunger», lacht sie und schwärmt von ihrem kleinen scharfen Alltagsbegleiter. Sie halbiert die zweite Piadina vom Italiener beim Limmatplatz. Nora sagt: «Ich bin positiv, will nicht nur auf den Putz hauen. In Krisenzeiten läuft die Kunst zu Hochform auf.»
Dass nicht nur in ihrer Kasse weniger Geld liege, sondern in vielen andern auch, fordere neue Ideen und lasse Neues entstehen; tief unten im Keller. Sie leben im Mainstream des Lebens, singen darüber, aber nicht dafür.
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