Darum gehts
Gölä (56) steht im «Sturm». Eines der Bilder zum neuen Album mit diesem Namen zeigt ihn, wie er starkem Gegenwind trotzt. Der Berner Mundartstar ist einer der wenigen Schweizer Künstler, die das Hallenstadion füllen. Doch er polarisiert auch mit seinen Statements. Viele schätzen ihn, andere können wenig mit ihm anfangen. Im Interview mit Blick erläutert er seine Ansichten.
Sie gehören zu den einzigen Showgrössen, die bereits um acht Uhr morgens zum Interview bitten. Wollen Sie die Journalisten quälen?
(Lacht.) Ich stehe um halb 6 auf, das ist normal für mich. Einen «Gutsch» kaltes Wasser ins Gesicht und einen Kaffee mit meiner Frau, dann bin ich auf Betriebstemperatur. Ich gehe aber auch früh zu Bett. Im Winter, wenn es früh dunkel wird, schon um 17 Uhr. Wir leben wie unsere Hühner.
Sie sind daueraktiv. Nach den Hallenstadion-Konzerten im Januar nun schon wieder ein neues Album. Kommen Sie nie an den Anschlag?
Ich brauche Action, damit ich mich lebendig fühle. Ich habe dieselbe Krankheit wie Trauffer, der kann auch nicht still halten. Heute hat man dafür wohl einen Namen, irgendein Syndrom.
Auf Ihre Konzerte in Zürich gab es auch Kritik. Sie würden sich mit Ihrer Musik als Mann aus der Provinz «an den blasierten Städtern rächen», schrieb der «Tages-Anzeiger». Wie reagieren Sie auf solche Artikel?
Ich habe sie gar nicht gelesen. Ich lese kaum Zeitung.
Auch dieses Interview nicht?
Höchstens zur Kontrolle (grinst).
Können Sie uns zuerst den Titel Ihres neuen Albums erklären?
Wir leben in stürmischen Zeiten. Alles ist im stetigen Wandel. Und jeder muss lernen, damit umzugehen.
Welche Stürme meinen Sie?
Ich meine schon die Weltpolitik. Die treibt die Menschen immer um. Oft trifft der globale Sturm andere Regionen, nun wieder einmal Westeuropa. Das schüttelt uns durch. Aber wir sind selber schuld.
Was haben wir falsch gemacht?
Überhaupt nichts. Wir sind einfach zu träge geworden. Das war bei den Römern auch so. Als alles erobert war und sie nicht mehr kämpfen mussten, ging ihr Reich unter. Im Westen ist es zurzeit ähnlich. Das sieht man zum Beispiel beim Sozialwesen. Für jedes «Bobo» gibt es heute Unterstützung. Früher waren solche Gelder da, um eine Familie am Leben zu erhalten, wenn der Ernährer einen Fuss oder eine Hand verloren hatte und nicht mehr arbeiten konnte. Heute bekommt man viel zu schnell eine Rente. Das wird unser Sozialsystem nicht verkraften, ist meine Prognose.
Gibt es denn konkrete Ansätze, wie man dieser Situation Ihrer Meinung nach begegnen sollte?
Es gibt nur eines. Lernen, mit den neuen Umständen umzugehen. Und es wird immer Gewinner und Verlierer geben.
Sind Sie wirklich unzufrieden damit, wie es uns in diesem Land zurzeit geht? Oder sind Sie ein notorischer Nörgler?
Im Gegenteil. Wir sind noch gut dran. Jene, die bei uns nach einem EU-Anschluss schreien, haben gar keine Ahnung, wie es dort aussieht. Europa hat Riesenprobleme. Und wir sind wie schon sehr lange eine Insel des Friedens. Darum wollen viele Menschen zu uns kommen.
Ist diese Position verdient zustande gekommen?
Unseren Wohlstand erreichten unsere Vorfahren mit harter Arbeit. Und wir haben davon profitiert. Wir schätzen ihn aber gar nicht richtig. Viele wollen noch mehr und den Aufwand dahinter nicht sehen. Sie vergessen, dass es gar noch nicht lange her ist, dass die Schweiz ebenfalls ein Auswanderungsland war. Auch hier herrschte früher einmal Hunger.
Was uns direkt zum Albumcover führt. Es ist eine Abwandlung des berühmten französischen Revolutionsgemäldes «Die Freiheit führt das Volk» von Eugène Delacroix von 1830. Die Figur ist Marianne, die das aufständische Volk anführt ...
... und wir haben nun eine Helvetia daraus gemacht. Für mich symbolisiert dieses Bild Hoffnung. Die «Söiblueme» in ihrer Hand ist die Lieblingsblume von mir und meiner Frau. Wir leben in einem «Schattloch» und haben dreieinhalb Monate keine Sonne. Diese Blume ist jeweils die erste, die bei uns spriesst. Wenn sie kommt, nahen der Frühling und der Sommer, dann haben wir Hoffnung auf Wärme und eine gute Zeit. Das Ganze entstand mit künstlicher Intelligenz.
Oha. Sie setzen KI ein? Haben Sie keine Angst vor solchen Instrumenten?
Nein, alles hat immer zwei Seiten. Du kannst ein Messer zum Schneiden brauchen oder um jemanden zu töten. Wichtig ist, wer es in den Händen hat. Es wird die Wissenschaft und gerade die Medizin voranbringen. Andererseits versuchen es Menschen für schlechte Zwecke auszunützen, um ohne harte Arbeit zu viel Geld zu kommen. Oder es wird in der Waffenindustrie eingesetzt.
