Darum gehts
Es geht bereits Richtung Mittagszeit, als Blick die Baslerin Sarah Spale (44) im Restaurant Anna beim Zürcher Bucheggplatz zum Interview trifft. Im Film «Hallo Betty» spielt sie die Texterin Emmi Creola-Maag (1912–2006), die in den 1950er-Jahren die Werbefigur Betty Bossi entwickelte.
Frau Spale, Sie verkörpern in «Hallo Betty» eine Werbetexterin, andererseits hat das Publikum auch eine Vorstellung von der schweizweit populären Figur, die diese Texterin erfand. Haben Sie keine Angst, diese Erwartungen nicht zu erfüllen?
Sarah Spale: Eine spannende Frage. Betty Bossi scheinen wir alle zu kennen, obschon oder gerade weil sie eine fiktive Figur ist. Und deshalb ahnen wir auch, dass jemand hinter dieser Figur steckt. Und an die Darstellung der Person dahinter kann kaum jemand Erwartungen haben, weil sie bisher nie im Fokus stand. Hier setzt der Film «Hallo Betty» ein, mit dem wir entdecken können, welche Leistung Emmi Creola-Maag mit der Entwicklung der Figur Betty Bossi vollbrachte. Ich hoffe, keiner Erwartung im Weg zu stehen. Wir laden in eine Welt ein, in der es noch viele unbeleuchtete Stellen gibt. Eine 1950er-Welt, in der Frauen u.a. noch die Unterschrift ihrer Männer brauchten, um arbeiten gehen zu dürfen.
Kamen Sie selber früh mit Betty Bossi in Berührung?
Ich wusste schon als Kind, dass es diese Figur gab, mehr nicht. Ich koche auch selber nicht nach Rezepten, sondern eher nach Intuition. Mit der Arbeit an diesem Film ging auch mir ein ganz neues Feld auf. Betty Bossi ist eine der grossen Schweizer Erfolgsgeschichten. Eine Frau steht dahinter und kaum jemand weiss es. Ich schätze diese Entdeckung sehr.
Wie haben Sie sich die Rolle dieser Figuren-Erfinderin erarbeitet?
Ich durfte mich mehrfach mit der älteren Tochter des Ehepaares Creola-Maag, Ines Diacon, treffen. Das war ein sehr schöner Austausch. Sie war bereit, mir sehr viel zu zeigen, Fotos von ihrer Mutter und der ganzen Familie und auch den Briefverkehr zwischen Emmi und ihrem Mann Ernst. Dann habe ich wie schon bei «Platzspitzbaby» mit Schauspiel-Coach Barbara Fischer gearbeitet. In diesem historischen Film sind auch Kostüme und Masken eine wichtige Komponente. Damit konnte ich mich dieser Zeit noch besser nähern. Die Kostüme lösten etwas aus, sie unterstützten meine Suche nach der stimmigen Körperhaltung. Ich versuche bei meinen Figuren im Vorfeld immer, möglichst alles von ihnen aufzusaugen. Mich zu vergewissern: Was bringe ich als Sarah Spale schon mit und was muss ich für Emmi Creola-Maag noch an Gefühlen und Verhaltensmustern finden? Emmi lese ich als bodenständige und pragmatische Frau. Diese Wesenszüge galt es für mich in der Körperlichkeit zu suchen und zu finden.
Was trieb Emmi Creola-Maag an?
Sie hatte eine Leidenschaft. Ihre Gabe, gut mit Worten umzugehen, sehe ich beinahe als eine Berufung. Sie war keine Kämpferin für die Emanzipation, sondern sie lebte emanzipiert, wozu auch ihre Arbeitstätigkeit gehörte. Ihr Antrieb war ihre Leidenschaft. Nicht in Rollen-Schemas zu denken und ihre eigenen Bedürfnisse zu erkennen. Es gab schon damals viele Frauen, die mit ihrer Arbeit etwas beisteuern mussten, damit die ganze Familie über die Runden kam. Aber sie waren weniger so sichtbar. Und wenn eine Frau arbeitete, kam dies meist aus einer Notwendigkeit heraus. Bei Emmi Creola-Maag war bemerkenswert, dass diese Notwendigkeit mit einer Leidenschaft einherkam.
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Mussten Sie am Anfang Ihrer Karriere auch gegen Widerstände kämpfen, weil Sie arbeiten wollten?
Meine Grossmutter hatte schon ausserhalb der Familie gearbeitet und meine Mutter auch. Meine Mutter wurde noch mit dem Vorwurf der Rabenmutter konfrontiert. Damit bin ich aufgewachsen. Obschon mir nie etwas fehlte und unsere Mutter immer da war für uns. Solche Vorwürfe sind heute nicht verschwunden, sondern kommen nun einfach subtiler daher. Die Frage «Wie bringen Sie Job und die Familie unter einen Hut?» würde einem Mann mit Kindern nie gestellt. Diese Sätze «Wie geht es dem Kind, wenn du weg bist? Vermisst es dich nicht?» sind kleine Stiche. Du beginnst dich als Frau zu fragen: Mache ich etwas falsch?
Mittlerweile sind Sie längstens etabliert. Hat sich dadurch etwas geändert?
Wir leben nach wie vor in einer männerdominierten Welt. Die meisten Entscheidungsträger sind Männer. Das beeinflusst in jedem Fall. Ich habe das Glück, dass ich meistens mit Menschen arbeite, die sich gegenseitig respektieren und wertschätzen, unabhängig vom Geschlecht. Aber es wäre falsch, zu sagen, dass wir bei diesem Thema gesellschaftlich sehr viel weiter wären als 1956. Leider.
