Zwei Werke vom Schweizer Autor Sunil Mann
Einmal gibts Himmel, einmal Hölle

Gleich zwei Bücher sind vom Schweizer Schriftsteller Sunil Mann neu erschienen. Die beiden könnten unterschiedlicher nicht sein – bloss der Humor ist deckungsgleich.
Publiziert: 01.09.2016 um 15:45 Uhr
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Aktualisiert: 11.09.2018 um 14:50 Uhr
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Sunil Mann am Tatort: In seinem neuen Krimi liegt eine niedergestochene Filmemacherin vor der Bar Bagatelle 93 an der Zürcher Langstrasse.
Foto: Renate Wernli
Silvia Tschui

Ein Erwachsenenkrimi aus dem Sündenpfuhl der Zürcher Langstrasse und ein Kinderbuch über einen Engel: Der in Zürich lebende Autor Sunil Mann (44) bedient mit seinen beiden, eben zeitgleich erschienenen Büchern eine gegensätzliche Leserschaft. Bisher machte sich der im Berner Oberland geborene Sohn indischer Einwanderer einen Namen als Krimiautor – «Fangschuss», sein Debüt von 2010, gewann den Zürcher Krimipreis. Schon damals spielte Vijay Kumar die Hauptrolle: Der indischstämmige Privatdetektiv um die vierzig arbeitet im Zürcher Kreis vier. Er löst seine Fälle zwischen Drogenexzessen in Zürichs Langstrassenclubs, Beziehungskrisen mit seiner Freundin und der immerwährenden Vereinnahmung durch seine indische Mutter. Auch sonst bricht sein indischer Hintergrund in seine eigentlich urzürcherische Lebensart ein.

Sunil Mann
Foto: Renate Wernli

Privatdetektiv Kumar hat viel Ähnlichkeit mit Sunil Mann. «Einen Privatdetektiv mit indischem Hintergrund gibt es in der Schweizer Krimilandschaft nicht», sagt der Autor. «Ich wäre ja blöd gewesen, für meine Figur nicht meinen Hintergrund zu verwenden.» Wie seine Figur wohnt Mann seit rund 20 Jahren im Zürcher Kreis vier. Gemeinsam haben sie auch die Liebe zur indischen Küche. «Das hat für mich etwas Heimeliges und Wehmütiges», sagt er. «Indische Gerüche erinnern mich an mein verstorbenes Mami – die hat immer gekocht.»

Im neuen Fall «Schattenschnitt» muss sich Privatdetektiv Kumar mit einer verfolgten Hijra herumschlagen – das Wort bezeichnet die Kaste der oft verachteten indischen Transsexuellen. Kumar hat sie an einer Party gesehen, wie sie auf eine Schweizer Dokumentarfilmerin eingeredet hat. Kurze Zeit später liegt diese erstochen auf der Langstrasse.

Der Engelsschüler Gabriel im Teufelskreis

Von blutrot zu wolkenweiss: Der Kontrast zu Sunil Manns erstem Kinderbuch «Immer dieser Gabriel» könnte grösser nicht sein. Darin geht es um den frechen Engelsschüler Gabriel, der im Traditions-Engelsinternat Wolkenschloss die Leiterin Frau Langschnabel – sie will Madame Longbec genannt werden, das klingt eleganter – durch seine Streiche zur Weissglut bringt. Zur Strafe soll er Amors Pfeile spitzen, denn die haften in letzter Zeit nicht so recht. Gabriel ist nicht um eine Lösung verlegen – und schmiert die Pfeilspitzen mit klebrigem Harz ein. Mit dem zusätzlichen Gewicht hat er aber nicht gerechnet, und so trifft bei Amors nächstem Einsatz der Pfeil, der dem Metzgermeister die Partnerin Frau Wurst hätte verschaffen sollen, den Briefträger.

Es sind aber nicht nur Missgeschicke, die Gabriels Geschichte interessant machen – vielmehr handelt es sich um die klassische Erzählung eines intelligenten, aber aufmüpfigen Heranwachsenden, der sich in einem Teufelskreis von Strafaufgaben, Rebellion und weiteren Strafaufgaben befindet. Bis ihm im entscheidenden Moment die Lehrer unverdientes Vertrauen entgegenbringen. Kinder werden sich in der Geschichte aufgehoben fühlen – und Erwachsene mit präpubertärem Nachwuchs bekommen so einige Anregungen für den Umgang mit ihnen.

Und alle werden sich an den fantasievollen Umwegen und Einschüben erfreuen, die die Geschichte prägen. Hier erfährt man, was Engel am liebsten essen: Traumschaumtörtchen, Blitzgeschnetzeltes und glühende Sonnenstrahlbowle. Das Kinderbuch ist ein Wurf – in nur zwei Wochen hat es Sunil Mann geschrieben. «Gabriel war ein Glücksfall, wiederholbar ist das wohl nicht», sagt er. An den Geschichten um seinen Kommissar Kumar feilt Mann viel länger. Zwar kann er dort aus dem Vollen schöpfen und seine eigene Person einbringen, aber für einen Krimi braucht es halt auch noch Recherchearbeit.

Sunil Mann arbeitet im Nebenjob als Flugbegleiter

Seit Jahren arbeitet Sunil Mann als Flugbegleiter für die Schweizer Fluggesellschaft Swiss. «Dank des Schreibens konnte ich diese Tätigkeit auf dreissig, vierzig Prozent runterschrauben», sagt Mann. Denn seine fast jährlich erscheinenden Krimis verkaufen sich gut – «Schattenschnitt» ist der sechste Kumar-Krimi. Nun will Mann mit «Immer dieser Gabriel» auch im Jugendbuchsegment durchstarten und abheben. An den Krimis lässt sich Manns Erfolg nachvollziehen: Er spricht mit seinen Büchern alle an. Durch Kumars liebevoll-ironischen Blick kriegt die linke Kulturszene ebenso ihr Fett weg wie das teilweise hirntote Partyvolk oder die Wirtschaftskreise und die Classe politique.Stadtzürcher um die vierzig erkennen die Schauplätze ihres Lebens, andere bekommen einen spannenden Einblick, ohne sich selber in die Longstreet Bar zwängen zu müssen.

Der Umzug von seinem Geburtsort Zweisimmen BE nach Zürich hat Sunil Manns Dialekt nicht verändert, er spricht immer noch breitestes, «gmüetlechs» Berndeutsch. Gemütlich, obwohl Mann kurz vor dem Abflug nach Chicago ist. Und wenn er wieder in Zürich weilt, wo stillt er sein Fernweh? «Im Restaurant Vulkan an der Klingenstrasse», sagt er, «der beste Inder, den ich kenne.» Gleich neben seinem Kreis vier.

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