Wenn wir Sie richtig verstehen, wollen Sie mit dem Albumcover also nicht zur Revolution aufrufen?
Wo denken Sie hin? Die «Söiblueme» lässt bald die Samen fallen. Die fliegen weg und dadurch entsteht wieder Leben. Auf dem Trümmerhaufen der Zivilisation entsteht etwas Neues und Gutes. Das war immer so. Alles, was kaputtgeht, gibt jemand anderem die Chance, selber aufzublühen.
Wir wollten nur ausschliessen, dass Sie heimlich Revolutionsgelüste hegen ...
(Lacht.) Das wäre natürlich die Wunschschlagzeile gewesen. Aber die kann ich nicht liefern.
Wir haben uns auch die Songtexte angeschaut. Im Titelstück heisst es: «Ha kei Ahnig, ob du je dra hesch dänkt, zwüsche düre mau ds danke – däm, wo Dir di guete Tage schänkt …» Wer ist mit dem Wort «däm» genau gemeint?
Das ist für jeden etwas anderes. Ich habe ihm extra keinen Namen gegeben. Es ist die Kraft, die uns die guten Tage gibt. Wir wissen alle nicht, woher wir kommen und wohin wir gehen. Aber dahinter ist eine Magie, eine Kraft. Eine Energie, Lebensenergie. Die muss von irgendwo herstammen. Dass wir da sind, ist für mich ein Beweis dafür, dass es eine übergeordnete Kraft gibt. Wir sind zurzeit sehr verloren, denke ich, und haben keine Werte mehr. Deshalb wirken wir so orientierungslos.
Welches sind denn Ihre Werte?
Ich glaube, dass jeder Mensch instinktiv spürt, was gut und schlecht ist. Wenn ich sehe, wie die Leute mit Kopfhörern durch die Welt laufen, heisst das für mich, dass sie nicht wissen wollen, was um sie herum passiert. Ich glaube, man sollte den Mut haben, in den Spiegel zu schauen und sich zu fragen: «Wer bin ich? Und tue ich anderen weh, mit dem, was ich mache?»
Wenn Sie in den Spiegel schauen, was sehen Sie?
Unlösbare Probleme (lacht). Im Ernst: Es geht vor allem darum, etwas anzunehmen und nicht immer nur alles zu verdrängen. Du musst schauen und hören und lernen wollen. Du kannst auch vom Dümmsten etwas lernen. Wenn jemand betrunken mit 100 in eine Betonwand fährt, hat auch das Erkenntnispotenzial.
Das «däm» in Ihrem Text kann also irgendetwas sein?
Ich finde, es ist unsere Aufgabe, jenen Weg zu finden, auf dem wir etwas Kreatives und Gutes für uns herausholen können. Das ist der Dank an «den», der uns die Zeit hier gibt. Das Schlimmste ist, diese Zeit zu verschwenden. Ich glaube an keine Figuren. Gott ist die Unvergänglichkeit, die in unseren Kulturen beschrieben wird. Am Ende ist alles Energie. Energie geht nie verloren. Die Wärme in uns drin ist das Unvergängliche, die Seele und das Gottgleiche, wenn Sie so wollen. Der Körper wird kalt und steif, wenn wir gehen. Die Seele bleibt unsterblich. Deshalb sollten wir uns auch nicht vor dem Tod fürchten.
Gölä wurde 1968 als Marco Pfeuti in Thun BE geboren. Schweizer Musikgeschichte schrieb er erstmals 1998, als er «Uf u dervo» einspielte, mit über 250'000 verkauften Einheiten das erfolgreichste Mundart-Album. Nach englischsprachigen Werken und dem Kinderprojekt «Papagallo & Gollo» kehrte er mit dem Doppelalbum «Ängu u Dämone» 2012 zur Mundart zurück. 2017 spielte er die CD «Urchig» mit Jodelversionen seiner Hits ein. 2019 gründete Gölä mit Mundartsänger Trauffer (44) das temporäre Projekt «Büetzer Buebe». Im August 2022 füllten sie damit zweimal das Zürcher Letzigrund-Stadion. Zuletzt trat er im Januar 2025 zum 25-Jahr-Bühnenjubiläum zweimal im ausverkauften Hallenstadion in Zürich auf. Gölä ist verheiratet, hat vier Kinder und lebt im Berner Oberland.
Gölä wurde 1968 als Marco Pfeuti in Thun BE geboren. Schweizer Musikgeschichte schrieb er erstmals 1998, als er «Uf u dervo» einspielte, mit über 250'000 verkauften Einheiten das erfolgreichste Mundart-Album. Nach englischsprachigen Werken und dem Kinderprojekt «Papagallo & Gollo» kehrte er mit dem Doppelalbum «Ängu u Dämone» 2012 zur Mundart zurück. 2017 spielte er die CD «Urchig» mit Jodelversionen seiner Hits ein. 2019 gründete Gölä mit Mundartsänger Trauffer (44) das temporäre Projekt «Büetzer Buebe». Im August 2022 füllten sie damit zweimal das Zürcher Letzigrund-Stadion. Zuletzt trat er im Januar 2025 zum 25-Jahr-Bühnenjubiläum zweimal im ausverkauften Hallenstadion in Zürich auf. Gölä ist verheiratet, hat vier Kinder und lebt im Berner Oberland.
Das Album «Sturm» ist ab sofort auf allen gängigen Plattformen erhältlich.
Spiele live mit und gewinne bis zu 1'000 Franken! Jeden Dienstag, Mittwoch und Donnerstag ab 19:30 Uhr – einfach mitmachen und absahnen.
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