Hat sich wirklich gar nichts zum Besseren bewegt?
Ein klein wenig schon. Es gibt natürlich verschiedene Bewegungen. Ich beobachte aber zum Glück auch, dass ein grosser Teil der jungen Menschen einen spannenden und guten Weg gehen, wie ich finde. Dazu gehören im Hinblick auf die Emanzipation auch die Männer, die heute ein anderes Selbstverständnis in Bezug auf die Familienarbeit haben. Diese Generation hinterfragt die Rollenbilder und versucht die Verantwortung, die Familie mit sich bringt, gemeinsam zu tragen. Meine Generation ist noch stark damit aufgewachsen, dass sich die Frau primär dem Familienleben widmete. Diese Prägung haftet nach wie vor an unserer Gesellschaft.
Sie arbeiten nicht zum ersten Mal mit Pierre Monnard als Regisseur. Weshalb funktioniert das so gut?
Ich vertraue Pierre, er hält mir den Rücken frei. Er hat stets die Übersicht für das grosse Ganze und lässt mich dadurch in den Moment eintauchen. Pierre ist bereit, alle Meinungen im Raum anzuhören und zu respektieren. Ich erlebe ihn immer als sehr offen. Meinungsverschiedenheiten diskutieren wir aus und versuchen, eine für alle Seiten gute Lösung zu finden. Es ist ein grosses Glück, diese Vertrauensbasis gemeinsam erschaffen zu dürfen. Wir wissen gegenseitig, wie der andere arbeitet und was wir einander geben können. Darauf bauen wir auf. Und bei «Hallo Betty» kam noch der Drehbuchautor André Küttel dazu, der auch schon bei «Platzspitzbaby» dabei war. Und erneut C-Films als Produktionsfirma, die hinter mir steht. Ein schöner Boden, auf dem wir zusammen arbeiten dürfen.
1956 ist schon eine Weile vorbei. Was können jüngere Leute aus dem Film mitnehmen?
Gerade mit den sozialen Medien liegt es heute im Trend, primär grosse Resonanz zu suchen und diese als Erfolg zu werten. Doch Erfüllung in der eigenen Leidenschaft zu suchen und ihr nachzugehen, hält länger an, wie ich glaube. Emmi setzt sich für ihren Weg ein, trotzt den Widrigkeiten, das ist emanzipiert und sehr inspirierend. Mich fasziniert, dass die Geschichte von Emmi Creola-Maag auch eine Liebesgeschichte ist. Eine sehr moderne dazu, nicht ein Arrangement, sondern eine Beziehung, die auf gegenseitigem Respekt und auch einer gleichmässigen Bewunderung und Unterstützung basierte. Der Film lädt ein, den Mut zu haben, seinen eigenen Weg zu gehen und nicht immer genau zu wissen, wohin dies führen könnte. Das Beste aus uns herauszuholen, mit gegenseitiger Unterstützung und ohne fixe Agenda und Ziel.
Nun doch noch zu einer handfesten Frage und zurück zu Betty Bossi: Sind Sie selber eine gute Köchin?
Da müsste man meine Söhne fragen. Gewisse Dinge finden sie offenbar immer wieder gelungen und kann ich ihrer Aussage nach «am besten». Ich koche eigentlich jeden Tag, wenn ich nicht drehe, und bin mittags meistens daheim. Und abends essen wir auch zusammen. Ich koche gern und finde es sehr sinnstiftend, zusammen zu kochen und zu essen.
Und Ihr Signature Dish ist?
Passend zur Saison: Ich koche eine saufeine Kürbissuppe. Hab ich mir jedenfalls sagen lassen (strahlt).
Schon der erste Auftritt vor einer Kamera 2003 trug der Baslerin Sarah Spale (44) für «Dilemma» eine Schweizer-Filmpreis-Nomination ein. 2013 spielte sie bei der Bestseller-Verfilmung «Nachtzug nach Lissabon» von Oscar-Preisträger Bille August (77) mit und fiel dort auch Pierre Monnard (49) auf. Der Freiburger Regisseur realisierte mit ihr ab 2017 die zwei ersten Staffeln der SRF-Serie «Wilder» (total vier Staffeln mit Spale in der Hauptrolle) und 2020 das Drogendrama «Platzspitzbaby». 2023 folgte die Komödie «Die Nachbarn von oben» von Sabine Boss (59). Spale ist seit 2010 mit dem Sportlehrer Philipp Spale (49) verheiratet und hat zwei Söhne.
Schon der erste Auftritt vor einer Kamera 2003 trug der Baslerin Sarah Spale (44) für «Dilemma» eine Schweizer-Filmpreis-Nomination ein. 2013 spielte sie bei der Bestseller-Verfilmung «Nachtzug nach Lissabon» von Oscar-Preisträger Bille August (77) mit und fiel dort auch Pierre Monnard (49) auf. Der Freiburger Regisseur realisierte mit ihr ab 2017 die zwei ersten Staffeln der SRF-Serie «Wilder» (total vier Staffeln mit Spale in der Hauptrolle) und 2020 das Drogendrama «Platzspitzbaby». 2023 folgte die Komödie «Die Nachbarn von oben» von Sabine Boss (59). Spale ist seit 2010 mit dem Sportlehrer Philipp Spale (49) verheiratet und hat zwei Söhne.
«Hallo Betty» läuft ab dem 20. November in den Schweizer Kinos.