Arbeit nervt!
Raus aus dem Hamsterrad

Weniger beruflicher Stress, weniger Verdienst, dafür mehr Zeit und mehr Raum für Selbstverwirklichung. In der Arbeitswelt hat sich ein neuer Trend manifestiert: Downshifting.
Publiziert: 16.03.2017 um 15:40 Uhr
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Aktualisiert: 12.09.2018 um 04:00 Uhr
Viele Menschen haben die Nase voll vom Berufsstress und schrauben ihr Pensum zugunsten ihrer Hobbys runter.
Foto: Thinkstock
Flavian Cajacob

Downshifting ist in. Bei der Generation Y, also bei den zwischen 1980 und 1999 Geborenen, aber auch bei gestandenen Führungskräften. «Sie alle wollen sich nicht mehr nur über Job und Karriere definieren», sagt  Buchautorin und Karriereberaterin Wiebke Sponagel (Downshifting, Selbstbestimmung und ­Ausgeglichenheit im Job, Verlag Haufe, ISBN: 978-3-648-03556-6) . «Downshifting ist die Reaktion auf das sprichwörtliche Hamsterrad im Beruf, auf den Leistungsdruck, dem viele Arbeitnehmer ausgesetzt sind.»

Da ist die Buchhändlerin, die kurz vor ihrem 30. Geburtstag ihr Pensum auf 50 Prozent reduziert, um vermehrt ihrer Leidenschaft, dem Bloggen, nachzugehen. Oder der Chef einer mittelgrossen Airline, der einen weiteren Stellenabbau nicht mitverantworten will, deshalb aussteigt und den Schritt in die Selbständigkeit wagt. «Im Zentrum des Downshifting steht immer die Sinnfrage», führt Sponagel aus, «was mache ich da überhaupt? Will ich das ein Leben lang machen? Gibt es etwas, das mich mehr erfüllt?»

Oft Thema bei höheren Lohnklassen

Weil der Entscheid in aller Regel auch existenzielle Fragen aufwirft, sind es eher Gutverdienende und Arbeitnehmer ohne grosse Verpflichtungen, die beruflich einen Gang runterschalten. «Downshifting ist meist unter Angestellten in mittleren und oberen Lohnklassen ein Thema», betont die Karriereberaterin, «bei Selbständigen logischerweise nicht, denn die haben ja schon die Kontrolle über die eigene Zeit.»

Wer auf der Karriereleiter freiwillig ein paar Sprossen zurücksteigt oder diese ganz verlässt, der nimmt nicht nur finanzielle Einbussen in Kauf, sondern auch harsche Reaktionen aus dem Umfeld. «Wenn du einen prestigeträchtigen Job hast und dich gegen Karriere und Geld entscheidest, dünnt der Freundeskreis rasch aus», sagt Melinda Cange, die ihren gut bezahlten Job vor einem Jahr an den Nagel gehängt hat (siehe Interview).

Soziales Umfeld leidet

Deswegen hält auch nicht das schmalere Budget manchen Downshifter vom Traum von mehr Selbstbestimmung ab, sondern die fehlende gesellschaftliche Anerkennung. «Wir sind es gewohnt, von anderen für unser Tun gelobt zu werden», meint Buchautorin Sponagel, «mit sich im Reinen zu sein und sich selbst zu loben, ist nicht jedem und jeder gegeben.»

Anders als die klassischen Aussteiger wenden sich Downshifter nicht von der Gesellschaft ab. Sie sind weiterhin Teil der Arbeitswelt, reduzieren ihr Tun aber auf das, was ihnen wesentlich erscheint: mehr selbstbestimmtes und selbstverantwortetes Arbeiten oder mehr Freiraum für die Familie. Für Wiebke Sponagel ist klar: «Kritiker mögen die Bewegung als Zeitgeisterscheinung oder Luxusproblem abtun, ich erachte es eher als wichtigen Teil eines persönlichen Reifeprozesses.»

Melinda Cange (33) ist Spirit Coach und Soul Stylistin.
Tarotkarten anstatt Business

Life!: Wie wird man zur Downshifterin?
Melinda Cange:
Ich bin in internationalen Konzernen tätig gewesen, habe in Paris und New York gelebt; toller Lohn, vorgezeichnete Karriere – doch mit der Zeit erkannte ich, dass sich meine und die Wertvorstellungen meiner Arbeitgeber nicht decken. Alphatiergehabe und Ellbogenmentalität: Nein danke, das muss ich nicht haben!

Die Konsequenz?
Bis ich kündigte, dauerte es ein Jahr. Diese Zeit nutzte ich, um mir klar zu werden, was ich kann, was ich will. Und wie ich es schaffen kann, Selbstbestimmung, Leidenschaft und Spass unter einen Hut mit den finanziellen Verpflichtungen zu bringen.

Ihre Lösung?
Um die Miete zu sichern, nahm ich einen 50-Prozent-Job auf einem total anderen Gebiet an. Den Rest der Zeit widme ich meinem Projekt Changelicious. Ich mache Spirit Coaching und Soul Styling, also Stil- und Persönlichkeitsberatung, lege Tarotkarten, finde die richtige Duftnote für Kundinnen, kurz: Ich berate Menschen im Auftreten und der Arbeit am eigenen Ich.

Welche Konsequenzen hat das ­Down­shifting für Sie?
Ich fühle mich freier, obwohl ich dreimal so viel arbeite und weniger verdiene. Ich verzichte auf Designerklamotten und Auto. Dafür lebe ich meine Talente und meine Leidenschaft aus, mache etwas Sinnvolles.

Life!: Wie wird man zur Downshifterin?
Melinda Cange:
Ich bin in internationalen Konzernen tätig gewesen, habe in Paris und New York gelebt; toller Lohn, vorgezeichnete Karriere – doch mit der Zeit erkannte ich, dass sich meine und die Wertvorstellungen meiner Arbeitgeber nicht decken. Alphatiergehabe und Ellbogenmentalität: Nein danke, das muss ich nicht haben!

Die Konsequenz?
Bis ich kündigte, dauerte es ein Jahr. Diese Zeit nutzte ich, um mir klar zu werden, was ich kann, was ich will. Und wie ich es schaffen kann, Selbstbestimmung, Leidenschaft und Spass unter einen Hut mit den finanziellen Verpflichtungen zu bringen.

Ihre Lösung?
Um die Miete zu sichern, nahm ich einen 50-Prozent-Job auf einem total anderen Gebiet an. Den Rest der Zeit widme ich meinem Projekt Changelicious. Ich mache Spirit Coaching und Soul Styling, also Stil- und Persönlichkeitsberatung, lege Tarotkarten, finde die richtige Duftnote für Kundinnen, kurz: Ich berate Menschen im Auftreten und der Arbeit am eigenen Ich.

Welche Konsequenzen hat das ­Down­shifting für Sie?
Ich fühle mich freier, obwohl ich dreimal so viel arbeite und weniger verdiene. Ich verzichte auf Designerklamotten und Auto. Dafür lebe ich meine Talente und meine Leidenschaft aus, mache etwas Sinnvolles.

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