Es ist die Rückkehr der Eltern an den Ort, wo sie ihren kleinen Bub verloren: Ins Basler Gotthelf-Quartier. Dort, wo am Donnerstag vergangener Woche ihr kleiner Mergim* (†7) von Rentnerin Angela N.* (75) mit einem Messer getötet wurde. Aus dem Nichts. Grundlos.
Heute, zehn Tage nach der Tat, findet im Gotthelf-Schulhaus die Trauerfeier statt. Hier ging Mergim zur Schule. Im Gotthelf-Schulhaus, wo Mergim den letzten Nachhauseweg seines Lebens antrat, trauern heute die Menschen um das getötete Kind.
BLICK ist am Tag der Basler Trauerfeier vor Ort. Ein kleiner Altar wurde auf dem Pausenplatz errichtet. Mit einem Bild von Mergim, einem weissen Tischtuch, Blumen und einer schwarzen Schleife.
«Ältere Damen gossen Blumen»
Hier trifft BLICK Visar*, den Vater von Mergim. Er sagt mit gedämpfter Stimme: «Es geht mir sehr schlecht. Aber ich muss versuchen, wieder in die Spur zu kommen. Es gab eine riesige Solidaritätswelle für uns. Am Tatort gibt es ein riesiges Blumenmeer. Ich habe sogar gesehen, wie ältere Damen die Blumen gegossen haben. Das hilft uns sehr. Ich verstehe nicht, wie die Täterin auf freiem Fuss sein konnte. Die Behörden tragen eine Mitschuld am Tod meines Sohnes.»
Auch Mergims Grossonkel Sinan Shashivari befindet sich unter den mehreren hundert Trauergästen im Gotthelf-Schulhaus: «Das Ganze ist unendlich schwer zu verkraften«, sagt er zu BLICK. «Solange wir diese Solidarität hier spüren, fällt uns alles ein bisschen leichter. Wir spüren, dass wir nicht alleine sind. Leute aus aller Welt sind hier: verschiedene Farben, verschiedene Rassen, verschiedene Nationen. Für mich persönlich gibt es nur zwei Nationen: Die böse Nation und die gute, liebe Nation.»
Die Begegnungen haben den Angehörigen sehr geholfen, erklärt der Grossonkel weiter.
Auch der Fussballverein FC Dardania, ein albanischer Club aus Basel, kommt vorbei, um zu kondolieren. Nuhi Fetahu (43), Trainer der Senioren 40+, ist mit etlichen Vereinsmitgliedern vor Ort. Er sagt zu BLICK: «Wir fühlen mit der Familie mit. Wir möchten der Familie als Verein sagen, dass wir mit ihnen sind. Wir haben rund 7500 Franken gesammelt. Es erfüllt uns mit Freude und Stolz, dass wir der Familie mit dieser Summe helfen können.»
Die Wahnsinnstat macht Basel, die Schweiz und auch den Kosovo, das Heimatland des kleinen Mergim, immer noch fassungslos: Eine Frau, die sich im Herbst ihres Lebens befindet, tötet einen Primarschüler, der das ganze Leben noch vor sich hat.
Mergim lief an diesem verhängnisvollen Donnerstag, den 21. März, um die Mittagszeit von seiner Schule nach Hause. Ein Laufweg von rund sechs Minuten. Auf der kurzen Strecke begegnete Mergim Angela N., die ihn niederstach und tötete.
Diesen Freitag flogen Mergims Eltern nach der Beerdigung ihres Kleinen im Kosovo zurück in die Schweiz. Gestern ruhten sie sich aus, sammelten Kraft. Um heute noch einmal gemeinsam mit Freunden, Verwandten, Lehrern und Mitschülern ihres Buben – einfach mit allen zu trauern.
Mergims Eltern wollen neue Wohnung finden
Am Freitag vergangener Woche, keine 24 Stunden nach der Tat, besuchten die Eltern von Mergim bereits einmal den Ort des Schreckens. Mutter Fatma L.* (25) taumelte in Richtung Blumenmeer, geschwächt von einer Blinddarm-OP, überwältigt vom Trauer-Schmerz. Am Tatort am St. Galler-Ring kniete sie nieder, weinte, schluchzte, betete.
Vielleicht ist der heutige Auftritt auf dem Gotthelf-Schulhaus-Areal überhaupt einer der letzten von Mergims Eltern in der Gegend. Denn um nicht an die schreckliche Tat erinnert werden zu müssen, wollen die Eltern so schnell wie möglich eine neue Wohnung finden. «Sie können nicht mehr dort bleiben. Alles erinnert sie zu sehr an Mergim. Das erträgt die Mutter nicht mehr», sagt Grossonkel Sinan Shashivari. Basel verlassen wollen sie jedoch nicht.
Auch zehn Tage nach der Wahnsinns-Tat ist immer noch unklar, wieso Angela N. Mergim tötete.
*Namen geändert