Warum eine Tierschützerin im Bündnerland um ihr Leben fürchtete
«Meine Kollegin wurde attackiert»

Vor zwei Wochen lancierte der «Wildtierschutz Schweiz» eine Initiative gegen tierquälerische Jagdmethoden. Darauf folgte eine brutale Attacke auf ein Vereinsmitglied, Einschüchterungen und Bedrohungen sind an der Tagesordnung.
Publiziert: 28.09.2014 um 13:08 Uhr
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Aktualisiert: 01.10.2018 um 04:23 Uhr
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Tierschützerin Marion Theus fordert strengere Auflagen für Jäger – unter anderem eine 0,5-Promillegrenze.
Foto: Stefano Schröter
Von Walter Hauser

Marion Theus aus dem Prättigau ist eine Frau, die Tiere liebt – und deshalb viele Feinde hat. Vor zwei Wochen hat die Präsidentin des Vereins Wildtierschutz Schweiz eine Initiative eingereicht. «Für eine naturverträgliche und ethische Jagd», lautet der Titel des Begehrens.

Marion Theus und ihre Mitstreiter fordern darin unter anderem eine 0,5-Promillegrenze für Jäger, regelmässige Fähigkeitstests, ausserdem sollen sie ihre Kinder nicht mehr zur Jagd mitnehmen dürfen.

Noch ist das Begehren auf den Kanton Graubünden beschränkt, doch die Initiantinnen wollen eine schweizweite Regelung erreichen.

«Viele Jäger sind alkoholisiert und treffen schlecht», sagt Marion Theus. Etwa jeder zweite Schuss sei ein Fehlschuss. «Entweder er geht daneben oder trifft das Tier so, dass es nur angeschossen ist und qualvoll verendet.» Das dürfe nicht sein, sagt Marion Theus. «Bechern und schiessen – das passt nicht zusammen.»

Die Pläne der Jagdkritikerin bringen die 5200 Jäger im Kanton Graubünden auf die Palme. Auf die Initiative und deren Urheberinnen sind die Bündner Weidmänner schlecht zu sprechen. Immer wieder muss sich Theus anhören, sie sei eine Totengräberin der Jagd. Letzten Donnerstag eskalierte der Streit zwischen Tierschützern und Jägern vollends.

Es passierte gegen 18.15 Uhr beim Werkhof in Trimmis GR. Astrid Wallier (50), Vizepräsidentin von Wildtierschutz Schweiz und eine Mitstreiterin von Marion Theus, ist gerade dabei, ihren  Abfall zu entsorgen. Nur wenige Schritte entfernt ist der Schlachthof. Wallier sieht, wie ein paar Jäger ihre erlegten Tiere abliefern.

Plötzlich wird sie von hinten angegriffen. Ein Unbekannter drückt sie zu Boden, spuckt ihr ins Gesicht – und beschimpft sie wüst. Mit voller Wucht tritt er auf ihr Handy, das ebenfalls auf den Boden gefallen ist.

Dann macht sich der Angreifer aus dem Staub. «Ich war total geschockt», sagt Wallier. «Ich war wie benommen, konnte mich kaum rühren.»

Beim Aufprall auf den Boden hat sich die Tierschützerin Prellungen und Schürfungen zugezogen. Sie hat starke Kopfschmerzen, muss noch am gleichen Abend in ärztliche Behandlung. Auch gestern stand sie noch unter Schock.

Für Marion Theus ist klar: «Der Vorfall ist eine unverzeihliche Gewalttat.» Sie vermutet, dass der Mann ein Jäger ist, der etwas zu verbergen hatte und der sich von der Tierschützerin Wallier beobachtet fühlte.

Marion Theus selbst wurde in den letzten Monaten immer wieder telefonisch von anonymen Anrufern bedroht. «Sie haben mich einschüchtern wollen», sagt Theus. Jetzt fürchtet sie sich vor weiteren Gewaltakten der Jäger und sagt: «Ihr Gewaltpotenzial ist enorm!»

Die Jagdkritikerin hat genug: «Es kann nicht sein, dass wir wegen unserer Kritik an den tierquälerischen Jagdmethoden um unser Leben fürchten müssen!»

Die Polizei bestätigt den Vorfall, tappt aber noch im Dunkeln. «Wir ermitteln gegen unbekannt wegen Tätlichkeit», bestätigt Anita Senti, Sprecherin der Kantonspolizei Graubünden.

Robert Brunold (45), Präsident des Bündner Kantonalen Patentjäger-Verbandes, distanziert sich vom Vorfall in Trimmis. «Die Jäger müssen mit Argumenten und nicht mit Gewalt gegen die Initiative kämpfen», sagt er. Er schliesst  nicht aus, dass es unter den Jägern schwarze Schafe gebe. Klar sei aber auch, dass die grosse Mehrheit der Jäger verantwortungsvoll mit ihrem geliebten Hobby umgehe.

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