Vielfältige Aufgaben für Pflegende (Symbolbild)
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In Zürich darf Dirk Kircher (43) arbeiten, im Thurgau nicht
Bürokraten legen Pflegefirma lahm

In der privaten Seniorenbetreuung sah Dirk Kircher ein Geschäft mit Zukunft. Nach einem Jahr voller Rechtsstreitigkeiten ist seine Zuversicht allerdings längst der Verzweiflung gewichen.
Publiziert: 03.01.2019 um 17:41 Uhr
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Aktualisiert: 05.01.2019 um 20:57 Uhr
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Mit den Behörden auf Kriegsfuss: Dirk Kircher (43) aus Wigoltingen TG hat wegen seiner Betreuungsfirma Gutgepflegt.ch im Thurgau viel Ärger am Hals.
Foto: Marco Latzer
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Marco LatzerReporter Ostschweiz

Wir werden immer älter. Dementsprechend steigt der Betreuungsaufwand für betagte Menschen, Spitex-Organisationen stossen an ihre Grenzen. Ein Markt mit Zukunft, findet auch Dirk Kircher (43) aus Wigoltingen TG.

Im letzten Sommer gründet der Pflegeexperte die Einzelfirma Gutgepflegt.ch mit Domizil an seinem Wohnsitz im Thurgau und Fokus auf Senioren-Betreuung. Mit seinem Angebot will er dazu beitragen, dass Betagte noch etwas länger in den eigenen vier Wänden leben können. 

Er und seine Angestellten führen auf Wunsch Haushaltsarbeiten, 24-Stunden-Betreuung, Begleitungen oder auch Unterstützung in administrativen Dingen an. Was lukrativ anmutet, entwickelt sich für Kircher zum Albtraum. Er sagt heute: «Wenn ich gewusst hätte, wie kompliziert das alles wird, hätte ich die Finger davon gelassen!»

Die Sorgen der privaten Rundum-Betreuer

Zum Verhängnis wird ihm, dass jeder Kanton mit einem eigenen Gesundheitsgesetz sein eigenes Süppchen kocht. Die Frage, wo Betreuung aufhört und Pflege beginnt, beantwortet jeder für sich selbst.

Auch deshalb gibt es schweizweit nur rund 40 private Anbieter für 24-Stunden-Betreuung. Ein Viertel von ihnen hat sich kürzlich im Verband Zuhause Leben zusammengeschlossen. Präsident Silvain Kocher (46) bilanziert: «Die Rahmenbedingungen sind katastrophal. Unsere Hauptprobleme sind rechtliche Unklarheiten, gepaart mit Föderalismus und Amtswillkür.»

Im konkreten Fall bedeutet das: Während Kircher und sein Team in den Kantonen St. Gallen und Zürich problemlos arbeiten können, stösst Gutgepflegt.ch ausgerechnet am Firmensitz auf Widerstand. «Der Thurgau macht mir mein Geschäft kaputt. Ich bin wütend und verzweifelt», sagt Kircher. 

Von anonymer Seite angeschwärzt

Der Zoff beginnt mit einem Schreiben vom Thurgauer Amt für Gesundheit: «Von Dritten sind wir auf Ihre Organisation aufmerksam gemacht worden. Gemäss Ihrer Homepage bieten Sie u. a. auch pflegerische Leistungen an», steht darin.

Seinem Unternehmen fehle dafür eine gesundheitspolizeiliche Bewilligung, so der Vorwurf. Kircher dazu: «Im Thurgau redet man schon von Pflege, wenn man jemandem Socken anzieht, die Treppe hinunter hilft oder auf die Toilette begleitet.»

Der Streitpunkt sind Tätigkeiten, welche sonst von Familienmitgliedern übernommen werden, ausgeführt durch eine Drittperson, aber bewilligungspflichtig sind.

Es leuchte ihm ein, dass nur Fachpersonal pflegerische Tätigkeiten wie Spritzen setzen oder Blut abnehmen durchführen dürfe, erklärt Kircher. Diese würden von ihm an entsprechende Stellen delegiert. Aber: «Der Witz ist ja, dass ich für mich als freiberuflicher Pfleger sehr wohl eine Bewilligung besass. Nicht aber für meine Firma.»

Niederlagen vor Gericht

In der Folge wird ein Administrativverfahren wegen Verstössen gegen das kantonale Gesundheitsgesetz eröffnet. Vor Thurgauer Verwaltungsgericht erleidet er eine Schlappe. In den Augen der Richter hat er mit Gutgepflegt.ch irreführende Werbung betrieben. Auch das Bundesgericht tritt auf sein Anliegen nicht ein.

Ihm habe wegen der Querelen schlichtweg die Zeit gefehlt, um neue Kunden anzuwerben, sagt Dirk Kircher. Gleichzeitig hat ihn der Rechtsstreit Tausende Franken gekostet. Seine Existenz steht auf der Kippe: «Ich musste Kündigungen aussprechen und weiss nicht, wie es weitergeht!» 

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