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Der Dokfilm «I Love You, I Leave You» begleitet Musiker Dino Brandão durch die Manie
«Menschen, die man nicht versteht, sind nicht einfach irre»

Dino Brandão (34) ist sich sicher, dass er gleich Obama trifft – der Musiker hat eine manische Episode. «I Love You, I Leave You» ist der beste Schweizer Dokfilm seit langem. Ein Gespräch über Psychose, Freundschaft und Lösungen.
Publiziert: 00:00 Uhr
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Der Schweizer Dokfilm «I Love You, I Leave You» erzählt die Geschichte des Musikers Dino Brandão – und seiner Krankheit.
Foto: Outside the Box

Darum gehts

  • Dino Brandão spricht über seinen Film und Erfahrungen mit einer Psychose
  • Offenheit über psychische Erkrankungen kann befreiend und hilfreich sein
  • Brandão wünscht sich bessere Bezahlung für Psychiatrie-Personal und weniger Medikamentenverbrauch
Die künstliche Intelligenz von Blick lernt noch und macht vielleicht Fehler.
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Laszlo SchneiderTeamlead People-Desk

Ich muss gestehen, dass ich vor diesem Gespräch grossen Respekt hatte. Wie Sie in filmischer Öffentlichkeit mit dem Stigma umgehen, das Menschen mit psychischen Erkrankungen anhaftet, ist zutiefst beeindruckend – und aufwühlend.
Dino Brandão:
Für mich war es immer sehr befreiend, persönliche Dinge öffentlich zu machen – in meinem letzten Album war es beispielsweise meine MS-Diagnose. Was meine Krankheit angeht, war es tatsächlich das Stigma, das den Ausschlag gegeben hat. Psychisch kranke Menschen sind ganz weit unten in der Hackordnung. Ich habe schon in der Klinik gemerkt: Es hilft, wenn man sich mit Menschen verbrüdert, die ähnliche Schicksale haben.

Hilft man sich gegenseitig?
Gerade in einer akut-psychotischen Phase ist Kommunikation oft gar nicht möglich – beispielsweise, wenn bei einem Patienten gerade die Medikation eingestellt wird. Wenn aber zwei Maniker aufeinandertreffen, gibts ein Feuerwerk! (Lacht.) Im Ernst: Es gibt auch lustige Momente in der Psychiatrie – aber halt auch sehr dramatische. Klar ist: Je mehr man darüber spricht, desto besser.

«I Love You, I Leave You» ist schonungslos. Ihr bester Freund, der Regisseur Moris Freiburghaus (36) hat inmitten Ihrer manischen Episode mit der Kamera draufgehalten. Gab es im Nachhinein Momente, in denen Sie dachten: «Das geht zu weit»?
Nein. Aber Moris hatte viele Zweifel. Er hat schon während der Dreharbeiten immer wieder nachgefragt, ob ich das wirklich will. Bis jetzt lassen wir uns offen, den Film zurückzuziehen, wenns irgendwann nicht mehr für uns passen würde. Man kann ihn auf verschiedene Arten verstehen – auch missverstehen.

Darum gehts in «I Love You, I Leave You»

Dino Brandão reist in «I Love You, I Leave You» in das Heimatland seines Vaters – und gerät auf dieser Suche nach Herkunft und Identität in eine manische Episode. Sein bester Freund, Filmemacher Moris Freiburghaus, begleitet ihn mit der Kamera – zwischen Nähe und Überforderung, Vertrauen und Zweifel. «I Love You, I Leave You» ist ein schonungslos ehrlicher, poetischer Dokumentarfilm über Freundschaft, psychische Krankheit und den Mut, sich selbst nicht zu verlieren. Der Film war bereits Preisträger am Zurich Film Festival (ZFF) und läuft ab dem 6. November in den Kinos.

Outside the Box

Dino Brandão reist in «I Love You, I Leave You» in das Heimatland seines Vaters – und gerät auf dieser Suche nach Herkunft und Identität in eine manische Episode. Sein bester Freund, Filmemacher Moris Freiburghaus, begleitet ihn mit der Kamera – zwischen Nähe und Überforderung, Vertrauen und Zweifel. «I Love You, I Leave You» ist ein schonungslos ehrlicher, poetischer Dokumentarfilm über Freundschaft, psychische Krankheit und den Mut, sich selbst nicht zu verlieren. Der Film war bereits Preisträger am Zurich Film Festival (ZFF) und läuft ab dem 6. November in den Kinos.

Wie würden Sie denn reagieren, wenn sich jemand durch «I Love You, I Leave You» provoziert fühlt – oder er etwas triggert, ein Trauma auslöst?
Ich würde versuchen, zu verstehen, wieso. Bisher wurde die Offenheit, die wir an den Tag gelegt haben, stets erwidert. 

Regisseur Moris Freiburghaus ist wie Sie gleichermassen Protagonist des Films. Und – wie Sie selbst sagen – Ihr bester Freund. Hat sich etwas zwischen Ihnen verändert?
Nein, sehr wenig. Wir haben uns beim Skaten kennengelernt und uns dabei immer gegenseitig gefilmt. Die Kamera war insofern immer schon dabei. Klar sind Skater- und Dokumentarfilme zwei grundlegend verschiedene Paar Schuhe. In beiden Fällen kommt man an die Grenzen seiner Physis. Und man zeigt Blösse; immerhin filmt man sich beim Skaten dabei, wie man 30 Mal auf die Schnauze fliegt (lacht).

