Saubere Marsmission
Bakterien dürfen nicht auf Weltraumfahrt

Bald sind Weltraummissionen soweit, dass sie eine reelle Chance haben, tatsächlich fremdes Leben aufzustöbern. Doch ebenso wichtig ist, dass solche Missionen nicht aus Versehen irdisches Leben auf fremden Planeten zurücklassen – und seien es nur Mikroben.
Publiziert: 28.11.2018 um 20:00 Uhr
Teilen
Anhören
Kommentieren
1/4
Am Montag, 26. November soll sie auf dem Mars landen: Die Sonde Insight. Dort wird sie nach Zeichen von ausserirdischem Leben suchen. (Illustration)
Foto: Nasa
Guido Meyer @higgsmag

Nun hat sie ihr Ziel erreicht: Die amerikanische Sonde Insight ist beim Mars eingetroffen und auf dem roten Planeten gelandet. Insight ist der jüngste Versuch der US-Raumfahrtbehörde Nasa, auf dem Nachbarn der Erde Leben nachzuweisen. Dafür ist es entscheidend, dass der Lander «sauber» ist. Denn unter keinen Umständen darf die Sonde als Raumtransporter für irdisches Leben dienen – auch nicht für sehr kleines irdisches Leben wie Bakterien und andere Mikroorganismen.

Das gilt generell, egal welche Himmelskörper Esa, Nasa & Co. besuchen: Sauberkeit ist bei all ihren Sonden oberstes Gebot. Nichts wäre Weltraumwissenschaftlern peinlicher als die Schlagzeile «Leben auf dem Mars entdeckt», ergänzt um die Unterzeile «Aber es stammt von der Erde». Deswegen setzen Forscher wie der Astrobiologe Ian Crawford von der University of London alles daran, dass Weltraummissionen kein irdisches Leben auf andere Himmelskörper verfrachten. «Es gibt eine internationale Vereinbarung darüber, wie Raumsonden beschaffen sein müssen, die andere Welten im Sonnensystem besuchen», erklärt der Brite. Sie nennt sich Planetary Protection Protocol. In diesem Protokoll ist festgelegt, bis zu welchem Grad Sonden vor ihrem Start sterilisiert werden müssen. 500’000 sogenannter Sporen – das ist die Obergrenze. Damit sind Lebewesen gemeint, die nur aus einer oder aus wenigen Zellen bestehen. Zum Vergleich: Das sind weniger Bakterien, als sich auf der Erde in einer Flasche Wasser befinden.

Raumsonden unter Alkoholeinfluss

Um die Menge möglicherweise mitreisender Mikroben auf diese Zahl zu begrenzen, werden amerikanische Raumsonden wie Insight genauso wie Europas für 2020 geplanter Lander Exomars vor dem Start mehrmals mit verschiedenen Lösungsmitteln gereinigt, unter anderem mit 80-prozentigem Alkohol. Anschliessend erfolgt eine Hitzebehandlung, um weitere Bakterien abzutöten. Von der Konstruktion bis zum Start sind die Sonden ausserdem ständig in Cleanrooms untergebracht, sagt Gerhard Kminek, Planetenschutzbeauftrager bei der europäischen Weltraumagentur Esa. «Dabei handelt es sich um biologisch kontrollierte Reinräume, die regelmässig desinfiziert werden.» Das Arbeitspersonal muss sterile Ganzkörperschutzanzüge tragen. Noch keimfreier als der Rest des Raumfahrzeugs müssen zudem diejenigen Teile des Rovers sein, die mit den Proben in Kontakt kommen wie der Bohrer. Denn sonst findet der Rover vielleicht tatsächlich Leben auf dem Mars – das aber von der Erde kam.

