Guatemala-Kardinal zu Papstwahl
«Wir brauchen eine Kirche in der Welt von heute»

Álvaro Ramazzini aus Guatemala gehört zu den über 130 Kardinälen, die den neuen Papst wählen. Er will sich persönlich dafür einsetzen, dass Franziskus’ Reformkurs fortgesetzt wird.
Publiziert: 28.04.2025 um 00:27 Uhr
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Aktualisiert: 28.04.2025 um 14:13 Uhr
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Álvaro Ramazzini ist Bischof in Guatemala.
Foto: keystone-sda.ch

Darum gehts

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Raphael RauchBundeshausredaktor

Kardinal Álvaro Ramazzini (77) aus Guatemala ist ein Bischof ganz im Sinne von Papst Franziskus (†88): ohne Allüren, nah bei den Menschen. Er empfängt Blick in Rom im Polohemd – ohne Brustkreuz. Der Kardinal setzt sich für die Rechte der armen Landbevölkerung in Guatemala ein, wegen Morddrohungen stand er zeitweise unter Polizeischutz.

Blick: Eminenz, was bleibt von Papst Franziskus?
Kardinal Álvaro Ramazzini:
Papst Franziskus hat nicht nur mit Worten, sondern vor allem mit Taten überzeugt. Seine erste Reise führte ihn nach Lampedusa, um auf das Schicksal von Flüchtlingen aufmerksam zu machen. Er hat sich intensiv dem Klimaschutz und den bedrohten indigenen Völkern gewidmet. Er hat Kriege angeprangert, etwa in Gaza, in Myanmar und im Kongo. Er hat Frauen in hohe Ämter berufen und Reformen der römischen Kurie vorangetrieben. Die Vatikanbank war voller Skandale, und der Papst hatte den Mut, gegen hohe Kirchenvertreter juristisch vorzugehen.

Ein berühmter Satz von Papst Franziskus war: «Diese Wirtschaft tötet!» Was meinte er damit?
Dem Papst lag die soziale Gerechtigkeit sehr am Herzen. Zum Teil wurde ihm vorgeworfen, er würde den Kapitalismus missverstehen, aber in Ländern wie Argentinien und Guatemala können Sie täglich beobachten, wie der Kapitalismus die Reichen reicher und die Armen ärmer macht. Diese Erfahrungen haben Papst Franziskus tief geprägt.

Warum standen Sie zeitweise unter Polizeischutz?
Vor rund acht Jahren erhielt ich Morddrohungen, weil ich mich gegen die Ausbeutung von Arbeitern in Minen, gegen Armut und Korruption engagierte. Ein Auftragskiller wurde angeheuert, der damalige Präsident ordnete Personenschutz an. Das dauerte zwei Jahre, bis sich die Lage wieder beruhigte. Seitdem gab es keine Morddrohungen mehr, obwohl ich meine Ansichten nicht geändert habe.

Viele Guatemalteken leben in den USA oder wollen dort arbeiten. Was bekommen Sie von Trumps Anti-Migrationspolitik mit?
Trumps Politik beunruhigt die Guatemalteken sehr. In den USA leben 1,2 Millionen Guatemalteken ohne Papiere. Die Ankündigung von Massenfestnahmen und Abschiebungen sind ein grosser Stressfaktor. Donald Trump spielt ein doppeltes Spiel – Papst Franziskus hat das zurecht scharf kritisiert.

Was meinen Sie mit doppeltem Spiel?
Auf der einen Seite leben die USA von günstigen Arbeitskräften aus Lateinamerika, auf der anderen Seite macht Trump Stimmung gegen sie. Er feiert seine Amtseinführung in einer Kirche, gleichzeitig widerspricht seine Politik zutiefst dem Evangelium. Eine Bischöfin versuchte ihm, ins Gewissen zu reden. Sie sagte, dass die USA von Ausländern profitieren, die in der Landwirtschaft arbeiten und die Bürogebäude putzen. Doch statt sich von der Bischöfin inspirieren zu lassen, hat Trump sie später beleidigt.

Wie sehen Sie die Zukunft der Kirche?
Ich hoffe sehr, dass der neue Papst den Weg von Papst Franziskus konsequent weitergeht und die Reformen, die er angestossen hat, vorantreibt. Wir brauchen eine Kirche in der Welt von heute.

Was sagen Sie Katholiken, die sich Sorgen machen, dass es nun eine konservative Gegenbewegung geben könnte?
Ein Rückschritt ist möglich, aber im Konklave sind viele Kardinäle, die zutiefst von der Lehre und von der Praxis von Papst Franziskus überzeugt sind. Wir werden sie verteidigen und vorantreiben. Ich betrachte das auch als meine persönliche Verantwortung.

Wie werden Sie Brücken zu Traditionalisten bauen?
Es ist wichtig, Brücken zu bauen, aber dazu müssen alle Seiten bereit sein. Papst Franziskus hat gemäss dem Evangelium den Weg vorgegeben, den wir weitergehen sollen – das gilt für alle.

Früher mussten Bischöfe vor Rom zittern, unter Papst Franziskus hat das Klima der Angst aufgehört. Wie haben Sie das persönlich erlebt?
Papst Franziskus hat eine Kirche mit offenen Türen geschaffen. Er hat einmal gesagt, die Kirche solle wie ein Feldlazarett sein. Er meinte damit: Die Kirche soll nicht klug daherreden oder verurteilen, sondern mit Taten der Liebe überzeugen und sich um die konkreten Bedürfnisse, Leiden und Nöte der Menschen kümmern – wie ein Feldlazarett. Darum gehts. Und nicht um eine Kirche, die mit sich selbst beschäftigt ist.

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