Man könnte behaupten, dass Sie sich im Film auch blossstellen – mögen Sie beschreiben, wie sich die Psychose bei Ihnen geäussert hat?
Während der Psychose ist man sich meistens gar nicht bewusst, dass man krank ist. Man hat eigentlich eine Art Wahrnehmungsstörung – und selten das Gefühl, dass man etwas falsch gemacht hat. Oder im Unrecht ist. Was ich Ihnen sagen kann: Als ich aus der Psychose raus war, hatte ich nicht mehr das Gefühl, Luzifer zu sein. Ich war dann auch nicht mehr der beste Rapper der Schweiz, der unbedingt nach L. A. muss, weil Kendrick Lamar (einer der erfolgreichsten US-Rapper, Anm. d. Red.) auf mich wartet.

Aber ...?
Es gab die Momente, in denen ich dachte: «Was solls – ich hab noch 1500 Franken auf dem Konto. Damit kaufe ich mir einen Flug, bezahle die ersten zwei Nächte im Hotel, und mit meiner Ausstrahlung wird sich der Rest ergeben.»

Das klingt für Aussenstehende unrealistisch, ja.
Wer weiss, was passiert wäre, wenn ich es durchgezogen hätte! (Lacht.) Aber im Ernst: In diesen Momenten gelingen dir viele Sachen, man ist offen und geht auf Leute zu. 

Man ist also eine Art Verkäufer?
Ja, durchaus. Vieles entsteht in so einem manischen «Spark», einer Art Erleuchtung. Man bringt die Projekte aber selten zu Ende. Ich habe Ausstellungen angerissen, ein Theater und ein Buch angefangen zu schreiben. Dieser Film ist das Einzige, was aus der Manie heraus zur Realität wurde. Und das ist megawild. 

Persönlich: Dino Brandão

Dino Brandão (34) ist ein bekannter Schweizer Gitarrist und Sänger. Grössere Bekanntheit erlangte er mit seiner Band Frank Powers, seit 2020 ist er auch als Solokünstler erfolgreich. Einem noch grösseren Publikum ist er seit dem Album «Ich liebe dich» ein Begriff, das er gemeinsam mit dem Zürcher Sänger Faber (32) und Sängerin sowie Schriftstellerin Sophie Hunger (42) veröffentlichte.

AFP

Dino Brandão (34) ist ein bekannter Schweizer Gitarrist und Sänger. Grössere Bekanntheit erlangte er mit seiner Band Frank Powers, seit 2020 ist er auch als Solokünstler erfolgreich. Einem noch grösseren Publikum ist er seit dem Album «Ich liebe dich» ein Begriff, das er gemeinsam mit dem Zürcher Sänger Faber (32) und Sängerin sowie Schriftstellerin Sophie Hunger (42) veröffentlichte.

Sie sprechen oft über «Realität».
Weil mir wichtig zu betonen ist, dass Psychotiker einen anderen Zugang dazu haben. Für mich war es beispielsweise komplett real, dass ich Barack Obama treffe und für ihn ein Konzert spiele, weil er damals gerade in Zürich war. Das ist nicht komplett aus dem Kontext gerissen. Menschen, die man nicht versteht, sind nicht einfach irre.

Sie weisen auf ein Stigma hin, das psychisch kranken Menschen hierzulande anhaftet. Wünschen Sie sich einen anderen Umgang?
Natürlich. Und da fange ich direkt mit dem Personal in der Psychiatrie an, das viel zu wenig verdient. Da passieren so viele krasse Sachen! Ich mache keinem Pfleger und keiner Ärztin einen Vorwurf, wenn er oder sie nach zehn Jahren im Beruf abgestumpft ist. Das ist ein Schutzmechanismus. Da kann ich echt niemandem böse sein. Ich habe aber einen Wunsch.

Und zwar?
Ich wünsche mir, dass die Psychiatrie ein Ort der Ruhe und der Genesung ist. Ich habe den Medikamentenverbrauch zum Beispiel als extrem hoch empfunden. Das liegt meiner Meinung nach am Personalmangel. Man hätte sonst nicht die Kapazität, die Patientinnen und Patienten ruhigzustellen – und das ist im Endeffekt eine finanzielle Problematik. Und ich bin davon überzeugt: Es braucht eine Psychiatrie! Dennoch habe ich Widerstände.

Erklären Sie.
Ich habe in der Psychi sehr grobe Dinge erlebt. Ich wurde aufs Bett gedrückt und ruhiggestellt, rundum stand die Polizei. Wenn heute ein Streifenwagen an mir vorbeifährt, zucke ich zusammen. Das ist höchst traumatisch. Es braucht mehr Verständnis für psychotische Menschen.

«I Love You, I Leave You» ist nicht nur wegen Ihrer Offenheit in Bezug auf die Krankheit so eindrücklich – gerührt hat mich vor allem auch die Reise nach Angola, das Heimatland Ihres Vaters.
Ich war zum ersten Mal alleine dort. Ich konnte nicht wirklich Portugiesisch – nach vier oder fünf Tagen habe ich geredet wie ein Buch. Wenn auch mit vielen Fehlern. Diese Reise war ein emotionaler Frühling für mich, ich habe gemerkt, dass ich hier hingehöre. Die Menschen haben dieselbe Mimik wie ich, sie lachen und tanzen wie ich. Und ich war am Grab meiner Grossmutter. Dort konnte ich Frieden machen und Tschüss sagen.

Haben Sie etwas über sich selbst erfahren, was Sie in der Schweiz vielleicht vergessen hatten?
Dass ich ein spirituelles Wesen bin – und das meine ich gar nicht esoterisch. Die Kunst, die ich mache, kann nur entstehen, weil ich so feinfühlig bin. Ich bin ein Schwamm, der alles aufsaugt.

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