Serie «Das Erbe der 68er» – Kommunismus
Kommunisten sind auch Menschen

Fünf Jahrzehnte nach dem magischen Jahr 1968 stellt sich die Frage: Was bleibt von der Studentenrevolte, die damals Europa erschüttert hat? BLICK gibt zwölf Antworten. Heute Teil 9: Das entspannte Verhältnis der Studenten zum Ostblock.
Publiziert: 06.09.2018 um 21:53 Uhr
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Aktualisiert: 20.06.2019 um 14:19 Uhr
Demonstranten gegen den Vietnamkrieg 1968 in Berlin: Ganz selbstverständlich tragen sie Bilder von den Kommunistenführern Rosa Luxemburg, Ho Chi Minh und Leo Trotzki.
Foto: Getty Images
René Lüchinger

Der Kalte Krieg und die sich unversöhnlich gegenüberstehenden Blöcke hatten nach dem Zweiten Weltkrieg im Westen ein scharf antikommunistisches Klima geschaffen – gerade auch im Nachkriegsdeutschland des greisen Kanzlers Konrad Adenauer, der politisch in der Weimarer Republik sozialisiert worden war.

Hier manifestierte sich auch eine historische Kontinuität, die in Deutschland bis in die Zeit der Russischen Revolution 1917 zurückreicht: Der Aufstieg des Nationalsozialismus war eng verbunden mit dem Antikommunismus, der 1941 in den Russlandfeldzug mündete.

DDR-Beziehungen unerwünscht

Im Adenauer-Deutschland waren politische Beziehungen zum deutschen Arbeiter- und Bauernstaat DDR schlicht unerwünscht. Eine Entspannungspolitik gegenüber Ostberlin konnte es in der Vorstellung des ersten Kanzlers der Bundesrepublik erst nach einer Wiedervereinigung der beiden aus dem Krieg hervorgegangenen Teilstaaten geben.

In Westberlin jedoch amtete seit Februar 1963 eine sozialliberale Koalition mit dem Regierenden Bürgermeister Willy Brandt an der Spitze. Dieser setzte auf eine aktive Verständigungspolitik mit der DDR. Er wusste, dass nach dem Bau der Mauer 1961 jede Verbesserung der Lage an der ehemaligen Zonengrenze nur über ein Einverständnis mit den kommunistischen Machthabern in Ostberlin in die Wege geleitet werden konnte.

«Wandel durch Annäherung»

Am 15. Juli hielt Brandts Presseamtschef Egon Bahr in Bayern eine Rede, die «als eine der wichtigsten öffentlichen Ankündigungen eines Strategiewechsels in der westdeutschen Deutschland- und Wiedervereinigungspolitik während des Kalten Krieges gilt», wie es in einem Kommentar zur Bedeutung dieser Rede heisst. Titel: «Wandel durch Annäherung.» Willy Brandt leitete 1969 als erster sozialdemokratischer Bundeskanzler die in dieser Rede angedeutete neue Ostpolitik ein, und Egon Bahr wurde dabei zu seinem wichtigsten Vordenker und Mitstreiter.

Gehirn, Herz und Beine

Ohne die Ostpolitik des späteren Friedensnobelpreisträgers Willy Brandt hätte es 1989 keine Wiedervereinigung gegeben. Ohne die Studentenbewegung freilich auch nicht. «Wenn Bahr das Gehirn der Neuen Ostpolitik war und Brandt das Herz, dann waren die 68er zumindest die Beine», urteilte das Magazin der «Süddeutschen» einmal.

Sie haben erst das Klima geschaffen, das in Deutschland den strammen Antikommunismus der Adenauer-Ära überwinden half – und dies wiederum war die Voraussetzung dafür, dass Willy Brandts Ostpolitik politisch überhaupt umsetzbar wurde. 

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