Speisekarte ohne Wildlachs
Spitzenköche setzen auf umweltbewusstere Alternativen

Fisch bedenkenlos konsumieren, ist nicht mehr zeitgemäss. Auch die Gastrobranche geht neue Wege.
Publiziert: 16:30 Uhr
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Der im Meer lebende atlantische Wildlachs kehrt zum Laichen zum Süsswasser zurück, wo er natürliche Hindernisse wie Wasserfälle hochspringen kann. Unüberwindbare Schleusen und Kraftwerke erschweren dem Fisch jedoch das Leben.
Foto: Getty Images

Darum gehts

  • Fischkonsum und Nachhaltigkeit schwer vereinbar. Umdenken in Hotel- und Gastroszene
  • Relais & Châteaux ruft zum Streichen bedrohter Fischarten von Speisekarten auf
  • 84 Prozent der Mitglieder servieren den gefährdeten Aal nicht mehr
Die künstliche Intelligenz von Blick lernt noch und macht vielleicht Fehler.
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Susanne WagnerJournalistin

Fisch ist gesund, jedoch lässt sich der regelmässige Genuss von Fisch nur schwer mit nachhaltiger Ernährung vereinbaren. Auch in der Hotel- und Gastroszene findet allmählich ein Umdenken statt.

Im letzten Sommer rief beispielsweise die weltweit tätige Hotel- und Restaurantvereinigung Relais & Châteaux die Küchenchefs ihrer 580 Mitgliedhäuser dazu auf, mindestens eine bedrohte Fisch- oder Meeresfrüchteart von ihren Speisekarten zu streichen.

Köche tun sich schwer

In Europa sind unter anderem der Europäische Aal, der Atlantische Wildlachs, der Europäische Seehecht im Mittelmeer, die Atlantische Makrele und der Taschenkrebs bedroht.

«Wir können wilden Fisch nicht mehr so konsumieren, wie wir es in den letzten 40 Jahren getan haben», sagt Stéphane Décotterd, Chefkoch des Relais & Châteaux Restaurants Décotterd in Glion im Kanton Waadt. Einige Köchinnen und Köche der Vereinigung hätten sich damit schwergetan, weil sie über viele Jahre hinweg mit bestimmten Arten gearbeitet hätten, die oft zu einem Markenzeichen ihrer Küche geworden sind.

Deshalb braucht es gemäss Stéphane Décotterd eine intensive Aufklärungsarbeit – und gute Alternativen. «Der Taschenkrebs lässt sich problemlos durch die Seespinne ersetzen, deren Fleisch noch feiner ist», sagt Stéphane Décotterd. Andere Arten liessen sich jedoch kaum ersetzen. Zum Beispiel der atlantische Wildlachs. Diese seltene Delikatesse wurde früher nur während der Fangzeit im Juni und Juli angeboten.

Auf Wildlachs verzichten

Doch selbst diese Beschränkung hat nicht ausgereicht, um die Art zu erhalten. «Heute muss man daher weitgehend auf Wildlachs verzichten oder ihn, wenn überhaupt, durch hochwertigen Zuchtlachs ersetzen», so Décotterd. Solche Produkte seien rar, da Fischfarmen häufig erhebliche Umweltprobleme verursachen würden. Ein positives Beispiel sei eine Zuchtanlage in Lostallo (GR), wo Lachs ohne chemische Behandlungen produziert wird.

Und wie reagieren die Gäste der betreffenden Restaurants? Sobald man ihnen die Hintergründe erklärt, werde die vermeintliche Einschränkung zu einem starken Argument für die Nachhaltigkeit. Das Publikum sei heute sehr aufgeschlossen und sensibel gegenüber Umweltfragen – insbesondere die junge Generation.

Dass ein Umdenken etwas bewirken kann, zeigt das Beispiel des Mittelmeer-Blauflossenthunfisches. Ab den 1990er-Jahren führte der Anstieg der weltweiten Nachfrage nach Sushi zu einem dramatischen Rückgang, der die Art an den Rand des Kollapses brachte, wie auf der Webseite der Umweltorganisation WWF zu erfahren ist.

Erst die Massnahmen ab 2006 veränderten etwas. Eine Beschränkung der Fangschiffe, strengere Fangquoten und die Bekämpfung der illegalen Fischerei zeigten Wirkung. Fast 20 Jahre danach ist der Rote Thunfisch nicht mehr überfischt. Auch die Köche der Hotel- und Restaurantvereinigung Relais & Châteaux strichen den Roten Thunfisch von ihrer Speisekarte. Den heute noch gefährdeten Aal servieren 84 Prozent der Mitglieder nicht mehr.

Auf die Fangmethoden kommt es an

Eine gute Übersicht über die gefährdeten Arten bietet der Online-Fischratgeber des WWF. Dieser bewertet die Nachhaltigkeit der Fische mit Hilfe eines Systems aus mit grünen, gelben oder roten Punkt, die für «Bevorzugen», «Zweite Wahl» oder «Finger weg» stehen. Ein roter Punkt wird beispielsweise dem Europäischen Flussaal, dem Dornhai (Schillerlocke), dem Rochen und der Nordseegarnele zugewiesen.

Bei den Arten mit roten, grünen und gelben Punkten kommt es darauf an, wo und mit welchen Methoden sie gefangen oder gezüchtet wurden. Grundschleppnetze haben den Nachteil, dass sie über den Meeresboden gezogen werden und die Unterwasserlebensräume wie Korallenriffe erheblich schädigen.

Zu den unbedenklicheren Fischarten gehört zum Beispiel der wild gefangene Saibling aus der Schweiz sowie der Zander. Letzterer kann auch aus einer geschlossenen Kreislaufanlage in der Schweiz, Dänemark, Deutschland oder der Niederlande kommen.

Eine Faustregel für nachhaltigen Fischkauf lautet: Bevorzuge kleinere Fische wie Hering oder Sardelle statt grössere Arten wie Thunfisch, Kabeljau, Lachs oder Schwertfisch, die oft überfischt werden. Letztlich ist es auch wichtig, den gesunden Menschenverstand walten zu lassen und Fisch nicht gedankenlos, sondern mit Wertschätzung als Delikatesse zu geniessen.

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