Der Pizolgletscher ist tot
Beerdigung auf 2600 Metern über Meer

In Trauerkleidung, aber mit Wanderschuhen an den Füssen wird Hannes Bucher (38) dem Pizolgletscher SG gedenken. Mit seiner Idee der Beerdigung will er auf den Gletscherverlust und den Klimawandel aufmerksam machen.
Publiziert: 18.09.2019 um 15:30 Uhr
Innert zwölf Jahren weggeschmolzen: der Pizolgletscher.
Foto: zVg
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Barbara Ehrensperger

Als Skitouren-Liebhaber und Leiter beim Schweizerischen Alpenclub Uto mag Hannes Bucher (38) die grandiose Schweizer Berglandschaft. Und als Landschaftsgärtner kümmert er sich um die Umwelt im Kleinen. Nur zuzusehen, wie die Gletscher in der Schweiz nach und nach verschwinden, das wollte er nicht. Er musste und wollte etwas tun, damit die Menschen auf diesen Verlust aufmerksam werden. 

Die Idee einer Gedenkfeier für einen Gletscher hatte er im vergangenen Jahr. Eines Morgens ist er mit dem Gedanken, eine Beerdigung für einen Gletscher zu organisieren, aufgewacht. Das Abschmelzen der Gletscher konnte er auf seinen Bergtouren hautnah erleben: «Viele Wanderungen haben heute andere Routen, Berghütten neue Zustiege, und es gibt mehr Steinwüste. Und das alles, weil die Gletscher immer mehr zurückgehen», so Bucher gegenüber BLICK. 

Laut Matthias Huss, Glaziologe an der ETH Zürich und Leiter des Gletschermessnetzes Glamos, haben die Schweizer Gletscher allein während der beiden Hitzewellen Ende Juni und Ende Juli insgesamt rund 0,8 Milliarden Tonnen Schnee und Eis verloren. «Absolut aussergewöhnlich für einen Zeitraum von insgesamt nur 14 Tagen», schreibt er Ende Juli auf Twitter.

Trauerkleidung und Wanderschuhe

Bucher war bald klar, dass er die Beerdigung nicht allein stemmen kann, und wandte sich an die Klimaallianz, bestehend aus verschiedenen Organisationen. Seine Idee stiess dort auf Interesse, dann ging es schnell: Am kommenden Sonntag wird für den Pizolgletscher SG eine Gedenkfeier stattfinden, die der Verein Klimaschutz Schweiz, Fastenopfer, Brot für alle, Alpen-Initiative, Greenpeace und oeku organisiert haben.

«Der Pizolgletscher ist gut erforscht, ich kannte ihn von Touren, und er ist einigermassen erreichbar», erklärt Bucher die Wahl des Gletschers. Der nordexponierte Gletscher zählt zu den kleinsten im Land. Auf einer Höhe von 2630 bis 2780 Metern über Meer gelegen, ist er besonders auf Schneefall angewiesen, um die Sommerschmelze kompensieren zu können. Aktuell hat der Gletscher nur noch eine Fläche von 0,06 Quadratkilometer. Im Vergleich: Vor 46 Jahren war er mit 0,29 Quadratkilometer fast fünf Mal so gross. Der Hauptgrund für den Schwund der Schweizer Gletscher ist auf steigende Temperaturen und mangelnde Schneefälle zurückzuführen.

Rund 50 Personen wollen am Sonntag in Trauerkleidung – aber mit Wanderschuhen an den Füssen – die fünf Kilometer und 350 Höhenmeter hinauf zu den Resten des Pizolgletschers wandern. «Ja, die Sache ist für Bergliebhaberinnen und -liebhaber gedacht. Es ist eine Wanderung im alpinen Gelände», sagt Bucher.

An der Beerdigung gibt es verschiedene Ansprachen. Um 13 Uhr startet die Feier mit dem Glaziologen Matthias Huss. Er überwacht den Pizolgletscher seit 13 Jahren. Khonemany Innoukham von der Organisation Fastenopfer in Laos zeigt im Anschluss auf, was der Klimawandel im Süden bedeutet. Nämlich Überschwemmungen und Versandung des Bodens. Zum Schluss wird der Pfarreiseelsorger der Gemeinde Mels, Eric Petrini, sprechen.

Isländer hatten die gleiche Idee

«Ich möchte die Menschen aufmerksam machen, dass mit dem Verschwinden der Gletscher auch die Landschaft der Schweiz leidet», sagt Bucher. Er freut sich, am Sonntag viele Gleichgesinnte am Fusse des Pizolgletschers zu treffen. Dass auf Island andere Menschen die gleiche Idee hatten, freut Bucher. «Es zeigt ganz klar, dass der Klimawandel ein globales Phänomen ist und uns alle etwas angeht.»

«Schön, dass in der Pizolregion über unsere Aktion gesprochen wird. Zudem freut es mich sehr, dass die Idee auch vom Schweizerischen Alpenclub unterstützt wird», sagt Mischa von Arb vom Mitorganisator Fastenopfer Schweiz. Er erwartet übrigens mehr als 50 Personen an der Gedenkfeier: «Die Anmeldung ist nicht obligatorisch, und es soll gutes Wetter sein am Sonntag – daher gehen wir von noch mehr Personen aus, die kommen werden.»

Noch sind Bruchstücke des Pizolgletschers zu sehen. Seit 1850 sind laut dem Glaziologen Huss in der Schweiz über 500 Gletscher verschwunden. Die Verluste haben sich in den letzten Jahrzehnten aber beschleunigt, sagt er. Zurück bleiben Steinwüsten.

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