Die Esa ist am Mars aber nicht nur mit Exomars präsent. Seit 14 Jahren umkreist ihn bereits die Sonde Marsexpress. Ihre Lebenszeit läuft im nächsten Jahr aus. Die Esa muss entscheiden, wie sie ihre Sonde dann entsorgt, ob sie sie vielleicht auf dem Mars zum Absturz bringen will. Dabei dürfen auch die letzten irdischen Bakterien, die womöglich einige Jahre auf der Raumsonde in einer Umlaufbahn überlebt haben, die Reibungshitze beim Eintritt in die Atmosphäre des Mars nicht überleben. Doch weil das auch nach anderthalb Jahrzehnten im All nicht gewährleistet ist, favorisieren die Europäer eine andere Lösung. Sie sehen statt eines spektakulären Aufschlags ein eher sanftes Ableben vor: Marsexpress soll in genau dem stabilen Orbit bleiben, den die Sonde jetzt schon hat – und zwar für immer.

Strahlung als Bakterientöter

Der Mars ist nicht der einzige Himmelskörper im Sonnensystem, der in Zukunft Besuch von der Erde kriegt – und damit Gefahr läuft, irdischen Bakterien ausgesetzt zu sein. Sowohl Nasa wie Esa planen Missionen zu Europa, einer der Jupiter-Monde. Unter seiner kilometerdicken Eisschicht vermuten Geologen einen flüssigen Wasserozean – und in ihm möglicherweise Leben. «Für Flüge zu einem Eis-Mond müssen Sonden noch strengere Anforderungen erfüllen», sagt Melissa Jones, die Chefin der Abteilung Planetenschutz beim Jet Propulsion Laboratory (JPL) im kalifornischen Pasadena. «Bei Europa müssen wir erreichen, dass die Wahrscheinlichkeit, den flüssigen Wasserozean unter seiner Eisschicht zu verseuchen, bei weniger als eins zu 10’000 liegt.»

Derzeit plant die Nasa die Mission Europa Clipper, die den Jupiter-Mond Europa umkreisen soll, und danach eine weitere, die einen Lander auf Europas Eispanzer absetzen soll. Damit vor allem der Lander möglichst keimarm wird, soll er – ausser der obligatorischen Behandlung mit Hitze und Alkohol vor dem Start – noch während des Anfluges auf sein Ziel bestrahlt werden. «Wir wollen die hochenergetische Strahlung rund um Jupiter dazu nutzen, mögliche Bakterien loszuwerden», erklärt Planetenschützerin Jones. Während des Anflugs und später während der Umkreisungen Europas, hofft die Nasa, wird die Radio- und Teilchenstrahlung Jupiters die letzten ungebetenen Mitreisenden an Bord der Sonde automatisch abtöten. Und weil immer die Gefahr des Absturzes von Raumsonden besteht, hat die Nasa gerade solche, die sich Europa nähern, genau im Blick. «Da wir mehrmals an Europa vorbeifliegen werden, besteht die Möglichkeit, dass etwas schiefgeht und wir versehentlich auf dem Mond aufschlagen», so Jones. «Auch das Risiko eines Absturzes müssen wir auf eins zu 10’000 begrenzen.»

Doch auch wenn alles nach Plan laufen sollte, bleibt der Lander ein Risiko. «Wir müssen sicherstellen, dass sich die Bakterien auf dem Fahrzeug nicht ihren Weg durch das kilometer-dicke Eis bahnen können, hinein in den Ozean», betont die US-Wissenschaftlerin. Denn nach dem Aufsetzen werden irdische Mikroben von möglichem Leben im Ozean Europas nur noch durch eine Eisdecke getrennt sein. Und im Falle einer Bruchlandung würden Risse im Eis den Bakterien womöglich sogar helfen, sich einen Weg zum Ozean zu bahnen – und sich unkontrolliert auf dem Eis-Mond auszubreiten. Ob sich ein solches Szenario aber überhaupt hundertprozentig sicher ausschliessen lässt, darauf will sich Melissa Jones noch nicht festlegen. Die Weltraumforscher arbeiten daran.

Mehr Wissen auf higgs – das Magazin für alle, die es wissen wollen.

Externe Inhalte
Möchtest du diesen ergänzenden Inhalt (Tweet, Instagram etc.) sehen? Falls du damit einverstanden bist, dass Cookies gesetzt und dadurch Daten an externe Anbieter übermittelt werden, kannst du alle Cookies zulassen und externe Inhalte direkt anzeigen lassen.
Teilen
Fehler gefunden? Jetzt melden
Was sagst du dazu?